„Mücke“ heißt die neue EP von Grace Risch, die im August bei uns erscheint. Die Berlinerin mit nigerianischen Wurzeln mag eine Newcomerin sein, aber dabei längst kein unbeschriebenes Blatt. Als Grace brachte sie 2014 bereits ihre EP „Kleine Welt“ heraus, unter dem Künstlernamen Gretel bereits ein ganzes Album, sie war mit Max Herre auf seiner „Hallo Welt“ Tour und im Vorprogramm von Sarah Connor unterwegs. Die „Mücke“ Grace Risch ist also alles andere als ein kleines, flatterhaftes Ding. Im Interview hat sie uns von ihrem Weg ins Licht erzählt.
Im August erscheint deine neue EP, diesmal unter deinem vollen Namen. Du machst aber schon länger Musik, vor ein paar Jahren zum Beispiel hast du unter dem Künstlernamen Gretel bereits ein Album veröffentlicht, komplett in Eigenregie.
Das habe ich damals tatsächlich ganz alleine gemacht, auch die Promo dazu. Ich habe alle selber angeschrieben. Das war eine gute Erfahrung für mich, weil ich mich damit in die Rolle begeben habe, mich und mein Projekt zu verkaufen. Es war ganz gesund mal in eine Perspektive zu gehen, die ich vorher überhaupt nicht hatte. Wenn man immer nur in der Künstleridentität drin steckt, sieht man nie die andere Seite. So habe ich gelernt was alles dazu gehört, damit eine Sache erfolgreich ist. Ich habe mir eine Liste gemacht mit allem, was ich will: Ich will, dass überall darüber geschrieben wird, es soll im Radio gespielt werden und entsprechend habe ich drei Wochen lang Mails verschickt, alles ausprobiert was ging. Es ist auch tatsächlich einiges passiert damals, ich war zum Beispiel bei iTunes Single der Woche. Alles, was ich mir gewünscht habe, habe ich vielleicht nicht erreicht, aber in dem Prozess habe ich wichtige Sachen gelernt, die heute noch für mich von Vorteil sind.
Und dann ist doch noch aus Gretel Grace geworden. Ursprünglich wolltest du nicht unter deinem bürgerlichen Namen in Erscheinung treten, wenn ich das richtig gehört habe.
Stimmt, wollte ich ursprünglich nicht. Ich hatte verschiedene Projekte, die damals auch alle noch englisch sprachig waren. Dann kam ich aber doch dazu, auf meiner Muttersprache zu singen, da dachte ich, jetzt noch einen anderen Namen zu nehmen macht keinen Sinn. Und ich bin’s doch eigentlich, Grace. Als Grace habe ich 2014 die EP „Kleine Welt“ veröffentlicht. Jetzt ist auch noch mein Nachname dazu gekommen. Grace kann alles mögliche internationale sein. Dass jetzt mein deutscher Nachname dabei ist, finde ich gut.
Und wie ist es für dich zu der Entscheidung gekommen, doch auf Deutsch zu singen?
Ich musste mir irgendwann eingestehen, dass es das Richtige für mich ist. Max Herre hat mich damals ja gefragt, ob ich auf seiner „Hallo Welt“ Tour live dabei sein will. Das wollte ich sehr gerne machen. Auf dem Album gibt es einen Song, „Solang“, für den ich eine Strophe geschrieben habe, auf Deutsch, obwohl ich damals weder auf Deutsch gesungen noch auf Deutsch getextet habe. Auf Tour durfte ich diese Strophe dann immer singen, das war toll. Ich habe viel drüber nachgedacht und musste irgendwann erkennen dass, wenn es die richtigen Worte sind, meine Stimme sich auf Deutsch noch viel intensiver transportiert. Bis ich soweit war es auch wirklich auszuprobieren, hat es noch ein paar Monate gedauert.
Würdest du sagen, dass man beim Texten auf Deutsch noch strenger mit sich ist?
Absolut. Als ich mit 17, 18 angefangen habe Songs zu schreiben und sie auch selbst singen wollte, habe ich festgestellt dass ich schnell an eine Grenze komme, dass die Worte mich stören, wenn sie nicht stimmen. Ich kam nicht weiter und habe dann die Abkürzung gewählt. Auf Englisch geht das alles viel schneller. Es klingt gut, wenn nicht kann man es auch ein bisschen vernuscheln und es fügt sich leicht in die Musik ein. Das heißt, ich konnte musikalisch schneller arbeiten und mich weiter entwickeln was das Komponieren und finden von Melodien angeht. Das war auch eine wichtige Zeit. Auch heute noch finde ich es viel schwieriger. Ich merke sofort wenn ich mir eine Zeile nicht abkaufe. Es geht ja um das Finden einer eigenen Authentizität, da habe ich ganz feine Sensoren, ob ich etwas Singen möchte oder nicht.
