Adam Green ist unglaublich produktiv. Er hat ein Album aufgenommen und einen Film gedreht, für den er nebenbei sämtliche Kulissen selbst entworfen und mit gebaut hat. Er ist schon lange und ausgiebig im Geschäft und redet über seine Arbeit mit der Begeisterung eines Jungen, der gestern erst damit angefangen hat. Und: er ist ein wahnsinnig netter Typ. Bei unserer Begegnung haben wir über seine Zeit mit den damals von mir hoch verehrten Moldy Peaches gesprochen und natürlich über seine moderne Interpretation von „Aladdin“, die wir ab kommendem Freitag auf Platte und im Kino erleben dürfen.
Das erste Mal, dass ich dich live gesehen habe war mit den Moldy Peaches, als ihr in Berlin gespielt habt. Das ist schon ganz schön lange her.
2001 war das. Ich war 19 Jahre alt. Die Leute müssen damals gedacht haben wo zum Teufel sind seine Eltern (lacht).
Wo waren deine Eltern?
Wahrscheinlich Zuhause und haben sich gefragt wo zum Teufel steckt er. Ich erinnere mich, dass ich ihnen noch nicht einmal erzählt habe, dass ich auf Tour gehe.
Ich erinnere mich daran, dass es im Hochsommer war. Es war wahnsinnig heiß und eine ewig lange Schlange vor der Tür. Viele Leute mussten wieder nach Hause gehen.
Das ist so cool. Ich freue mich dass du da warst. Ich habe neulich noch Fotos von der Show gesehen. Damals hätte ich mir nie vorstellen können, wieviele Shows in Deutschland ich in meinem Leben noch spielen werde. „Friends Of Mine“ und „Gemstones“, die beiden Platten waren in Deutschland unglaublich erfolgreich. Total verrückt. Damals, zu der Zeit von der Show von der wir sprechen, war das alles noch überhaupt nicht abzusehen. Wir sind durch Europa gereist – und es war damals ein völlig anderes Europa! Es gab den Euro noch nicht, jedes Land hatte seine eigene Währung und es waren noch nicht überall die gleichen amerikanischen Läden, die inzwischen alles übernommen haben. Alles war überall anders. Heute geht man überall in die gleichen Läden, nur in anderen Ländern.
Das ist jetzt über 15 Jahre her. Unglaublich, was du seitdem alles gemacht hast.
Es stimmt, ich habe wirklich viel gemacht. „Aladdin“ ist mein neuntes Soloalbum. Und ich habe Filme gedreht.
„Aladdin“ ist dein zweiter Langspielfilm, richtig?
Ja, ich habe bereits einen Film gemacht, „The Wrong Ferrari“. Wir haben ihn komplett mit dem iPhone gedreht.
Ich habe gelesen es gab dazu kein richtiges Drehbuch sondern die Darsteller haben ihre Texte auf Karteikarten bekommen.
Diese Methode benutze ich tatsächlich immer noch. Ich mache mein Telefon aus, lege es in eine Schublade und schreibe, zwei Stunden oder so. Es gibt keine Regeln, ich schreibe auf wozu immer ich Lust habe. Am nächsten Tag gucke ich mir an was ich geschrieben habe und picke mir meine Lieblingszeilen raus. Die schreibe ich auf Zettel oder Karteikarten, bis ich einen ganzen Stapel davon habe. Dann breite ich alles auf dem Boden aus, sehe es mir an und überlege, was haben diese Zeilen gemeinsam. Ich bringe sie in unterschiedliche Reihenfolgen. Bei „Aladdin“ habe ich die Songs und das Drehbuch zur gleichen Zeit geschrieben. Überall in meinem Apartment lagen Zettel mit Textzeilen und ich musste erst einmal herausfinden, was wohin und zu wem gehört. Das sind Zeilen die der Sultan spricht, die gehören Aladin. Das passt eher in einen Song. Der visuelle Aspekt an dieser Methode hilft mir. Ich lebe mit all diesen Zeilen um mich herum. Manchmal picke ich mir zufällig eine raus und in dem Moment macht sie Sinn. Wenn ich so nicht arbeiten würde, würde ich sie vielleicht nie benutzen. Mein Telefon ist auch ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses. Ich liebe es, mir Sachen in Notizprogrammen zu notieren. Ich mag es, wie es dabei in meiner Hand leuchtet, ich stelle es mir wie ein erleuchtetes Manuskript vor. Tablet ist so ein schöner Name dafür. Das hat fast etwas biblisches. Du schreibst mit schwarzen Flammen auf einen weißen Hintergrund (lacht).
