Es ist 4:20 Uhr am Morgen, als ich Erika nach ihrem ersten Solo-Gig in Deutschland zum Interview treffe. Hierzulande ist die britische Sängerin noch wenig bekannt, obwohl sie in der Vergangenheit bereits mit Künstlern wie Skunk Anansie oder MIKA auf Tour war. Nun ermöglichte ihr eine Crowdfunding-Kampagne, im April und Mai mit ihrer eigenen Band durch Europa zu touren. Trotz der späten Stunde sind wir beide noch voller Adrenalin vom Konzert. Wir plaudern über Erikas Tour, ihre EP sowie ihre japanische Wurzeln und wollen nun die Gelegenheit nutzen, Euch die sympathische Sängern näher vorzustellen. Damit sie bald wieder nach Deutschland kommt!
Du hast gerade im Rahmen der “Warrior” Tour dein erstes Konzert in Deutschland gespielt. Wie hat es dir gefallen?
Es war toll! Das war völlig unewartet. Ich habe mir eigentlich gedacht: “Ist diese Location nicht vielleicht zu groß?” Ich war mir nicht sicher, ob genug Leute kommen würden. Es war echt schön, so viele bekannte Gesichter zu sehen und es kamen noch viel mehr Leute und im Endeffekt hatten wir alle einen riesen Spaß. Wir haben sogar spontan noch ein weiteres Set gespielt und die Leute haben sowohl meine eigenen Songs als auch die Cover-Songs abgefeiert.
Die „Warrior Tour“ ist deine erste Solo-Tour durch Europa. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe durch meine Zeit als Background-Sängerin bei MIKA in ganz Europa viele Leute getroffen, die auch meine eigene Musik supporten. Es war für mich schon immer ein Traum gewesen, vor Ort aufzutreten. Letzten Sommer habe ich daher eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und diese hat es mir ermöglicht, auf Tour zu gehen. Ohne diese PledgeMusic-Kampagne hätte ich es das nicht machen können.
Es ist heutzutage sehr populär, über Crowdfunding wie zum Beispiel über Pledgemusic oder Kickstarter Geld zu sammeln, sowohl für Musiker aber auch für neue, interessante Geschäftsideen. Was hältst du von diesem Konzept?
Ich finde das gut. Für kleine Unternehemen und Künstler ist das eine tolle Möglichkeit, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Aber auch gestandene Musiker nutzen dieses Mittel gern. Ich denke da zum Beispiel an Amanda Palmer. Für Künstler, die ein eigenes Musiklabel gegründet haben und weiterhin gerne auf Tour gehen und Platten machen wollen, sind diese Seiten ein Segen. Darüber hinaus ist es eine schöne Art, sich mit den Leuten zu connecten, die deine Musik hören und unterstützen. Crowdfunding ermöglicht einen direkten Kontakt ohne Zwischenhändler. In der alten Welt gab es immer drei Player: das Publikum, das Recordlabel und den Künstler. Den Großteil der Einnahmen hat dann das Label verbucht. Heute gibt es eine direke Verbindung zwischen dem Musiker und seinem Publikum.Ich glaube, das einzige schwierige ist hierbei, das Publikum eigenständig zu erweitern. Dies ist natürlich leichter, wenn ein Label hinter dir steht.
Also kann man sagen, dass Crowdfunding-Kampagnen im Prinzip helfen, Projekte zu realisieren, die es sonst nicht geben würde, aber sie sind zudem auch gleichbedeutend mit harter Arbeit.
Absolut, ja. Mit sehr viel Arbeit. In den Wochen vor dieser Tour hatte ich wahnsinnig viel Stress: das Equipment besorgen, die Bandproben organisieren, sicherstellen, dass wir immer einen Kleinbus zur Verfügung haben, Merchandise nachbestellen, Styling und Staging planen, Booking der Locations und so weiter…
Wie würdest du denen, die sie noch nicht kennen, deine Musik beschreiben?
