Interview mit Felix White von The Maccabees

the-maccabees-2015-studio-photo_credit-pooneh-ghana_web-res3Was lange währt, wird endlich gut. Das Motto beschreibt wohl perfekt den Entstehungsprozess des neuen Albums der Maccabees, die nach drei Jahren Pause mit „Marks To Prove It“ ein grandioses neues Album nachlegen, das voller Überraschungen steckt. Warum der Prozess durchaus mühsam war und wie man es als Band dann doch hinbekommt ein Werk abzuliefern mit dem alle mehr als happy sind, erzählt mir Felix White, Gitarrist, Background-Sänger und Songschreiber der fünf Londoner im Interview.

Herzlichen Glückwunsch zu eurem tollen neuen Album!

Danke, ich sage dir, das ist so eine Erleichterung, dass das jetzt fertig ist und dass es auch gefällt.

Die Entstehung hat sich ja etwas länger hingezogen und euch wohl einige Nerven gekostet.

Es hat wahrscheinlich genau so lange gedauert, wie es immer dauert. Nur mit dem Unterschied, dass wir nach unserer Tour zu „Given To The Wild“ wohl etwas zu optimistisch waren, dass die neue Platte schnell gehen wird. Wir haben uns daher keine Auszeit gegönnt, sondern dachten, wir machen das ganz alleine ohne Unterstützung und sind direkt ins Studio marschiert. Wir haben uns nicht genügend Zeit gegeben, um erst mal wieder in unser normales Leben zurück zu finden. Sechs Monate später haben wir dann gemerkt, wie erschöpft wir eigentlich noch sind und haben keine brauchbaren Songs hinbekommen. Dazu haben wir gemerkt, ein Album ganz alleine zu stemmen ist ein Riesen Aufwand, nicht nur logistisch, sondern auch das Zeit-Management ist eine Herausforderung. Wir sind das also eher falsch angegangen.

Ich frage mich wie ihr das so macht. Ihr habt eine sehr lange Tour mit wahnsinnig vielen Dates zu „Given To The Wild“ gemacht. Wo bekommt man nach so einer intensiven Zeit überhaupt noch die Inspiration her?

Ich schreibe viele Songs und kann eigentlich überall schreiben, auch auf Tour. An verschieden Orten zu sein kann wahnsinnig inspirierend sein, deshalb macht es für mich eigentlich keinen Unterschied wo ich schreibe. Allerdings geht es auf der neuen Platte, gerade was die Texte angeht, sehr stark um London und um Geschichten von Menschen, die dort leben. Daher war es sehr wichtig, dass wir einige Zeit in London verbringen, um nicht über uns zu schreiben, sondern über das, was um uns herum passiert.

Wie hoch war der Druck, nachdem eure letzte Platte von Kritikern und Fans so hochgelobt wurde? Ihr wurdet dafür sogar für den Mercury Prize nominiert.

Was wir als Band wirklich gelernt haben ist, dass es sich auszahlt mutig zu sein. Wir haben immer versucht uns mit dem nächsten Album weiter zu entwickeln und unerwartet zu sein. Das war bisher von Vorteil und hat gut funktioniert. Ich denke daher nicht, dass wir nervös waren. Es ist einfach unglaublich harte Arbeit gute Musik zu machen – es dauert einfach ewig.

Liegt es daran, dass ihr an Euch selbst so hohe Erwartungen habt?

Ja, vielleicht. Aber es gibt so viele kleine Details die einen guten Song gut ausmachen. Bei uns schreibt jeder in der Band und dadurch muss jeder von uns das Gefühl haben, alles gehört zu haben, es zu mögen, darauf stolz zu sein und zu wissen, in welche Richtung es geht. Und das alles über unser Band-Komitee laufen zu lassen (flüstert) dauert unglaublich lange (lacht).

Ist das dann nicht manchmal auch frustrierend, wenn der Entstehungsprozess so lange dauert?

Ja klar, aber ich glaube bei jedem, der Musik macht, gibt es Punkte, an denen man fast verzweifelt. Wir sind da als Band einfach ehrlich und geben das auch zu. Wenn man dann am Ende die Platte hört, merkt man überhaupt nicht wie hart der Entstehungsprozess war. Aber das ist wahrscheinlich gerade die Kunst, es am Ende so leicht und mühelos aussehen zu lassen. Uns hat es aber glaube ich auch ganz gut getan, dass es etwas länger gedauert hat. Wir haben gemerkt, dass wir jetzt auch langsam alle 30 und etwas erwachsener geworden sind. Das hört man der Platte glaube ich schon an, dass alles ein wenig reifer ist. Wir sind immer noch die gleiche Band, aber wir sind nicht mehr die Gleichen seit wir angefangen haben.

Aber verliert man nicht manchmal auch die Kreativität in so einem Prozess?

Klar, dass passiert. Aber gerade deshalb ist es ja so gut, dass Orlando schreibt und auch Hugo und ich schreiben. Wenn zwei von uns mal einen Durchhänger haben, gibt es immer einen der schreibt und inspiriert ist. Es ist ein schmaler Grad, aber es bedeutet auch, dass wir die Maschine immer am laufen halten.

