Zwei Drittel von Kafka Tamura kommen aus Berlin, der dritte Teil aus South Hampton, England. Wie Patrick Bongers und Gabriel Häuser, zwei Berliner Soundtüftler über das Internet mit der damals gerade fünfzehnjährigen Singer/Songwriterin Emma Dawkins zusammen gefunden haben und wie so eine Zusammenarbeit auf die Dauer funktioniert, haben die drei uns im Interview erzählt. Und dass ihre Interpretation moderner, elektronischer Indie-Popmusik jedem internationalen Vergleich Stand hält, beweist das frisch erschienene Debütalbum „Nothing To Everyone“.
Die Art wie ihr Euch getroffen habt, das ist ja eine sehr schöne, moderne Geschichte. Ihr, Patrick und Gabriel, habt Euch Demos auf Soundcloud angehört und seid so auf Emma gestoßen.
Patrick: Das ist eine wahre Geschichte, kein Promogag (lacht). Gabriel und ich machen schon lange Musik zusammen und haben mit verschiedenen Sängern hier in Deutschland gearbeitet. Aber es war nie wirklich so, wie wir es uns gewünscht haben. Also haben wir gezielt nach Künstlern aus UK gesucht, das war der Sound, der uns vorgeschwebt hat. Und dafür haben wir das Internet benutzt, was sehr hilfreich war.
Wie kann man sich so eine Suche genau vorstellen?
Gabriel: Es gibt Kategorien auf Soundcloud, die man durchsuchen kann. Du fängst irgendwo an und landest letztendlich ganz woanders. Singer/Songwriter war eine der Kategorien, die wir durchstöbert haben.
Patrick: UK Singer/Songwriter war es glaube ich.
Emma: Ich glaube ich habe UK nicht angegeben. Auf meinem Profil steht Southampton / Zimbabwe (lacht). Ich fand das lustig. Ich hatte vier Songs hochgeladen, die ich mit dem Hashtag Singer/Songwriter versehen hatte.
Gabriel: Du hast uns gehasht mit dem Tag! (Gelächter)
Du warst 15 zu der Zeit?
Emma: Ja, richtig.
Was für ein Leben hast Du damals geführt?
Emma: Ich bin zur Schule gegangen und war gerade dabei meinen Abschluss zu machen als es etwas ernster wurde mit Kafka Tamura. Ich hatte keine Ahnung was ich mit meinem Leben machen wollte, was für einen Job ich mir suchen sollte. Es kam mir damals wie ein großer Spaß vor, also dachte ich, ich mache es einfach. Jetzt, drei Jahre später, bin ich immer noch dabei.
Also hast Du eines Tages eine Nachricht von zwei Typen aus Deutschland bekommen…
Emma: Ja. Ich hatte noch ein paar Nachrichten von anderen, aber die Musik war nicht gut. Oder, noch besser, sie haben mir gar nichts geschickt und einfach nur geschrieben: hey, lass uns zusammen arbeiten (lacht). Die habe ich ignoriert. Die Jungs wirkten als hätten sie ein gutes Fundament gelegt. Sie haben mir ein paar Songs geschickt die ich gut fand und mir etwas über sich erzählt. Es wirkte offizieller und seriöser als bei den anderen, von Anfang an.
Wart ihr nicht wahnsinnig erstaunt als ihr erfahren habt wie jung Emma ist? Wenn man ihre Stimme hört würde man es kaum für möglich halten.
Gabriel: Am Anfang waren wir gar nicht erstaunt.
Emma: Ich habe nämlich gelogen!
Wirklich?
Emma: Ja, ich habe bei meinem Alter gelogen weil ich Angst hatte sie würden sagen, ich bin zu jung. Ich glaube ich habe gesagt ich bin 17. Die Wahrheit habe ich ihnen erst ein paar Monate später gesagt.
Gabriel: Wir waren wirklich fasziniert als wir ihre ersten Demos gehört haben. Emmas Stimme klingt so reif. Klar, als es raus kam haben wir kurz gedacht: scheiße! Aber auf der anderen Seite haben wir der ganzen Sache nie irgendwelche Grenzen gesetzt. Also war diese Altersgeschichte auch eine dieser Grenzen, die wir einfach ignoriert haben. Ist doch egal ob man 40 oder 14 ist, wenn es gut klingt, ist es gut. Nur einmal mussten wir eine Show in England canceln weil Emma nicht alt genug für den Club war… (Gelächter)
Als Mutter frage ich mich ja als erstes, was Deine Eltern gesagt haben, als Du ihnen erzählt hast: Hey, da sind zwei Jungs in Deutschland, die würden gerne mit mir Musik machen…
Emma: Als ich das erste Mal mit Patrick geskypet habe, saß meine Mutter die ganze Zeit neben mir, neben der Kamera. Sie wollte sicher gehen, dass alles ok ist. Aber meine Eltern sind grundsätzlich sehr unterstützend. Wenn ich etwas möchte, helfen sie mir, es umzusetzen. Sie helfen mir, ohne mir zu diktieren was ich tun soll. Sie sind großartig, ich liebe sie.
Als ihr angefangen habt miteinander zu arbeiten, gab es da schon fertige Instrumentals, zu denen Emma Texte geschrieben hat? Oder habt ihr gemeinsam ganz von vorne mit dem Schreiben angefangen?