Ich würde meine Musik als “epischen Pop” bezeichen. Pop, weil meine Musik aus sehr poppigen Melodien und Texten besteht. Doch sie hat darüber hinaus auch einen theatralischen, machmal gar filmischen, Klang. Die Songs haben emotionale Tiefe und vermitteln ein Gefühl. Es ist nicht einfach nur Popmusik, die dich glücklich macht. Ich wünsche mir, dass meine Musik mehr auslöst. Denn Songwriting ist für mich immer auch gleichzusetzen mit einer gewissen Emotionalität.
Du hast deine EP nach einer japanischen Kriegerin „Onna Bugeisha“ genannt. Inwieweit beeinflussen dich deine japanischen Wurzeln?
Da ich nicht in Japan aufgewachsen bin, habe ich als Kind nicht viel J-Pop oder andere japanische Musik gehört, bis auf Kinderreime. Daher sind viele meiner japanischen Einflüsse eher aus den Bereichen Popkultur wie z.B. Fashion. Ich mag die japanischen Traditionen sehr gerne. Meine Mutter hat vor einiger Zeit in London eine Kimono-Ausstellung durchgeführt, in der Kimonos aus meiner Familie gezeigt wurden. Ich finde es fasziniered, wie sich diese wunderschön gefertigten Kleidungsstücke dank des guten Materials viele Jahrzehnte lang halten, dass in Japan Traditionen noch etwas zählen und die Leute darauf stolz sind. Dieses Gefühl versuche ich auch in meiner Musik zu transportieren.
Aber du hast nicht vor auf Japanisch zu singen?
Doch! Ich hab das in der Vergangenheit bereits gemacht. Vor vielen Jahren habe ich ein paar japanische Popsongs geschrieben. Die muss ich noch irgendwo haben…
Was möchtest du in diesem Jahr musikalisch noch erreichen?
Ich möchte gerne noch viele neue Songs schreiben und eine weitere EP aufnehmen. Sie wird dann hoffentlich Anfang nächsten Jahres rauskommen. Im Sommer spiele ich zudem eine paar Festivals in England…Ich habe also einiges zu tun. Ich denke, dass es wichtig ist immer weiter zu machen. Ich brauche das einfach. Songwriting hält mich davon ab, durchzudrehen!!
Wolltest du eigentlich immer schon Sängerin werden?
Ich wollte früher immer Ballettänzerin werden. Das habe ich schon von klein auf gemacht bis ich 21 oder 22 war. Mit 16 wollte ich dann plötzlich Jockey werden, keine Ahnung warum.
Weil du ein Pferde-Fan warst?
Ja, ich habe Pferde gerne gemocht, aber ich glaube ich hatte diesen Wunsch, weil einer meiner besten Freunde Jockey war … Ich war als Teenager sehr leicht zu beeindrucken. Alles, was neu und aufregend war – ich wollte es auch machen. Ich war ein unartiger Teenager und habe viel rebelliert. Aber mit 16 habe ich dann angefangen, Musik zu machen und mich für Darstellende Kunst zu interessieren…Ich habe sehr viel im Bereich Musical, Tanz und Gesang gemacht. Doch dann ging es plötzlich bergab mit mir: Ich habe Drogen genommen, bin nur rumgehangen und war ständig am Feiern. Doch mit 18 habe ich erkannt, dass ich so nicht weitermachen kann. Ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass ich etwas mache, was mich in irgendeiner Weise ausfüllt. Deshalb ging ich dann auf ein Musik.-College und und habe mit all dem aufgehört. Ich habe mich dort dann neu in die Musik verliebt und habe auch wieder angefangen zu schreiben. Als ich damals aufgehört hatte Songs zu schreiben, habe ich angefangen, Drogen zu nehmen. Und nach dieser hedonistischen Reise habe ich mich wieder der Musik gewidmet…Musik ist meine Therapie. Sie bewahrt mich vor dem Durchdrehen.
