Interview mit Nathaniel Rateliff und Joseph Pope III

Das selbstbetitelte Debütalbum von Nathaniel Rateliff & The Night Sweats gehört seit dem ersten Hören zu meinen Lieblingsalben in diesem Jahr. Die Musik ist der pure Soul, Old School ohne altbacken zu sein. Den Folkbarden hat er hinter sich gelassen, ohne sich dabei selber zu vergessen. Dass es mehr als ein Soloprojekt ist, zeigt auch die Anwesenheit seines alten Kumpels und Bassisten der Band Joseph Pope III beim Interview und eine Liveband mit sieben Mitgliedern mit allem was eine richtige Soulband benötigt: eine Bläsersektion, Orgel, Gitarren, Bass, Percussions und ganz, ganz viel Spaß auf der Bühne. Eine Band für die „Baptism of Sweat“ – was das ist, erklärte mir Joseph Pope III während unseres Interviews. Und falls ihr das und etwas mehr über das neue Album und den Prozess dahinter erfahren wollt, wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen unseres Interviews mit den beiden Herren aus Denver, USA.

Als ich das neue Album gehört habe, dachte ich nur „Wo kommt diese Stimme her?!“ Ich habe das Gefühl, dass sich deine Stimme im Vergleich zu deinen Solosachen verändert hat oder täusche ich mich da?

Nathaniel Rateliff: Sie ist anders. Ich denke, ich kann viele verschiedene Stimmen annehmen.

Ich kannte ja nur die von deinen Solosachen…

Nathaniel: Die tiefe?

Ja. Ich denke, dass du mehr aus dir herausgehen musst, auch stimmlich, weil du jetzt eine laute Band um dich herum hast.

Nathaniel: Naja, mehr oder weniger, ich habe versucht, die neuen Sachen mehr in diese Richtung zu schreiben. Ich habe es immer genossen auf diese Art und Weise zu singen. Die Solosachen verlangten nach ruhigerer Stimme. Es hätte keinen Sinn gemacht, wenn ich da geschrien hätte.

Wie ist es dazugekommen, dass du dich um 180° gedreht hast?

Nathaniel: Während wir versucht haben „Falling Faster Than We Can Run“ zu veröffentlichen, hatte ich ein wenig Freizeit und wollte versuchen mit dieser Art von Musik zu arbeiten.

Wieso?

Nathaniel: Ich mochte diese Musik schon immer. Ich bin mit dieser Art von Musik, die wir „Oldies“ nennen, aufgewachsen. Ich habe viel Sam Cook gehört, Sammy Davis Jr., The Band, den frühen James Brown…

Joseph Pope III: Ich denke, du wolltest auch eine Band in der du tanzen kannst.

Nathaniel: Und Leadgitarre spielen.

Joseph: Als ich das neue Material zum ersten Mal gehört habe, war es eines der natürlichsten Sachen, die er je gemacht hat – und ich kenne ihn schon mein ganzes Leben. Die alten Sachen sind zwar auch natürlich, aber da war was in der Stimme von dem ich dachte, dass es nur darauf gewartet hat mal rauszukommen. Es war das Unbefangenste, das ich jemals von ihm gehört habe.

Wann bist zu der Band dazugekommen, Joseph?

Joseph: Wir spielen schon seit Kindertagen zusammen und ich bin schon lange in seiner Folk-Band. Als er die Night Sweats dann zusammengestellt hat, war es selbstverständlich, dass ich auch dabei bin.

Nathaniel Rateliff and The Night Sweats 2Hast die Art wie du Songs aufnimmt für dieses Album verändert?

Nathaniel: Der Anfangsprozess hat sich nicht geändert – zuhause in der Garage und ein Mikrophon. Als ich dann zu Richard Swift, dem Produzenten, gegangen bin, habe wir es ähnlich gemacht, aber mit besseren Equipment. Ich habe also nicht so viel verändert. Wir haben nur versucht die Songs nach der Ära klingen zu lassen, die wir geplant hatten.

