Seit seinem Superhit „I Need A Dollar“ ist Aloe Blacc schwer angesagt. Dementsprechend eng ist sein Zeitplan an diesem Tag, ein Interview reiht sich an das andere. Dennoch erscheint er zu seinem ersten Termin (mit uns) gut gelaunt und entspannt – mit einer knappen Stunde Verspätung. Aloe Blacc lässt sich nicht gern hetzen, und er lässt sich nicht so leicht die Laune verderben. An seinem schwarzen Hut pinnt ein winziger Marienkäfer. Er lächelt freundlich und antwortet mit Bedacht. So entspannt kann Erfolg sein.
Du machst ja schon sehr lange Musik. Und plötzlich ist letztes Jahr alles sehr schnell gegangen, vor allem hier in Deutschland. Wie fühlt sich das an?
Es ist schön, dass so viele Menschen meinen Song kennen und dadurch auch meine anderen Songs kennenlernen. Ich glaube, ich baue mir in Deutschland gerade eine gute Fanbase auf. Aber ich komme schon seit 2002 nach Deutschland und hatte schon immer ein gutes Verhältnis zu meinen Fans hier. Ich habe eine Hip Hop Fanbase hier, da ich viele Jahre lang Underground Hip Hop gemacht habe. Die meisten meiner Europa Tourneen haben sich auf Deutschland konzentriert, meine Booking-Agentur saß in Berlin. Ich habe also ein gutes Verhältnis zu Deutschland.
Und macht dieser plötzliche Erfolg nicht auch ein wenig Angst?
Ach, das ist doch alles ganz normal (grinst). Wenn du Musik machst und Leute sie mögen erwartest du es irgendwann. Mein Job hat sich nicht geändert, ich schreibe immer noch Songs und performe sie auf der Bühne, veröffentliche sie auf CD. Neu ist, dass ich mehr Interviews geben muss, mehr Fernsehauftritte habe.
Mehr Fans…
Oh ja, mehr Fans.
Ausverkaufte Konzerte…
(überlegt kurz) Oh ja, das stimmt. (lächelt)
Was war das damals für ein Gefühl, als du „I Need A Dollar“ aufgenommen hast? Kann man so etwas im Vorfeld ahnen, dass man gerade dabei ist, einen richtig großen Hit zu kreieren?
Ich hatte nicht das Gefühl, dass es ein großer Hit werden würde, überall auf der Welt. Ich dachte einfach, dass es ein hübscher Song ist. Ich dachte wenn dann eher, dass „Mama Hold My Hand“ oder „Loving You Is Killing Me“ die großen Hits werden. Aber jetzt wenn ich im Nachhinein drüber nachdenke, denke ich, dass es „I Need A Dollar“ die Elemente eines erfolgreichen Songs hat. Es ist doch sehr eingängig, ein eher einfacher Song.
Du hast ja schon diverse Stilrichtungen ausprobiert. Warum hast Du Dich entschieden, mit „Good Things“ ein striktes, altmodisches Soul-Album aufzunehmen?
Ich habe auf meinem Album „Shine Through“ so ziemlich jeden Stil ausprobiert, der jemals aufgenommen wurde. Diesmal habe ich mich für Soul entschieden, da es die beste Möglichkeit ist, meine Stimme zu nutzen. Ich habe andere Gesangsstile ausprobiert, und denke, dass Soulmusik für mich am besten funktioniert. Soulmusik ist entspannt und ruhig, und außerdem suggeriert sie eine gewisse Reife, und ich wollte Musik für Erwachsene machen –die sich aber Kinder trotzdem anhören können. Als ich ein Kind war, habe ich die Musik gehört, die meine Eltern gehört haben, Stevie Wonder und Marvin Gaye. Wenn du reife Musik machst, ist sie für jeden zugänglich.
Unsere Kinder waren sehr aufgeregt, weil wir dich heute treffen. Sie haben dich im Kinderkanal in den Nachrichten gesehen.
Das ist toll. Siehst du, ich wusste es, Kinder sind klüger als wir denken. Wir müssen ihnen keine Kindermusik verkaufen. Wir sollten ihnen Musik geben. Sie können das verstehen. Je früher man jemandem ihnen beibringt, egal welche Begabung sie haben, desto besser. Irgendwann werden sie es begreifen. Wahrscheinlich früher als wir denken.
In den achtziger Jahren, in denen ich aufgewachsen bin, war alles sehr zukunftsorientiert. Die Musik, die Mode, alles wollte neu sein, anders als früher. Seit ein paar Jahren ist ein immer stärker werdender Retro-Trend zu erkennen. Warum denkst du ändert sich das?
Weißt du, ich habe das Gefühl es ist eine Sache der Balance. Dance-Music und Electro wird heute so stark gepusht, dass es automatisch eine Hörerschaft gibt, die sich Musik wünscht, die organisch, authentisch klingt. Echte, rohe Stimmen, ohne Auto-Tune und Vocoder, und echte Instrumente ohne Synthesizer und programmierte Beats. Das sind die Songs, die uns besänftigen. Die Art von Musik, die man hören möchte wenn man etwas wilder und verwegener sein und Party machen möchte, wäre dann etwas aggressiver. Aber ich denke, es muss eine Balance geben. Und ich habe das Gefühl, deshalb wird diese Form von Musik wieder populärer, damit sie eine Balance schaffen kann gegenüber dem, was in der sehr populären Mainstream-Musik passiert, die sehr synthetisch ist.