Das gefällt mir, dass du beim Schreiben sowohl die klassische, haptische Seite schätzt als auch die moderne Technologie.
Seitdem ich ein Smartphone besitze fühle ich mich, als würde ich in einem Videospiel leben. Die Idee ist ein wichtiger Bestandteil meiner Kunst. In der visuellen Welt besteht ja alles aus Pixeln, kleinen Quadraten und ich spiele gerne mit der Idee was passieren würde, wenn diese Quadrate ein Eigenleben hätten. Ich lasse sie etwas Fleischliches werden. Ich glaube die größte Schwierigkeit im heutigen Leben ist, dass man sich zum Teil mechanisch und zum anderen menschlich fühlt. Das ist ein Thema, das sich durch vieles hindurchzieht, das ich mache. In „Aladdin“ ist die Lampe ein 3D Drucker, der eine analoge Version es Internets ausdruckt. Und es gibt nicht genug Platz auf dem Planeten für all den Müll den er ausdruckt, denn was einmal gedruckt ist verschwindet nicht, es kommt immer Neues dazu (lacht). Ich finde das wahnsinnig komisch. Unsere Vision vom menschlichen Leben ist, dass wir uns immer mehr im Kosmos ausbreiten. Aber das können wir nicht unendlich tun. Unsere Sehnsüchte sind voll von unserem eigenen Ego und für so viel Ego ist nicht genug Platz auf diesem Planeten. In meinem Film geht es darum zu versuchen für ein paar Sekunden einfach mal durchschnittlich zu sein. Vielleicht ist das die beste Position, die man heutzutage einnehmen kann. „The Average Adam“ (lacht).
Die Sets für den Film sehen unglaublich aus. Hast du das alles selber gemacht?
Ich hatte natürlich Hilfe dabei. Als ich angefangen habe wusste ich aber nicht, wieviel Hilfe es tatsächlich sein würde. Zuerst waren es ich und noch eine andere Person, die Pappmache Kulissen angefertigt haben. Ein paar Tage später waren wir schon zu dritt. Dann haben wir im Internet ein paar Anzeigen geschaltet. Von dem Geld das ich über Kickstarter gesammelt habe, habe ich eine Lagerhalle in Brooklyn gemietet. Da waren wir dann zu fünft. Wir hatten eine Liste von 500 Kulissen, die wir bauen wollten und 30 Räume, die wir ausstatten wollten. Das Papier dafür hatten wir aus Telefonbüchern, die bei den Leuten vor der Haustür lagen. Genauer gesagt aus den Gelben Seiten. Ich bin rum gelaufen und habe sie eingesammelt. Wir haben mit zwei Schichten gearbeitet. Die erste aus Zeitungspapier und die zweite aus den gelben Seiten. Damit wir sehen konnten bei welcher Schicht wir sind (lacht). Zwei Schichten sind nicht so ideal, wenn ich etwas baue das länger halten soll nehme ich drei bis vier Schichten. Aber aus Zeitgründen ging es nicht anders. Wir haben insgesamt vier Monate daran gearbeitet.
Und eine beeindruckende Besetzung hast du um dich versammelt.
Oh ja. Natasha Lyonne (aus „Orange is the new black“ Anm.) spielt mit, Macaulay Culkin spielt „Ralph The Rebel Leader“, der versucht den Sultan zu stürzen. Nicole LaLiberte spielt Miss President, der Boss von Aladins Plattenlabel. Aladin ist in meinem Film ein Indie Rockstar.
