Interview mit Darwin Deez

Als ich Darwin Deez im Herbst 2010 das erste Mal zum Interview getroffen habe, steckte er gerade mitten in der Hochphase des Hypes um sich und sein Debütalbum. Sein großes Glück galt damals der Tatsache, dass er von seiner Musik leben konnte, der verhasste Dayjob im Restaurant war endlich Geschichte. Zweieinhalb Jahre später wirkt Darwin etwas ruhiger und nachdenklicher als damals – was aber auch daran liegen mag, dass er, wie so ziemlich jeder andere zu dem Zeitpunkt, erkältet ist. Trotzdem erzählt er mir im Interview recht freimütig von seinem zweiten Album „Songs For Imaginative People“, von ADS und erklärt mir, warum man aufpassen sollte, was man sich vom Universum wünscht.

Das letzte Mal habe ich Dich gefragt, ob Du schon Zeit hattest, neue Songs zu schreiben. Möchtest Du wissen, was Du geantwortet hast?

Ja, bitte.

„Zeit habe ich, aber nicht den Mut, das Selbstvertrauen und die Disziplin.“

Oh wow! Das ist lustig.

Inzwischen hast Du einige neue Songs geschrieben. Was ist passiert?

Die Wahrheit ist… (überlegt lang) Weißt Du, was ADS ist?

Ja.

Ich glaube, ich habe ADS. Man sagt ja, dass es eine Verbindung gibt zwischen Kreativität und ADS. Auf jeden Fall ist es bei mir so, dass ich 30 Minuten brauche, bis ich mich überhaupt konzentrieren kann. Ich kann mich nicht einfach so (schnippt mit den Fingern) konzentrieren. Auf Tour hat man manchmal 5, 15, 30 Minuten oder maximal eine Stunde Zeit, um irgendetwas zu machen. Und meistens weißt Du vorher nicht, welche dieser Zeitspannen du haben wirst. Es ist entmutigend, wenn man weiß, dass man unter Umständen in dem Moment, in dem man es geschafft hat sich zu konzentrieren, schon wieder etwas anderes machen muss. Also habe ich nach dem Touren dafür gesorgt, dass mein Zeitplan möglichst frei ist und ich mir den ganzen Tag nehmen kann um mich zu konzentrieren. Wenn ich dann mal so weit bin, kann ich über Stunden hinweg nichts anderes machen als Musik. Das ist die andere Seite von ADS, wenn man sich einmal konzentriert, kann man über Stunden oder Tage hinweg an einer Sache dran bleiben. So funktioniert mein Kopf. Ich konnte also versuchen, mich zu verbiegen, sodass er funktioniert wie bei anderen. Oder ich konnte mein Leben dem anpassen wie ich bin. Inzwischen muss ich keinen anderen Job als Musik mehr machen, also war das möglich. Mut und Selbstvertrauen braucht man natürlich trotzdem. Aber mit der Arbeit wächst auch das Selbstvertrauen.

Was hat sich für Dich sonst am Arbeitsprozess geändert? Die neuen Songs hören sich ja doch recht anders an als die alten.

Der größte Unterschied ist, dass ich diesmal die Texte zuerst geschrieben habe. Das habe ich noch nie gemacht und hätte auch nicht gedacht, dass ich es kann. Aber die Reaktionen der Leute auf die Texte auf meinem ersten Album haben mich sehr inspiriert. Viele haben mir gesagt, wie gerne sie meine Texte mögen. Dabei war das mein allererster Versuch überhaupt, Texte zu schreiben. Ich habe mich gefragt, wie weit kann ich damit gehen? Also habe mich zuerst darauf konzentriert, Poesie zu schreiben. Heute bin ich sehr stolz darauf.

Das ist interessant. Ich finde ja, dass sich das Album auch genauso anhört. Die Texte stehen sehr im Vordergrund.

Wirklich?

Ja. Auch die Art wie Du singst, wie Du sie interpretierst ist irgendwie anders. Es hört sich mehr wie eine Form des Geschichten Erzählens an.

Das ist toll. Ich war mir nicht sicher, ob man die Geschichten so versteht. Aber es freut mich, das zu hören.

Musikalisch hat sich aber auch einiges geändert. Die Songs sind weniger eingängig. Und ich habe da mit Erstaunen das eine oder andere Gitarrensolo gehört. Dieser Break zum Beispiel in „You Can’t Be My Girl“…

Das ist eine meiner Lieblingsstellen auf dem Album! Darum ging es mir. Eine große Inspiration für dieses Album waren Gitarrensoli, wie man sie  zum Beispiel aus dem Blues kennt. Beim ersten Album war ich mehr von Akkorden und Melodien inspiriert. Kann sein, dass das einige Leute irritiert. Aber vielleicht mache ich das beim nächsten Album wieder, Akkorde und Melodien (grinst).

Live ist es auch offensichtlich, dass Du an Deinem Gitarrenspiel gearbeitet hast.

Ich wusste früher einfach nicht, wie man ein vernünftiges Gitarrensolo spielt. Plötzlich wollte ich es unbedingt lernen, also habe ich mich hingesetzt und geübt. Das war mir ein richtig emotionales Anliegen.

Ich finde auch den Albumtitel ziemlich clever. „Songs For Imaginative People“. Klingt ganz schön anziehend, schließlich sind das doch die Leute, zu denen man gehören will.

Cool! Genau das war die Idee. Wie Du schon sagtest, diese Songs sind eigentlich Geschichten. Du brauchst Deine Vorstellungskraft, um sie richtig auf Dich wirken zu lassen.

Bei unserer letzten Begegnung hast Du mir auch erzählt, was Deine drei großen Wünsche für die Zukunft sind. Was würdest Du heute sagen? Danach verrate ich Dir, was Du letztes Mal gesagt hast.

Drei große Wünsche? Ah, das ist das beste Interview, das ich jemals hatte! Ok. Das habe ich bestimmt letztes Mal schon gesagt – bei den Grammys auftreten. Dann… ein Nummer eins Hit in den USA. Spirituelle Erleuchtung.

Du hast recht, die Award Show hatten wir damals auch schon. Dann wolltest Du unbedingt, dass Pitchfork Dich wahrnimmt.

Das beste Beispiel dafür, dass man aufpassen sollte, was man sich wünscht. Sie haben das neue Album rezensiert. Leider haben sie es verrissen. Sie hassen es (lacht). Ich habe es nicht gelesen. Werde ich wahrscheinlich auch nicht tun. Leute, die das runter machen, was ich im letzten Jahr mit all meinem Herzblut erschaffen habe, können meinetwegen Schwänze lutschen. Das größte Problem ist aber eigentlich, dass ich so neugierig bin. Ist manchmal gar nicht so leicht, mich davon abzuhalten. Vielleicht lese ich es in drei Jahren oder so.

Dein dritter Wunsch war, dass jemand ein Kind nach Dir benennt.

Oh ja? Das ist lustig. Das ist bestimmt so ein typischer Rockstar-Ego-Wunsch. Eigentlich möchte ich nur geliebt werden. Und von der richtigen Frau im Arm gehalten werden. Dabei war einer meiner größten Wünsche, die ich je ans Universum geschickt habe, mich einmal in die falsche Frau zu verlieben. Ich wollte einmal die Erfahrung machen wie es ist, wenn man richtig schlecht behandelt wird.

Und, hat er sich erfüllt?

Ich bin immer noch mittendrin. Was soll ich dazu sagen? Mein Wunsch hat sich erfüllt. Das ist cool.

Interview: Gabi Rudolph


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