Gibt es irgendeine Periode der vergangenen Jahre, musikalisch und stilistisch, auf die du persönlich verzichten könntest?
Oh ja… ja, da gibt es natürlich Sachen. Es gibt eine Menge Sachen, die wirklich schlecht sind. (Er überlegt lange) Ich weiß es nicht. Es wird mir wieder einfallen. Ich glaube, ich blende schlechte Dinge aus. Ich kann mich immer nur an die guten erinnern (lacht).
Du hast vorhin schon erzählt, welche Musik deine Eltern gehört haben, als du ein Kind warst. Was sind deine frühsten Erinnerungen, die mit Musik zu tun haben?
Es gibt eine Sache, an die ich mich gut erinnere. Meine Mutter wollte, dass meine Schwester und ich im jährlichen Theaterstück unserer Gemeinde mitspielten. Der Regisseur dieser Aufführung nahm irgendeine Geschichte, zum Beispiel Alice im Wunderland, machte sie etwas moderner, und an irgendeiner Stelle im Stück musste ich auftreten und wie Michael Jackson tanzen. Egal welche Geschichte es war, irgendwie hat er immer einen Weg gefunden, mich tanzen zu lassen. Mein Vater kaufte mir damals Michael Jacksons „Bad“ Album. Er war sich aber nicht sicher, welches „Bad“ Album er besorgen sollte, also brachte er Michael Jacksons „Bad“ und LL Cool J’s „Bad“ mit. Also hatte ich diese beiden Alben, als ich klein war, und ich habe ständig LL Cool J gehört. Das hat mich erstmals inspiriert, Reime zu schreiben. Ich lernte seinen Stil und habe angefangen in seinem Stil zu schreiben. Dann hat mein Vater auch Ukulele gespielt und Calypso-Songs gesungen. Das ist eigentlich eine der frühesten Erinnerungen, die ich an Musik habe. Familien-Partys mit großen Stereoanlagen und Salsa-Musik, Sachen aus Panama… das waren meine frühesten Einflüsse.
Als du selbst angefangen hast Musik zu machen, hast du also mit Hip Hop angefangen.
Ja, ich habe als MC angefangen. Ich habe jahrelang Reime geschrieben und irgendwann traf ich DJ Exile und hatte einen Ort für meine Texte gefunden, denn er machte Beats, also habe ich auf seine Beats gereimt. Zur selben Zeit als ich angefangen habe Reime zu schreiben habe ich auch angefangen Trompete zu spielen, als ich neun war, glaube ich, bis ich zur Highschool gegangen bin und DJ Exile getroffen habe. Als ich angefangen habe Rap-Musik aufzunehmen, habe ich damit aufgehört.
Und wie hast du deine Stimme als Sänger entdeckt?
Das hat etwas länger gedauert. Ich habe mich sehr für die Musik interessiert, die wir gesamplet haben und habe Platten gesammelt. Ich hatte Platten aus allen möglichen Genres, Jazz, Classical Rock, Soul, brasilianischer Bossa Nova. Also habe ich angefangen andere Sachen zu hören und wollte solche Songs selber machen. Also musste ich selbst singen. Eine Zeitlang wollte ich Folk-Musik machen. Folk Platten zu hören hat mich sehr beeinflusst. Das US Label Stones Throw Records hat ein paar Songs gehört, die ich gesungen habe und wollte mich als Sänger unter Vertrag nehmen.
Ich habe gehört, dass du neben deiner Solokarriere auch an anderen Projekten arbeitest.
Ich arbeite an einem weiteren Hip Hop Album mit DJ Exile, unter unserem Namen Emanon. Es wird „Bird’s Eye View“ heißen, aber ich weiß noch nicht, wann wir es veröffentlichen werden und wie, ob Independent oder auf einem Label. Und ich habe gerade ein Album mit Maya Jupiter fertig gestellt, ich habe ihr Album coproduziert. Das sind die zwei größten Projekte, aber ich arbeite noch an weiteren.
Zuletzt würde ich gerne zwei Dinge von dir wissen. Zuerst: Was macht dich richtig glücklich?
Oh ich bin generell sehr glücklich. Es gibt nicht viel, das mich herunterzieht oder traurig macht. Aber was mich richtig glücklich macht ist einem Kind beim Lernen zuzusehen. Das genieße ich. Als ich in den USA getourt habe, habe ich in einem Geschenkladen für meine Nichte und meinen Neffen diese kleinen Magnete gekauft, die wie Steine aussehen. Ich habe sie ihnen mitgebracht und wir haben kleine Spiele gespielt mit der Physik des Magnetismus. Die beiden sind fünf und drei Jahre alt, aber ich konnte die Faszination in ihren Augen sehen, wie sie versuchen herauszufinden, wie Magnete funktionieren. Das ist die ultimative Freude.
Und was macht dir Angst?
Was mich erschreckt… es gibt leider viele Dinge. Freiheit. Dass es Menschen gibt, die nicht die Freiheit haben, die ihnen zusteht, wie in Libyen oder im Iran. Das empfinde ich als Folter. Also würde ich sagen Folter an sich. Keine Freiheit zu haben ist Folter, geistig und körperlich. Das wäre meine Antwort, denke ich.
Vielen Dank!
Ich habe zu danken. Hat mich gefreut euch kennenzulernen.
Interview: Gabi Rudolph & Michaela Marmulla
Das Interview mit Aloe Blacc sowie viele weitere Themen findet ihr auch hier in unserer April/Mai E-Paper Ausgabe.