Ich habe ein Making Of Video gesehen. Es ist auffällig dass alle Beteiligten eine sehr hohe Meinung von dir und deiner künstlerischen Vision haben. Und gleichzeitig wirkt ihr wie eine Gruppe Freunde, die mal schnell zusammen einen Film machen.
Danke. Ja, ich sehe es auch als ein Gemeinschaftsprojekt. Niemand der an dem Film beteiligt war hat für seine Arbeit wirklich Geld bekommen. Es war so eine verrückte Sache, die einen Sommer lang passiert ist. Wie ein Cartoon mitten im realen Leben, in einer Lagerhalle in Brooklyn, die fernab vom Schuss lag. Wenn man einmal da war, war man da. Es gab innerhalb 30 Minuten Fußweg keine Bahn in der Nähe. Da saßen wir uns haben einen Cartoon nachgespielt. Ich bin sehr stolz darauf, wer alles daran mitgewirkt hat. Das waren ein paar der besten Leute die man kriegen kann, wenn man einen Film machen will. Der Flaschengeist zum Beispiel, das ist Francesco Clemente. Ich wusste von Anfang an, dass ich eine Legende für diese Rolle haben wollte – aber wie kommt man an eine ran? ich kannte Francesco Clemente nicht. Ich saß mit meiner Frau, die den Film produziert hat, im Flugzeug und wir haben darüber geredet, wer in unseren Augen wie ein Flaschengeist aussieht. Das Ergebnis war Francesco Clemente. Es stellte sich heraus dass Alia Shawkat, die Emily, Aladins Schwester, spielt, ihn ein wenig kannte. Sie hat mich in sein Studio geschickt, also bin ich da hin und habe ihn überredet, mein Flaschengeist zu sein (lacht). Ich war ein bisschen eingeschüchtert, ich bin nämlich großer Fan seiner Bilder. Was ich übers Malen weiß habe ich davon gelernt, dass ich mir als Kind seine Bilder angesehen habe. Dass er bereit war mitzumachen, das war so cool. Und es war eine Freude mit ihm zu arbeiten. Er war immer pünktlich da, kannte seinen Text, er wollte unbedingt diesen Film machen. Bei manchen hatte ich jeden Tag Sorge, ob sie überhaupt kommen (lacht). Er hat sich seine Drehtage in seinen Kalender geschrieben und war jeden von ihnen pünktlich am Set. Es war großartig.
Dein Cast besteht aber nicht nur aus Schauspielern, es sind auch einige Musiker dabei.
Ja, Devendra Bannart zum Beispiel. Er ist ein richtig enger Freund von mir, mit ihm habe ich das Gefühl kann ich alles machen. Andrew VanWyngarden von MGMT ist dabei, außerdem Zoe Kravitz. Ich glaube ich wollte einen verrückten, interdisziplinären Sommer machen, in dem alle sich in verschiedenen Künsten ausprobieren können. Musik, Kunst, Film, Schauspiel. Schauspiel finde ich verdammt hart. Es fällt mir extrem schwer.
Das wollte ich dich auch fragen. Wie war das für dich?
Eigentlich wollte ich gar nicht Aladin sein. Ich habe viele Leute gefragt. Viele, viele Leute. Ich werde nicht ihre Namen nennen um sie nicht in eine peinliche Situation zu bringen (lacht). Aber viele berühmte Leute haben nein gesagt, als ich sie gefragt habe, ob sie Aladin spielen wollen. Alle haben zu mir gesagt: Junge, es ist dein Film, also sei du doch einfach Aladin (lacht). Wahrscheinlich war ich wirklich der beste Kandidat. Aber es ist mir sehr schwer gefallen. Ich hatte ja auch noch so viele andere Dinge im Kopf. Ich musste gucken, dass das Set ok ist und dann noch so tun als wäre ich Aladin. Manchmal wusste ich überhaupt nicht mehr wo und wer ich bin. Aber mit der Zeit habe ich mich dran gewöhnt. Schlecht war es natürlich nicht, die Figur ist ja doch recht autobiografisch. Aber wenn ich nochmal einen Film mache werde ich nicht mehr mitspielen. Es ist einfach zu viel (lacht).
Interview: Gabi Rudolph