Wie macht sie das nur? Das ist der erste Satz, der mir grundsätzlich einfällt wenn ich an Jasmin Tabatabai denke. Sie sieht toll aus, hat drei Kinder, eine Karriere als Schauspielerin und eine zweite ebenso respektable als Sängerin. Und das Tollste an ihr: bei allem was sie tut, ist sie unvergleichlich sie selbst. Schon als junge Schauspielerin habe ich sie immer für ihre eigene Art bewundert, mit mehr Mut zu Persönlichkeit als die meisten, mit ihrer offenen, ehrlichen Art und diesem entscheidenden Quentchen Rock’n Roll in den Adern. Neben der Schauspielerei eine eigene Band mit dem grandiosen Namen Even Cowgirls Get The Blues haben, in einem Film die Hauptrolle spielen, den Soundtrack schreiben und die meisten Songs selber singen („Bandits“) – will ich auch! Jetzt hat Jasmin Tabatabai ihr zweites Jazz Album raus gebracht. Es hört auf den knackigen Namen „Was sagt man zu den Menschen wenn man traurig ist?“ und darauf finden sich auch einige Werke ihres frühen Schaffens wieder, aber wieder einmal auf eine ganz eigene, neue Art. Und die Frage lautet wieder einmal: Wie machst du das nur, Jasmin?
Ich freue mich sehr, dich zu treffen. Ich habe dein musikalisches Schaffen ja bereits seit deiner Zeit mit der Band Even Cowgirls Get The Blues verfolgt.
Sehr schön! Das ist lange her. Damals war VIVA noch ganz neu. Ich erinnere mich dran, weil MTV unser Video natürlich nicht gespielt haben, da gab es damals nur die richtigen Top Stars zu sehen. Aber bei VIVA haben wir es in die Rotation geschafft (lacht). Später, mit „Bandits“ war ich noch bei MTV in London. Da hat Christian Ulmen noch auf Englisch moderiert! Das war ja noch viel köstlicher, mit diesem starken, deutschen Akzent.
Auf jeden Fall habe ich mich sehr gefreut, auf deinem neuen Album ein paar echte Klassiker aus der Bandits Zeit wiederzufinden.
In ganz neuem Gewand! Und ehrlich gesagt, sie gefallen mir nicht schlecht so. Ich liebe die Bandits Versionen, ich bin ein sehr treuer Mensch, halte Bandits immer noch sehr hoch und sage auch immer noch, dass das der wichtigste Film in meiner Karriere war. Aber diese Versionen… „Sad Song“ zum Beispiel. Der ist so entspannt so! Man möchte einen Drink dazu schlürfen. Und „Catch Me“ hat jetzt einen Dreivierteltakt. Man merkt es kaum, weil das ganz subtil daher kommt, aber wenn du genau hin hörst ist das so. Im Zuge der Neuaufnahmen habe ich mir auch das Original von Saint Etienne nochmal angehört. Das ist halt ‚ne Electro Ballade. Interessant aber irgendwie auch merkwürdig (lacht).
Ich finde es schön, dass du nach so langer Zeit noch Lust auf deine alten Songs hast.
Ich habe natürlich nur Lust darauf, weil es sich weiter entwickelt. Ich würde niemals noch einen auf Luna machen und diese ausgetretenen Pfade weiter gehen, weil es sich gut verkauft. Ich hätte mir ja zum Beispiel auch eine Bandits Band casten können und diese Kuh noch ein bisschen weiter melken können. Das würde ich nie machen. Never ever! Es muss lebendig bleiben, das ist für mich sehr wichtig. Und in der Tat finde ich das hier total lebendig. Wie hat David (Anm. David Klein, Produzent des Albums) das so schön ausgedrückt: (in Schweizer Dialekt) „Catch Me“ nehmen wir direkt an den Anfang, da hören die Leute sofort, das ist die Tabatabai 2016. Ich finde da hat er Recht! Und als allererste Nummer gleich ein Kreisler Lied, sieben Minuten, mit soooo nem langen Titel… (lacht)
Du bist ja sowieso recht mutig, was das Angehen von Coverversionen angeht. Das habe ich mir schon bei deinem letzten Album gedacht. Da wagst du dich auch mal schnell an eine Marlene Dietrich ran.