Wie arbeitest du im Studio? Bist du eher jemand, der den Bildschirm des Computers beobachtet oder lehst du dich zurück und hörst einfach zu?

Nathaniel: Ich bin eher jemand, der sich zulehnt und zuhört. Ich warte auf eine gute Performance und wenn es sich gut anfühlt, dann wird das genommen. Ich will es nicht auseinanderscheiden um es dann perfekt zusammen zusetzen. Ich mag es ein bisschen verkrokst.

Joseph: Das Album wurde mit Patrick Meese, der auch der Schlagzeuger der Band ist, gemacht und er ist sehr gebildet im Studio. Das hat dann bei der zusammenarbeit zwischen Produzent und der Band geholfen. Er hat auch mit den technischen Sachen dann vermittelt. Meiner Erfahrung nach war Nathaniel schon immer sehr gefühlsorientiert und macht immer nur ein, zwei Takes. Ich denke, das kommt auch so rüber.

Nathaniel: Wir haben auch viel getrunken. Wir haben versucht alles früh am Tag fertig zu kriegen, weil wir wußten, dass es später nichts mehr wird. Sobald wir zum Lunch sind, war es so ziemlich vorbei. Lunch war so gegen sechs Uhr abends.

Wie groß war der Einfluss der Band am Ende vom Aufnahmeprozess oder warst du da schon komplett fertig?

Nathaniel: Ich habe alles zuhause aufgenommen und dann haben wir als Band angefangen. Die Songs änderten sich erst als wir damit begannen sie live zu spielen. Ich denke, wenn wir noch länger zusammen live gespielt hätten, hätten sich die Songs noch mehr verändert.

Das Album wurde ja auch schon im vergangen Jahr aufgenommen…

Nathaniel: Im August.

Das ist schon ziemlich lange her und ich denke mal, dass sich die Songs schon jetzt sehr verändert haben, oder?

Nathaniel: Viele sind live gleich geblieben. Wenn man einen Song viel live spielt, nimmt er verschiedene Formen an. Er zeigt dir was noch gemacht werden muss. Wir versuchen im Studio nicht zu sehr an ihnen herumzubasteln.

Außerdem verändern Musik doch gerne ihre Songs live, einfach damit es nicht langweilig wird den gleichen Song über Wochen, Monate und Jahre immer wieder zu spielen.

Nathaniel: Wir haben verschiedene Versionen von den Songs auf dem Album, zum Beispiel haben wir zwei Versionen von „Shake“ und „I’ve Been Failing“.

Ich hab mal gelesen, dass du dich früher nicht so wohl auf der Bühne gefühlt hast, weil deine Songs sehr persönlich sind und es so sei als ob man die Situation nochmal durchleben würde. Mittlerweile hätte sich das aber für dich geändert, weil die Bühne der Ort ist, wo du hingehörst. Wann hast du das realisiert?

Nathaniel: Ich denke, bei einigen Songs ist der Inhalt immernoch der gleiche. Anstatt das es hart ist alles nochmal zu leben, ist es manchmal ist gut und manchmal ist es das nicht.

Joseph: Ich denke, manchmal ist der Inhalt zwar gleich, aber die Herangehensweise ist eine andere. Es ist mehr Freude drin, auch beim Schmerz. Diese Freude ist erfrischend.

Für mich ist es so, dass der Fokus nicht auf den Texten liegt, weil in den Songs so viel los ist. Es ist als wären die gleichen Themen einfach besser versteckt.

Joseph: Ja.

Nathaniel: Ja. Die Texte sind immer noch das Wichtigste, aber bei diesem Projekt geht es mehr darum wie wir alle zusammenspielen.

Und auch wenn der Text nicht unbedingt positiv ist, klingt es wenigstens so.

Joseph: Es gibt diese „Baptism of Sweat“, die die Menschen dabei erfahren können. Einfach mal alles loswerden, beim Tanzen ausschwitzen.