Macht es das aber nicht auch komplizierter, wenn es so viel Ideen gibt und fünf so starke Meinungen?

(Schnauft) Oh man du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie kompliziert das manchmal ist.

Wie wählt ihr denn dann die Songs aus, wenn jeder schreibt? Ist das nicht schwer in so einem demokratischen Prozess, wenn jeder versucht an seiner Idee fest zu halten?

Oh ja, manchmal wird es dabei sehr persönlich. Du steckst so viel von Dir selbst rein und gibst viel Preis. Das fühlt sich dann manchmal so an, als würden sie dich als Person ablehnen, wenn sie einen Song nicht mögen. Dadurch bekommen wir anderseits auch wieder das Selbstvertrauen. Wenn es ein Song dann auf die Platte geschafft hat, gibt es keine Zweifel mehr von keinem von uns über die Qualität der Musik. Bevor es alle anderen hören, sind wir mit uns und dem, was wir gemacht haben total im Reinen. Dadurch erträgt man auch Kritik besser.

Wie sieht denn Euer Auswahlverfahren aus? Setzt ihr Euch alle zusammen und spielt Euch die Songs vor und votet.

Oh nein, wir sitzen nicht zusammen da und buhen uns aus und machen Daumen hoch oder runter (lacht laut). Ich schreibe was, dann höre ich mir das so ungefähr eine Woche lang immer wieder über Kopfhörer an und wenn es mir dann gefällt, schicke ich es den anderen aus der Band. Und dann bei einem von fünf oder zehn Liedern klickt es bei Orlando und er singt etwas dazu und dann fangen wir an daran rumzufeilen. Aber manchmal läuft es auch andersrum, dann hat Orlando eine Idee für Lyrics und schickt sie rum.

Wie schreibst Du am liebsten, mit der Gitarre oder am Klavier?

Dieses Mal hab ich im Vergleich zum letzten Mal wirklich viel am Piano geschrieben. Allerdings wusste von uns vorher keiner so richtig, wie man Klavier spielt, außer Orlando ein bisschen. Daher haben wir die simpelsten Akkorde genommen. Das war ein total interessanter Prozess, da Dein Hirn anders arbeitet, wenn es etwas nicht kennt. Der Entstehungsprozess ist anders, als wenn man das ganz routiniert auf der Gitarre spielt, es ist viel bedachter. Wir wollten der Platte eine andere musikalische Ästhetik geben und die Songs in ihrer simpelsten Form funktionieren lassen. Das letzte Album war sehr cinematisch und komplex. Das wollten wir auch genau so, aber man läuft Gefahr, dass man hinter der Komplexität auch vieles versteckt. Deshalb waren wir dieses Mal so bedacht darauf, dass die Platte echt und anfassbar klingt. Und das ist echt schwieriger als andersherum.

Hattet ihr auch irgendwann mal das Gefühl, ihr schafft es nicht, das Album fertig zu bekommen?

Ohhh ja ja ja, das hatten wir eigentlich jede Woche. Wenn wir mit unseren Freunden gesprochen haben, dann waren wir immer verzweifelt und haben gesagt, dieses Mal klappt es nicht – und die meinten dann, oh man, das habt ihr beim letzten Album auch gesagt und beim letzten. Es ist sehr lustig, wie sich Dein Gehirn nicht mehr daran erinnern kann, man denkt immer JETZT ist es das Ende der Welt.

Ihr könntet also niemals, wie Euer Namensvetter Jack White, so schnell Songs produzieren. Er hält ja den Guinness Buch Rekord für die schnellste Platte der Welt.

Puh ja, das ist wirklich unglaublich, wie er das macht. Das würden wir nie schaffen, weil unsere Band einfach ganz anders funktioniert. Und das beeindruckende ist, er ist so unglaublich talentiert, dass noch nicht mal die Qualität darunter leidet – im Gegenteil. Er ist einfach auf einem anderen Level als wir alle.

Euer Titel-Track „Marks To Prove It“ hört sich sehr nach Maccabees an, wie man sie gewohnt ist, der zweite Song „Kamakura“ ist aber direkt eine Überraschung. Ganz anders aber durch Eure Stimmen doch auch wieder sehr typisch.

Ja, das stimmt. Ich denke „Marks To Prove It“ ist der Song, der die Brück von unseren alten Alben zu der neuen Paltte schlägt. Er holt dich quasi rein und führt dich dann aber in eine etwas andere Maccabees Welt. Ich bin so stolz auf „Kamakura“. Das interessante für mich an der Platte ist, dass es sich vom ersten bis zum letzten Song fast wie zwei unterschiedliche Bands anhört aber es sind die gleichen Leute, die die gleichen Instrumente spielen. Das finde ich total cool.

Hattet ihr ein Konzept für die Platte, wie ihr angefangen habt?

