Joris, der sympathische Geschichtenerzähler aus der Kleinstadt Vlotho in NRW, lebt gerade einen Traum: Sein Debütalbum „Hoffnungslos Hoffnungsvoll“ ist von 0 auf Platz 3 in die Charts eingestiegen, am Wochenende beginnt der erste Teil seiner Deutschlandtournee. Es stehen aufregende Zeiten bevor. In einer Drehpause bei Inas Nacht findet er Zeit für ein Interview mit uns. Wir plaudern über den Umgang mit dem Erfolg, seine musikalischen Anfänge und Träume.
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem tollen Debütalbum und dem fantastischen Charteinstieg!
Das erste nehme ich gerne an. Das zweite ist ein schöner Beigeschmack…
Hast du denn mit diesem Erfolg gerechnet? Realisierst du das schon alles?
Nein, wahrscheinlich nicht. Ich tu mich sehr schwer damit… Ich bin immer noch derselbe wie vor zwei Jahren. Und was meinen Chartentry angeht – damit hätte, glaube ich, niemand gerechnet. Ich bin einfach nur total stolz darauf, dass das Album jetzt endlich draußen ist. Ich hab‘ vier Jahre daran gearbeitet, hab‘ mich komplett eingesperrt und sehr viel Zeit mit meiner Band verbracht. Und jetzt ist es da und ich bekomme viel Feedback, das ist wirklich toll. Ähnlich krass und unglaublich wie diese Chartplatzierung ist meine Tour, die am Samstag losgeht. Die ist bis auf zwei Konzerte komplett ausverkauft. Ich hab‘ einfach keine Ahnung, wie sich das anfühlt. Ich weiß nicht, wie das ist, dass Leute wegen mir auf ein Konzert kommen… Aber ich weiß, dass ich das gerade sehr genieße und dass ich mich total drauf freue.
Ja, wahrscheinlich ist es das Beste, das alles aufzusaugen und irgendwann später wird man es dann verstehen.
Ja, ich komme aus der Nähe von Bielefeld, vom Dorf. Ich bin jemand, der gerne mit beiden Füßen auf dem Boden steht und von daher mache ich mir auch nicht so viel aus Trubel. Ich bin einfach sehr stolz darauf, dass ich für dieses Album mit so vielen lieben Menschen arbeiten durfte und bin wahnsinnig zufrieden mit dem Ergebnis. Alles andere ist eine Zugabe. Wobei solche Sachen wie die Festival Serie mit dem werten Herrn Clueso im Sommer und im Herbst Teil zwei meiner Tour – das sind natürlich positive Nebeneffekte und führt dazu, dass viele Leute meine Musik hören.
Du hast gerade deine Heimat erwähnt. Über deine Kindheit in Vlotho hast du mal gesagt, dass es der perfekte Ort war, um der Fantasie freien Lauf zu lassen. Inwieweit hat dich deine Kindheit geprägt?
Natürlich ist die Kindheit extrem prägend für mein Leben gewesen und in Vlotho gibt es einfach sehr viel Natur, sehr viel Wald und Wiesen… Wir haben als Kinder zum Beispiel immer draußen gespielt. Gerade weil Vlotho diese ruhige Seite hat, bin ich direkt nach dem Abi raus in die weite Welt, um andere verrückte Menschen kennenzulernen – Menschen wie mich selbst, die bereit sind, Tag und Nacht Musik zu machen. Aber immer wenn ich jetzt ca. zwei bis drei Mal im Jahr zurück nach Vlotho komme, dann merke ich, dass die Luft dort anders riecht, dass sich alles anders anfühlt und man einfach zu Hause ist. Dieses Gefühl habe ich immer noch, obwohl ich dort so selten bin.
Aber es war ja auf jeden Fall dort, wo du angefangen hast, Songs zu schreiben. Es gibt ja diese lustige Story…
Die Emma Watson Geschichte, ja.. (lacht)
Genau. Aber die möchte ich jetzt gar nicht vertiefen (Gelächter). Aber du warst mit 11 Jahren ja sehr jung, als du den besagten Song geschrieben hast. War das auch ungefähr die Zeit wo du angefangen hast deine eigene Musik zu komponieren?