Wie schreibst du Songs? Hast du einen festen Prozess wie du mit einem Song anfängst oder ist es einfach eine plötzliche Inspiration?

Nathaniel: Es ist beides. Manchmal kommt der Song einfach und du bist ein Teil davon beim Schreiben und dann arbeite ich lang dran. Man ist inspiriert oder hat eine Idee, nimmt eine Melodie auf und dann schreibe ich die Sachen, die ich gerade gesungen habe, auf. Ich arbeite immer weiter dran und versuche den Song immer besser zu machen.

Wann weißt du, dass der Song fertig ist?

Nathaniel: Manchmal geht es so: „Ich bin fertig.“ Früher war ich viel schneller, was ich mochte. Ich wollte die Leute mit dem Gefühl zurücklassen, dass sie mehr wollen.

Wie hast du mit der Musik angefangen, Nathaniel?

Nathaniel: Ich spiele schon so lange ich mich erinnern kann. Ich habe ein Schlagzeug zu meinem siebten Geburtstag bekommen. Ich habe versucht zu spielen, aber so richtig bin ich der Musik mit 11 oder 12 verfallen. Da habe ich angefangen ständig Schlagzeug zu spielen. Meine Eltern haben Musik gemacht und in Josephs Familie war es auch eine große Sachen. Er spielte Trompete. Mit 13 habe ich dann angefangen Gitarre zu spielen und fing direkt an Songs zu schreiben. Wir waren für viele Jahre zusammen in einer Band, dann sind wir nach Colorado gezogen.

Für mich hat es sich immer so angehört, als wärst du immer alleine gewesen und er ist erst jetzt dazugestoßen. Es ist ziemlich faszinieren, dass ihr beiden schon so lange Musik zusammen macht.

Nathaniel: Niemand hat drauf geachtet.

Joseph: Es sind seine Songs, Das ist sicherlich der Grund. Was aufregend an dieser Sache ist, dass es ist eine große Band und unsere musikalische Zusammenarbeit ist sehr interessant.

Und der Rest der Band sind ebenfalls Freunde?

Nathaniel: Ja. Ich hoffe, wir sind auch noch nach der Tour Freunde. [alle lachen]

Du bist viel alleine getourt, da ist es schon ein unterschied, wenn so viele Leute um dich rum sind.

Nathaniel: Wir sind als fünfköpfige Band schon lange getourt. Sieben ist noch mal was anderes. Bei zwei Köpfen mehr ändern sich ein paar Sachen.

Joseph: Man braucht zum Beispiel ein ganz anderen fahrbaren Untersatz.

Nathaniel: Es war eine Notwendigkeit, dass ich alleine getourt bin. Wir konnten es uns nicht leisten alle mitzunehmen.

Joseph: In Deutschland – mehr noch als in anderen Ländern – ist die Reputation von Nathaniel als Solokünstler aus dieser Notwenigkeit heraus geboren. Er hat hier mehr alleine Folk gespielt als woanders. Es war ziemlich einschüchternd, als wir Anfang des Jahres als Band rüber gekommen sind, es waren der gleiche Schlagzeuger, Keyboarder und ich selber, die jetzt auch in den Night Sweats spielen. Wir waren sehr nervös, denn wir wollten das alles nicht falsch repräsentieren. Aber es lief gut und die Reaktionen auf diese Veränderung waren gut.

Vielen Dank für das Interview!

Das Album von Nathaniel Rateliff & The Night Sweats ist bereits bei uns erschienen. Wer der „Baptism of Sweat“ bewohnen will, hat im Oktober an folgenden Tagen die Gelegenheit dazu:

06.10., Postbahnhof, Berlin
07.10., Amphere, München
08.10., Exil, Zürich, CH
10.10., Luxor, Köln
11.11., Molotow, Hamburg

Interview und Fotos: Dörte Heilewelt

https://www.nathanielrateliff.com/