Nein, wir hatten kein Konzept und das war Teil des Problems. Irgendwann sind wir aber dann an einen Punkt gekommmen, dass wir die Idee hatten, dass es um die Stadt London gehen soll, dass es um das Gefühl einer Stadt am Abend gehen soll und mit der ganzen Vielschichtigkeit, die das Leben in London hat und wie es ist Teil seiner Community zu sein. Es ist gerade eine eigenartige Zeit in London. Wir haben eine konservative Regierung. Viele Leute die arbeiten, können es sich kaum noch leisten in London zu leben. Es werden massenweise alte historische Gebäude abgerissen um Wohnungen zu bauen, in denen noch nicht mal jemand wohnt. Es sind wirklich beängstigende Zeiten. Es war uns daher wichtig etwas zu schreiben, was mit unserer Community zu tun hat, in der wir leben. Für mich ist es die politischste Zeit, an die ich mich erinnern kann, seit ich dort lebe.

Das ist hier Berlin auch ähnlich, Mieten werden immer teurer und es kommen immer mehr Investoren. Nicht so schlimm wie in London, aber die Tendenz ist auf jeden Fall da.

Oh wirklich? Das ist interessant, denn ich habe vor ein paar Jahren von einem Freund gehört, wie günstig es hier ist. Aber im Vergleich zu London ist es wahrscheinlich noch ok. London ist in der Beziehung einfach krank. Keiner meiner Freunde besitzt ein Haus, das kann sich einfach keiner leisten, außer du hast finanzielle Hilfe. Die Menschen ziehen in die Vororte und dort entsteht etwas Neues. Das ist wirklich traurig aber so funktioniert die Welt leider.

Kann man die fertige Platte überhaupt noch genießen und sich darüber freuen, wenn man so lange daran gearbeitet hat?

Wir genießen es die neue Platte live zu spielen. Die Songs fließen live auf so eine ganz natürliche Weise aus uns heraus, so als wären sie schon immer da gewesen. Es ist total erstaunlich, dass etwas was so mühsam war, sich so leicht anfühlen kann. Zudem geben die neuen Songs unseren alten einen Kontext. Das hatten wir früher so nicht, da sind wir von einem Sound zum nächsten gesprungen. Da war uns noch nicht ganz klar wie wir uns als Maccabees eigentlich genau anhören wollen. Da war noch viel Herumprobieren dabei.

Gibt es eine Person für Dich, der Du als erstes ein neues Album vorspielst, weil Dir die Meinung so unglaublich wichtig ist?

(Seufzt) Oh, das ist eine ganz schwierige Frage... Das ist jetzt eine wirklich toughe Antwort. Meine Mutter lebt nicht mehr, aber aber ich würde ihr liebend gerne meine Sachen vorspielen. Mein Bruder und ich denken ganz oft an unsere Mama, wenn wir Platten machen. Ist das nicht komisch, egal wie alt man wird, man möchte, dass die Eltern stolz auf einen sind. Obwohl mein Vater nicht so genau versteht was wir machen und was unsere Musik ausmacht, möchte ich immer unbedingt, dass er das mag, was ich mache.

Und mag er Eure neue Platte?

Ja, ich glaube er liebt sie (lächelt stolz).

Kommt er auch mal zu euren Konzerten?

Ja, er war schon ganz oft da. Jetzt verrate ich Dir noch was. Die Partnerin meines Vaters ist die Mutter unseres Bassisten. Sie haben sich kennengelernt, als sie vor zehn Jahren auf einem unserer Konzerte waren, damals als noch niemand uns so richtig sehen wollte. Sie waren fast die Einzigen bei dem Auftritt, zumindest die Einzigen, die schon etwas älter waren. Sie haben angefangen sich zu unterhalten und jetzt sind sie immer noch zusammen.

Was für eine schöne Geschichte. Das müsst ihr doch eigentlich mal einen Song darüber schreiben.

Oh nein, bloß nicht (lacht), das hat schon genug Chaos angerichtet.

Du hast schon erzählt, das Album dreht sich um die Gegend wo ihr herkommt und wo euer Studio ist, Elephant And Castle. Wie groß ist der Einfluss?

Wir haben auch einen Film zum Album gemacht – eine Art Dokumentation. Neben der Entstehung des Albums gibt es noch fünf oder sechs unterschiedliche Geschichten aus unserer Gegend Elephant And Castle. Zum Besipiel spielt der Schneider bei uns um die Ecke eine Rolle, der den Anzug für Charlie Chaplins Double gemacht hat, ein Basketball Team, jemand der hier die öffentlichen Plätze gärtnert und viele andere tolle Geschichten. Der Film ist wirklich toll geworden.

Zeigt ihr den Film dann auch im Kino?

Wissen wir noch nicht genau. Es ist ein unabhängiger Film, daher werden wir ihn wohl eher in Zusammenhang mit Auftritten in London zeigen. Wir sind so stolz darauf, wir zeigen da wirklich viel von uns, wie wir das Album machen.

Dann hoffe ich sehr, dass ihr den Film auch in Deutschland zeigt. Vielen Dank für die vielen spannenden und schönen Geschichten und viel Erfolg mit der neuen Platte!


yorke(57)

VÖ: 31.07.

Interview: Kate Rock