Patrick: Ich glaube wir haben ihr zwei Instrumentals geschickt, „Lullabies“ und „Somewhere Else“. Mit dem Ergebnis waren wir so zufrieden, dass wir es unbedingt verbreiten wollten, also dachten wir, machen wir ein Video zu „Somewhere Else“. Die visuelle Seite war uns von Anfang an sehr wichtig. Bei dem Dreh haben wir uns zum ersten Mal persönlich gesehen. Gabi und ich sind mit dem Filmteam nach England gereist, haben bei Emma an der Haustür geklopft und gesagt: okay, lass es uns tun!
Ihr beiden habt ja wie gesagt schon länger zusammen Musik gemacht.
Gabriel: Ja, bestimmt fünf, sechs Jahre.
Was hat Emma denn nun genau mitgebracht, das Euch bis jetzt gefehlt hat? Von ihrer wunderbaren Stimme mal abgesehen?
Patrick: Wie Du sagst, in erster Linie natürlich diese Stimme. Aber auch die Texte die sie schreibt, sind sehr wichtig für Kafka Tamura.
Gabriel: Außerdem mochte sie sofort den Stil, der uns vorschwebte, dieser minimalistische Ton. Der verträgt sich so gut mit dem Raum, den Emmas Stimme braucht. Ich glaube, wir konnten noch nicht einmal sagen warum genau es jetzt so gut ist, als wir es zum ersten Mal gehört haben. Wir wussten einfach das ist es und haben weiter gemacht.
Patrick: Alles ist auf Anhieb perfekt verschmolzen. „Somewhere Else“ war wie gesagt der erste Song, den wir zusammen gemacht haben und er hat die Ästhetik des gesamten Albums vorgegeben. Es war einfach ein absoluter Glücksfall.
Jetzt kommt Euer erstes gemeinsames Album raus und ihr habt vorher schon Eure erste eigene Headliner Tour gespielt.
Gabriel: Patrick und ich hatten ja wie gesagt schon Erfahrung mit früheren Projekten und dadurch auch mit dem Touren. Wir kennen viele Leute, einige Booker und wussten, wen wir ansprechen müssen. Es war im Prinzip das Gleiche wie mit dem Video, wir hatten Songs und wollten sie spielen, wir möchten dass unsere Musik gehört wird. Im stillen Kämmerlein warten bis alles fertig ist und dann damit an die Öffentlichkeit gehen, das ist nicht unsere Herangehensweise. Also haben wir Shows gebucht, um unsere Songs zu spielen. Den Leuten hat es gefallen, also sind wir weiter gebucht worden. Ich glaube auch, dass die Musikindustrie sich heute mehr an einzelnen Songs orientiert als an kompletten Alben. Vor zehn Jahren war das bestimmt noch anders. Heutzutage musst du nicht zwingend als Band ein Album auf dem Markt haben, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Eine handvoll starker Songs kann schon Türen öffnen. Uns persönlich sind Alben immer noch sehr wichtig. Wir lieben Alben (lacht).
Ich finde das ist offensichtlich, wenn man euer Album hört. Es funktioniert sehr als Großes Ganzes, es erzählt einen zusammenhängenden Bogen, vom Intro bis zum Schluss.
Patrick: Das ist gut zu hören! Und es ist auch nicht zu lang (lacht).
Dann kann es ja bald wieder auf Tour gehen! Emma, wie geht es dir heute, wenn du unterwegs bist? Ich habe gehört, dass du immer ein bisschen unter Heimweh leidest auf Tour.
Emma: Ja, das ist immer noch so. Ich vermisse meine Eltern. Und ich spreche kein Deutsch, dadurch fühlt man sich manchmal ein bisschen isoliert. Die meisten sprechen ja Englisch, aber ich fühle mich sicherer, wenn ich auch die Gespräche verstehen kann, die nichts mit ihr zu tun haben. Ich mag es lieber wenn ich verstehe, was um mich herum passiert.
Wäre demnach nach Berlin zu ziehen erst einmal keine Option für dich?
Emma: Es ist nicht so, dass ich es nicht wollen würde. Aber so wie wir arbeiten ist es im Moment noch nicht zwingend nötig. Das wird noch eine Weile so funktionieren, auch wenn wir in verschiedenen Ländern leben.
Euer Bandname stammt ja aus einem Buch von Haruki Murakami, „Kafka am Strand“. Ist die asiatische Kultur im Allgemeinen auch eine wichtige Inspirationsquelle für euch?
Patrick: Ich denke durchaus, dass das ein wichtiger Einfluss für uns ist. Man hört es auch in der Ästhetik der Musik. Die japanische Kunst ist ja sehr minimalistisch. Und in manchen Klavierakkorden die wir nutzen hört man den Einfluss der asiatischen Pentatonik. Ich habe als wir angefangen haben, viel Murakami gelesen und als Emma uns ihre ersten Texte gezeigt hat, ist mir aufgefallen, dass es auch in ihnen einen gewissen Surrealismus gibt, der mich an Murakami erinnert hat. Also haben wir diese Elemente genommen und versucht, bewusst mit ihnen zu arbeiten.
Wart ihr schon einmal in Japan?
Patrick: Nein, leider noch nicht…
Gabriel: Aber… eines Tages möchten wir an Murakamis Geburtstag eine Show in Japan spielen.
Patrick: Das sollten wir öfter in Interviews erzählen, vielleicht lädt er uns irgendwann ein.
Ihr solltet ihn vorsorglich immer auf die Gästeliste setzen, dann kann er jederzeit vorbei kommen.
Gabriel: Super Idee, da fangen wir sofort mit an!
Das Debütalbum von Kafka Tamura, „Nothing To Everyone“, ist am 14.08.2015 erschienen.
Interview: Gabi Rudolph