Interview mit Karin Park

Never gonna be the same, never gonna be the same- singt Karin Park in „Walls Are Gonna Fall“ auf ihrem mittlerweile fünften Album „Apocalypse Pop“. Die 36-Jährige Schwedin wiederholt diesen Gedanken wie ein Mantra. Vieles scheint zu einem Ende zu kommen, das sogar sehr bewusst. Eine private, wie auch musikalische Endzeit, ein Aufbäumen und ein Album das vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Ihre Pop-Synth-Nummern wirken wie Statements, die Park geschickt mit einer Kombination aus sinnlichen Beats, lebhaften Drums, grazilem Klavier und einem Spritzer Electronica ausstaffiert. Die skandinavische Sängerin ist eine starke, selbstbestimmte Frau, die keine Angst vor der Inszenierung hat und mit Gendergrenzen spielt. Die androgyne Schönheit zieht rastlos durch die Welt und gesteht, dass sie oft Probleme hat, ihre chaotischen Gedanken zu sortieren. Mit geheimnisvollen Charme in ihren Augen erzählt Karin Park im Interview von sich und ihrer Musik und der Erkenntnis der Endlichkeit.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem 5. Studioalbum, Karin! Nicht viele Künstler erreichen eine solche Zahl.

Danke dir! Ja, ich habe auch das Gefühl das so etwas heutzutage eher etwas Besonderes ist. Aber fünf sind nicht genug. Ich werde noch viele Alben mehr machen.

„Apocalypse Pop“ beschreibt im wahrsten Sinne des Titels das Ende einer Ära. Du sagst selbst, dass es dein letztes Pop-Album ist.

Vielleicht werde ich meine Meinung nochmal ändern, das tue ich sehr häufig… Aber jetzt gerade habe ich das Gefühl, als ob ich mit den letzten drei Alben ein Maximum an Pop für mich erreicht habe. Es ist an der Zeit neue Gebiete zu entdecken und zu erobern. Diese Entwicklung fühlt sich sehr natürlich an. Was als nächstes kommt, weiß ich noch nicht. Aber ganz sicher wird es Musik sein.

Aber so ganz kannst du der Popmusik sicher nicht abschwören? Die Genregrenzen verschwimmen doch oft so sehr.

Ja, das stimmt. Und vielleicht wird das, was ich derzeit nicht für Pop halte, in drei Jahren Pop sein. So etwas verändert sich ja auch die ganze Zeit. Trotzdem fühlt sich dieses Album eben wie das Ende von etwas an. Das letzte Jahr habe ich als eine sehr schwere Zeit empfunden. Wenn ich zurückblicke, dann fühle ich mich jetzt komplett befreit. Ich möchte Spaß haben und Leben leben. Wenn ein Problem nicht lebensbedrohlich ist, dann ist es egal.

So eine Einstellung bekommt man, wenn man lebensbedrohliche Situationen erlebt hat. Teil deines schlimmen letzten Jahres war die Krebsdiagnose deines Freundes. Das war sicher eine harte Zeit.

Wir sind ganz tief untergegangen. Und nach dem Auftauchen hat man auf einmal alles aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ich will nur noch so viel Spaß wie möglich haben und Dinge genießen.

Tun, was man wirklich tun will.

Ja! Manchmal steckt man so viel Energie in Dinge, die man erreichen will. Dinge, die aber eigentlich völlig nutzlos sind. Ich arbeite gerne hart, aber ich arbeite auch nur für die Dinge, hinter denen ich hundertprozentig stehe. Ich werde nie mehr etwas machen, was ich eigentlich gar nicht machen will. Wofür denn?

„You’re a sucker for endorphines“. Deine Worte. Suchst du ständig nach dem Glück?

Ich habe die Suche nach dem Glücklichsein vor langer Zeit aufgegeben. Auch in harten Zeiten kann man Momente haben, die einem ein gutes Gefühl geben. Schlechte und gute Gefühle gehen ja auch irgendwie Hand in Hand. Man braucht sie alle im Leben, damit man das eine von dem anderen unterscheiden kann. Wir erfahren alle schlimme Dinge in unserem Leben. Die Frage ist nur, wie sehr hast du Angst davor? Es geht nicht um Glück. Es ist wichtig loszulassen und die Angst vor dem Kontrollverlust zu verlieren. Sich weniger Sorgen um Dinge zu machen, die man eh nicht beeinflussen kann.