Ja, aber… beim Jazz ist das halt so. Jeder nimmt alles auf. Da gibt es diesen Dünkel nicht. Jetzt höre ich immer: Reinhard Mey?! Puhdys?! Ich denke da nur, was ist denn mit euch los? Das ist doch kackegal! Hauptsache ein Lied ist toll. Reinhard Mey ist sowieso großartig. Ein Genius! In jedem anderen Land würde der eine Verehrung bekommen wie Bob Dylan. Das ist doch eigentlich unser Bob Dylan! Ich finde, das ist vom Niveau her absolut ähnlich. Und ich finde ich kann das beurteilen, weil ich von beiden Lieder gesungen habe. Von Bob Dylan habe ich „All Along The Watchtower“ gecovert. Da merkst du beim Singen wie toll das ist. Wie er die Melodie und den Text verwebt, das ist so magisch, wirklich poetisch. Und genauso ging es mir bei Reinhard Mey. Auf meinem letzten Album hatte ich von ihm „Herbstgewitter über Dächern“, dieses Mal „Alle guten Dinge sind drei“. Erst checkst du’s gar nicht, dann singst du’s und merkst auch da, wie er Text und Melodie zusammen bringt, das ist Poesie. Und in jedem Land würde man Rosen auf seinem Weg ausbreiten. Bei uns guckt man da irgendwie komisch drauf runter. Musikalische Vorurteile abzulegen habe ich aber auch erst durch diese Jazz Geschichte gelernt. David ist sehr gut darin, die Essenz eines Liedes heraus zu hören. Er weiß genau wie er etwas machen will und wenn ich mir unsicher bin, sagt er: Überleg’s dir wenigstens. So zum Beispiel bei einem Lied wie „Youkali“. Wenn man da nur die YouTube Versionen kennt, diesen Tango, da denkt man, hm… Aber dann macht man das und am Ende ist es total geil. Und zusätzlich stellt man ein Jahr später fest, dass der Text gerade total aktuell ist! Das war gar nicht so beabsichtigt.
Dabei habe ich gelesen, dass du und David euch nach dem ersten gemeinsamen Album gar nicht sicher wart, ob es ein weiteres Jazz Album werden wird, wenn ihr wieder zusammen arbeitet.
Das stimmt. Es gibt aber auch einen großen Unterschied zwischen den beiden Platten. Die erste ist zuerst einmal viel größer arrangiert, mit Orchester und allem drum und dran, insgesamt viel glamouröser. Diesmal wollten wir etwas intimeres machen, näher dran, ungeschminkt. Aber der große Unterschied ist eigentlich, dass wir noch nicht einmal zusammen aufgetreten waren, als wir die erste Platte aufgenommen haben. Es war ein reines Studioalbum, im wahrsten Sinne des Wortes. Und diese Platte, die ist das Ergebnis von fünf Jahren dutzende von Konzerten spielen, einander viel besser kennenlernen, ganz nah zusammen spielen, durch die Lande touren. Ich finde man hört das. Sie ist wie gesagt viel intimer, auch ein bisschen dreckiger. An der ersten haben wir viel mehr gefeilt, immer wieder aufgenommen. Dieses Mal habe ich den gesamten Gesang in drei Tagen aufgenommen, nichts mehr dran geschönt, zack, fertig.
Du hast ja vorhin schon den Titelsong erwähnt. „Was sagt man zu den Menschen wenn man traurig ist?“. Was hat euch dazu bewegt, den auszuwählen?
Das ist ja ein Alterswerk von Georg Kreisler. So eins wo man das Gefühl hat, er hat zum ersten Mal gesagt wie es ihm geht. Auf der Schauspielschule habe ich schon immer seine Lieder gesungen. (Intoniert) „Schatz das Wetter ist wunderschön, geh’n wir Tauben vergiften im Park…“ So war der ja eigentlich. Und da singt zum ersten Mal der traurige Clown hinter der Maske und lässt uns wissen, wie es ihm wirklich geht. Das ist auch ein sehr aktuelles Thema. Heutzutage geht es ja hauptsächlich darum, auf Selfies so breit wie möglich zu grinsen und den Leuten zu zeigen wie viele Freunde man hat.
Einen ersten Videoclip gibt es inzwischen ja auch, zum Reinhard Mey Cover „Alle guten Dinge sind drei“. Den hat deine Tochter gedreht.
Du hast es gesehen? Die erste die ich heute treffe, die es gesehen hat! Toll, ich freu mich!
Hat sie das wirklich ganz alleine gemacht? Das ist sehr beeindruckend.
Völlig alleine. Mit iMovie und Stop Motion. Sie macht Fotos, dann bewegt sie die Figuren und macht wieder Fotos. Ich musste ihr ein Programm für Green Screen Animation kaufen, damit macht sie die Hintergründe. Und das ganze Lego musste ich ihr natürlich auch kaufen, aber dafür hat es sich wenigstens gelohnt (lacht). Jetzt ist das erste Video zum Album von ihr. Das finde ich Wahnsinn. Was ich dabei gelernt habe: Es gibt keine Babyfiguren bei Lego (lacht). Bei Playmobil schon, aber das fand sie uncool. Sie malt auch viel, fotografiert es ab und stellt es auf Instagram. Und es motiviert sie total, dass sie da eine Handvoll Leute hat, die das gut finden. Man darf die ganze moderne Technik auch nicht nur verteufeln. Aber man muss seine Kinder natürlich auch schützen. Ich bin ja selber ein totaler Spätzünder was den ganzen Social Media Kram angeht. Mit Facebook habe ich vor zwei Wochen angefangen und bin selber immer noch am Austarieren. Persönlich aber nicht würdelos ist die Devise (lacht).
Interview: Gabi Rudolph