Du bist neben deiner Karriere als Solokünstler auch Mitglied einer Coverband, 29 Fingers. Was gefällt dir daran?
Es war echt ein Glücksfall, dass ich nach dem College in diese Band eingestiegen bin. Das hat mir geholfen, als Sängerin zu arbeiten und meine anderen musikalischen Projekte zu finanzieren. Das Spannendste am Cover singen ist, dass man Songs performt, die man nicht selbst geschrieben hat. Das ist eine große Herausforderung. Es fordert einen als Sänger und Künstler heraus und verlangt der Stimme die unterschiedlichsten Klangfarben ab. In England schauen viele Musiker auf Coverbands herab. Ich muss jedoch sagen, dass ich fast alles, was ich heute in der Musik kann, durch meine Zeit in Coverbands gelernt habe. Man lernt, zu entertainen. Doch gutes Entertainment kann nur passieren, wenn das Publikum mitgerissen wird, egal, ob man nun eigene Musik oder Coversongs spielt. Es geht nicht um die Band oder um das Publikum – es geht darum, gemeinsam eine Party zu feiern und eine sehr entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Gibt es einen Künstler, mit dem du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Ich würde gerne mal mit Madonna etwas machen…wahrscheinlich, weil ich mit ihr aufgewachsen bin. Ich fand ihre Musik schon immer toll. Also nicht diese sexy tanzbaren Sachen, die sie jetzt macht, aber ich würde gern einen Song im Retro-Stil mit ihr singen, einen Song im 80er Jahre Stil mit einer dunklen Grundstimmung. Das wäre echt sehr interessant und könnte ein lustiges Ergebnis haben (lacht). Eine andere mögliche Duettpartnerin wäre wohl Kate Bush. Und wenn ich einen Act wählen müsste, der aktuell angesagt ist, so würde meine Wahl auf Rudimental fallen. Die finde ich spitze.
Hast du denn einen Lieblingssong?
Mein Lieblingssong hängt immer von meiner aktuellen Stimmungslage ab. Es gibt so viele Songs, die mir gefallen. Es gibt jedoch eine Künstlerin, die auch eine sehr gute Freundin von mir ist, namens Amy Studt. Sie hat einen wunderschönen Song mit dem Titel „She Walks Beautiful“ geschrieben! Seitdem sie 14 ist arbeitet sie als Songwriterin. Und sie ist wahnsinnig talentiert. Ihr ganzes Album „Paper Made Man“ ist großartig und sie schreibt diese dunkle, coole Popmusik.
Ich werde da definitiv reinhören. Das klingt gut.
Ja, sei schreibt schöne Texte. Diese Art von Texten, wo du denkst „Ah, warum bin ich da nicht selbst draufgekommen?“. Sie sind auf den Punkt. Da gibt es zum Beispiel diesen Song über eine Beziehung. Er beschreibt, dass ihr Partner quasi zu einem Möbelstück geworden ist. Das ist echt ein super Bild! (lacht)
Zum Abschluss ein paar “Quickies”: Beschreibe dich selbst in 5 Worten.
Leidenschaftlich, glücklich, launisch, kreativ und ja, auch ruhig. Ich weiß, dass das komisch klingt, aber ich bin eigentlich eher eine ruhige Person. Die Bühne gibt mir die Möglichkeit, aus mir rauszugehen.
Wo siehst du dich in 5 Jahren?
Ich werde auf jeden Fall immer noch Songs schreiben und performen.
Ich bin am glücklichsten wenn…
…ich auf der Bühne stehe.
Ich bewundere…
…meine Mama. Sie ist eine tolle Frau.
Die beste Erfindung ist…
…das ist ein Witz in meiner Familie: geschnittenes Brot! (lacht)
Die Welt wäre ein trauriger Ort ohne…
…Glück (lacht)
Vielen Dank für das Interview, Erika!
Erikas Debüt EP „Onna-Bugeisha“ kann man hier in einer unschlagbar schönen Aufmachung käuflich erwerben.
Interview: Marion Weber