Komponieren klingt natürlich immer so wichtig. Ich hab‘ mit fünf Jahren angefangen, Schlagzeug zu spielen. Dann hat mein Onkel versucht, mir Klavier beizubringen und nach Noten zu spielen, aber ich war einfach der faulste Schüler, den es jemals gab. Trotzdem war ich von ihm richtig fasziniert. Denn er konnte richtig gut improvisieren, er hat sehr viel Blues gespielt. Und am Ende jeder Stunde hat er mir immer noch fünf Minuten etwas vorgespielt. Das habe ich richtig aufgesogen. Ab und zu bin ich einfach rübergegangen, habe mich ans Klavier gesetzt und hab auch sowas versucht. Komponieren würde ich das nicht nennen, aber angefangen zu schreiben habe ich seitdem ich Klavier gespielt habe. Das war nicht so, dass ich mir gedacht habe, ich müsse jetzt einen Song schreiben, sondern ich habe einfach für mich selber die Töne neu aneinandergesetzt… Und mit 11 habe ich eben diesen einen Song für Emma Watson geschrieben, woran ich mich auch gar nicht mehr komplett im Detail erinnern kann. Aber ich weiß, dass ich damals sehr in sie verliebt war. Und da musste ich ihr natürlich meine Liebe auch gestehen.
Stand es für dich denn immer schon fest, dass du mal Musiker werden möchtest oder hat sich das so entwickelt?
Ich hab in Amerika ein High School Jahr gemacht. Dort habe ich angefangen mit meinem Laptop Musik aufzunehmen. Das fand ich total spannend und als ich wieder zu Hause war und eigentlich fürs Abitur lernen sollte, habe ich Tag und Nacht in meinem Musikkeller gesessen und habe dort Musik aufgenommen. Andere Leute fanden das immer schon ein bisschen komisch, dass ich da so viel Zeit reinstecke. Da ich selbst einige Instrumente spiele, habe ich es total genossen, alles selber einzuspielen und einzusingen. In Berlin habe ich daher auch Ton- und Musikproduktion studiert. Ich hab mich einfach schon immer in der Musik verloren und fühle mich damit extrem wohl. Aktuell läuft natürlich auch alles drum herum ganz toll, aber auch wenn das jetzt nicht so wäre, würde ich trotzdem alles genauso machen. Denn Musik ist einfach alles für mich.
Nochmal zurück zu deinem Album. Hast du einen Lieblingssong auf „Hoffnungslos Hoffnungsvoll“?
Ich habe alle Songs auf dem Album selbst geschrieben. Jeder Song hat seine eigene Geschichte. Und dementsprechend gibt es für jede Lebenssituation, die ich die letzten vier Jahre durchlebt habe, einen Song, der sich damit befasst. Ich habe daher keinen persönlichen Lieblingssong, das schwankt immer hin und her. Ich mag zum Beispiel „Wie man es auch dreht“ sehr gerne, weil es in diesem Song um meinen absoluten Lebenstraum geht: eine riesengroße Party in einem wunderschönen alten Haus mit all meinen Liebsten. Und da in letzter Zeit so viele Lebensträume in Erfüllung gegangen sind, wünsche ich mir manchmal insgeheim, dass das für immer ein Traum bleibt. Bei „Im Schneckenhaus“ wiederum gibt es ein tolles Liveerlebnis. Wenn ich diesen Song spiele, hören die Leute am Ende einfach zu und es ist mucksmäuschenstill im Saal. Das ist eine enorme Energie, die man dann in dem Raum spüren kann. Ich könnte dir jetzt für jeden Song erzählen, warum er mein Lieblingssong ist.
Du hast es gerade angesprochen. Du gehst bald auf Tour. Da wird es bestimmt spannend sein, die Reaktionen des Publikums auf die Songs zu erleben. Mit welchen Gefühlen gehst du denn rein in die Tour? Bist du eher aufgeregt oder voller Vorfreude?