Was ich an deinem Song „Mücke“ mag ist, dass du die Mücke, als die du dich bezeichnest, nicht zu etwas Kleinem machst. Im Gegenteil, das ist eine ganz schön selbstbewusste Mücke, die da rum schwirrt.
Die Mücke ist ganz schlau, ja. Es ist auf jeden Fall ein positiver Song. Die wichtigste Aussage daran ist mir der Weg ins Licht, was auch immer es dafür benötigt. Ich fliege ins Licht, auch wenn man nicht weiß was einen dort erwartet. Vielleicht sieht es aus wie das richtige Licht, ist am Ende aber doch nur ’ne Lampe (lacht). Man weiß es nicht, aber man muss auf jeden Fall erst mal gucken.
Auf deiner letzten EP „Kleine Welt“ spielst du ja textlich auch schon sehr schön mit den Attributen groß und klein. Bei dir wird die kleine Welt zu etwas Schönem, das gefällt mir.
Ja! Man strebt ja sonst immer nach dem Großen. „Mit dir bin ich unaufhaltsam…“ (lacht) Mir ging es genau um die Gegenbewegung. Das hat damals gut zu mir gepasst. Ich lerne ja auch aus meinen Texten. Ich schreibe aus einem Gefühl heraus, entdecke im Nachhinein aber viel mehr Bedeutung in den Texten, die da aus mir raus gekommen sind. Bei „Kleine Welt“ war das auch so. Wenn man zum Beispiel ein Baby beobachtet, wie es einer Ameise dabei zusieht wie sie über einen Grashalm krabbelt. Durch die Begeisterung des Babys wird etwas Kleines ganz groß. Was für den einen klein ist ist für den anderen vielleicht groß. Ich merke es ja auch bei mir selber. Ich brauche es zu spüren, wann ich mich zurückziehen und mal nur mit mir selber sein muss. Zu merken wo stehe ich gerade, hier war ja ganz schön viel Trubel. Gerade war ich zwei Wochen mit Sarah Connor auf Tour. Das verändert natürlich auch was. Da muss ich erst mal wieder zu mir kommen und überlegen wo stehe ich jetzt, was habe ich erlebt? Ein Update mit mir selber machen. Und dann kann ich auch wieder raus gehen und weiter machen.
Apropos weiter machen, im August kommt deine nächste EP raus. Warum hast du dich entschieden, wieder eine EP rauszubringen und nicht ein volles Album?
Auf der EP sind sechs Stücke. Hätte ich noch zwei mehr gehabt, hätte ich sie auch Album nennen können. Ich sehe das trotzdem wie ein Album. Ich bin da von der Arbeitsweise her auch genau so ran gegangen. Mit der gleichen Liebe und Arbeit auf allen Ebenen, seien es die Videos, bei deren Planung ich dabei war, bei einem habe ich selber Regie geführt, oder das Grafikkonzept.
Du hast selber Regie geführt?
Ja, wir haben ein Video für „Papakiste“gedreht, was ich in einen Topf geworfen habe mit meiner ersten Reise nach Nigeria und der Begegnung mit meinem Vater, den ich zum ersten Mal getroffen habe. Ich habe mich kurzfristig entschlossen doch nach Nigeria zu fahren, erst hatte ich Angst. Dann kam mir die Idee und ich habe die Plattenfirma gefragt, ob ich ein kleines Team mitnehmen könnte, dann machen wir dort ein Video. So haben wir das gemacht, ganz Guerilla mäßig. Und es ist ein ganz tolles Video dabei raus gekommen. Es gab keinen Regisseur vor Ort, das habe ich zusammen mit dem Kameramann gemacht. Und ich habe meinen Vater getroffen. Ohne den Song wäre das glaube ich nicht passiert. Ich bin, wie so viele andere auch, ohne Vater aufgewachsen, da hat eine lange Zeit etwas gefehlt, das ich auffüllen musste. Das hat aber alles seine guten und schlechten Seiten. Vielleicht wäre ich ohne das gar nicht Künstlerin geworden, wenn ich als Kind nicht so viel in meine Phantasiewelten abgetaucht wäre. Auf der anderen Seite hängt natürlich auch viel Schmerz dran. Auf jeden Fall war es gut, diese Reise gemacht zu haben, auch die Angst vor diesem Land überwunden zu haben. Das gibt mir mehr Freiheit in meinem Leben.
Wie toll, dass du das durch deine Arbeit als Künstlerin erreichen konntest! Das klingt wirklich toll. Ich wünsche dir ganz viel Glück für die Zukunft.
Danke!
Interview: Gabi Rudolph