So eine sorglose Ausstrahlung umgibt dich tatsächlich. Zuerst war ich ein bisschen eingeschüchtert, als ich dich vorhin nur von weitem bei dem Fotoshoot gesehen habe. Du bist 1,90 groß, wahnsinnig präsent und scheinst dir so sicher zu sein, indem wer du bist. So gerne wie du mit Genregrenzen in der Musik spielst, so gerne überkommst du auch festgefahrene Gendergrenzen. 

Ich habe aber eigentlich keine sehr klare Vorstellung davon, wer ich bin. Ich verändere mich so oft. Das Leben verändert einen. Meine Musik verändert sich. Man wechselt die Orte, an denen man lebt. Man trifft neue Menschen. Alles hat einen Einfluss und so soll es auch sein. Ein ewiger Wandel.
Dabei versuche ich nur ehrlich zu bleiben.

Wenn du zurückblickst, bist du dann zufrieden damit wie du immer warst? Was würdest du deinem jüngeren Ich für einen Ratschlag geben? Etwas, was du gerne früher gelernt hättest?

Ich wünschte ich hätte mir damals in der Schule sagen können: Versuch nicht so zu sein wie die Anderen. Sei du selber. Ich war so anders und damit so unglücklich. Aufgewachsen bin ich in Japan und erst als ich 11 Jahre alt war, kamen wir zurück nach Skandinavien. Ich fühlte mich völlig allein mit meinen Erfahrungen und konnte nicht teilhaben an der Kultur, die die anderen Kinder teilten. Was auch immer sie beschäftigte, von den meisten Bands, Zeitschriften usw. hatte ich in Japan nichts gehört. Ich war die totale Außenseiterin. Damals habe ich nicht verstanden, was ich tun musste, um akzeptiert zu werden. Ich wollte nicht die gleichen Klamotten wie die Anderen tragen. Aber gleichzeitig wollte ich unbedingt normal sein. Die Musik hat mir geholfen. Ich wusste damals schon, dass ich singen wollte. Dass ich eine Künstlerin werden wollte. Alles andere wurde dann immer unwichtiger.

Der Song „Hurricane“ ist gemeinsam mit Pandora Drive entstanden. Es gibt außerdem einen Booka Shade-Remix davon. Wie ist es dazu gekommen?

Thomas Knights von Pandora Drive kannte ich schon von einem meiner Videos, was er gemacht hatte. Nachdem er einen Gig von mir besucht und ganz direkt danach sagte: Hey, ich will ein Video mit dir machen. Also habe ich eine zeitlang bei ihm gewohnt. Eines Abends, während ich in meinem Zimmer saß, hat er nebenan gemeinsam mit Nick Sheldon Musik gemacht. Sie haben eine Melodie zu einem Teil gesucht und nicht gefunden. Ich allerdings hatte direkt etwas im Kopf, bin also einfach rübergegangen und habe gesagt: „Hey, this is how it goes. This is your melody.“ Und sie waren total begeistert, so dass wir direkt mit einem iPhone die ersten Aufnahmen gemacht haben. So hat es angefangen. Auf den Demos haben wir gemerkt, dass unsere Stimmen sich gut ergänzen. Der Song ist auf meinem und auch auf ihrem Album. Booka Shade liebe ich schon seit langer Zeit. Als sie dann einen Remix von diesem Song machen wollten, war ich total begeistert.

Welcher Teil des Musikmachens sagt dir am meisten zu? Das Schreiben, das Produzieren, die Live-Shows…

Wenn ich schreibe, dann möchte ich am liebsten jeden Tag im Studio sein. Wenn ich Konzerte spiele, dann habe ich das Gefühl, dass ich genau das für immer machen möchte. Ein Teil von mir möchte also immer nur im Studio sein und dort die Musik kreieren. Aber sobald ich draußen bin, liebe ich die Bühne. Dort gibt es so eine magische Energie, die einen überfällt.

Im April wirst du diese Energie im Berghain rauslassen können. Was können die Leute von deiner Show erwarten?

Sehr viel Leidenschaft. Es wird keine verrückte Liveshow mit Special Effects oder so. Wir sind da eher einfach gestrickt und spielen lieber mit der Intensität der Musik. Normalerweise bin ich immer mit meinem Bruder alleine auf der Bühne, aber für diese Show werden wir Support haben. Mehr verrate ich noch nicht. Es wird spannend!

Karin Park Live: 

15.04.2015 – Berlin, Berghain
16.04.2015  – Hamburg, Prinzenbar
17.04.2015  – Köln, Gebäude 9
18.04.2015  – Heidelberg, Karlstorbahnhof
19.04.2015  – München, Feierwerk

www.facebook.com/karinpark

Interview: Christina Heckmann

Foto © Christoph Voy