Stell dir vor, man gibt alle positiven Gefühle zusammen in einen großen Hexenkessel und rührt dann drei Mal um. Es ist extrem geil, weil ich mit meiner Band wieder unterwegs sein darf. Ich war die letzten drei Wochen auf Radiotour, da ist man viel für sich alleine unterwegs. Und jetzt geht es bald los mit den Jungs und unserem Tourbus. Wir fahren und fahren und fahren, dürfen Konzerte spielen und bekommen natürlich zum ersten Mal direktes Feedback auf dieses Album. Ich bin einfach voller Vorfreude, dass wir wieder gemeinsam Musik machen dürfen und bin davon überzeugt, dass es tolle Abende werden.
Während deiner Zeit an der Mannheimer Popakademie hattest du mit ein paar Kollegen eine Indie-Band. Damals hast du noch auf Englisch gesungen. Mich würde jetzt interessieren, wie es dazu gekommen ist, dass du heute bei deinem Soloprojekt auf Deutsch singst.
Ich habe eigentlich von klein auf nur englische Musik gehört und auch nur auf Englisch geschrieben. In Amerika habe ich Englisch dann als meine Sprache nochmal gefestigt. Und das Schöne an englischer Musik ist, dass selbst die Muttersprachler oftmals mehr auf die Musik als auf jedes einzelne Wort hören. Und man kann wesentlich besser als in einem deutschen Song die Stories für sich selbst neu interpretieren. Denn da verstehen die Zuhörer jedes einzelne Wort. Ich versuche diesen Spagat für meine Musik immer wieder zu finden. Mein Album hat einen recht englischen Sound und es war mir wichtig, dass wenn man sich in der Musik verliert, die Musik eine Emotion vorgibt und für sich spricht. Gleichzeitig möchte ich aber auch, dass mir die Leute bis ins letzte Detail zuhören und zuhören können. Das möchte ich nie wieder missen. Vor vier Jahren, als ich zum ersten Mal einen deutsche Text geschrieben habe, ist mir aufgefallen, dass da eine andere Magie herrscht. Und mittlerweile bin ich total zufrieden mit dieser Kombination.
Gibt es Künstler, die du bewundert oder mit denen du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Im Moment bin ich sehr zufrieden, dass ich meine Musik machen darf, und das zu 100%. In Zukunft würde ich sicherlich aber auch gerne einmal mit großen Vorbildern wie Paolo Nutini oder Damien Rice zusammen Musik machen. Außerdem begleite ich im Sommer Clueso auf seiner Festival Tour und darauf freue ich mich schon sehr. Wir Musiker lieben es ja sowieso immer gemeinsam Musik zu machen. Irgendwann wird sich da bestimmt mal etwas ergeben. Aber ansonsten genieße ich einfach mein Ding gerade.
Wie sieht denn für dich ein perfekter Tag aus? Sind das die Tage, die aktuell anstehen, Stichwort Tourleben, oder ist dein perfekter Tag eher chillig?
Das kommt immer ganz auf die Laune an. Ein perfekter Sonntag sieht so aus, dass ich im Bett frühstücke, gemütlich ein Buch lese und dann für mich selber ein bisschen Musik machen kann. Nachmittags trifft man sich mit Leuten und unterhält sich ein bisschen. Eine andere Kategorie eines perfekten Tages ist ein Gig Tag: frühes Aufstehen, in den Bus steigen, gemeinsam losziehen, abends ein richtig fettes Konzert spielen und danach gepflegt zusammen feiern…wobei das letztere mir fast lieber ist als so ein ruhiger Sonntag. Aber das hab ich jetzt ja auch viel vor mir.
Was würdest du denn gerne abschließend deinen Fans sagen?
Man sollte das Leben zu hundert Prozent genießen und eine große Party schmeißen. Es lohnt sich nicht, sich über die kleinen Dinge so viele Gedanken zu machen, denn sie sind es zum Teil einfach nicht wert, sich darüber zu ärgern. Stattdessen sollten alle versuchen, das Positive zu sehen und füreinander da zu sein. Aber ich bin noch so jung, dass ich eigentlich nicht den Zeigefinger auspacken möchte. Ich wünsche einfach jedem, dass er glücklich ist und dass wir dennoch alle aufeinander achten und empathisch sind.
Interview: Marion Weber