Wie kann man das Highfield Festival 2012 zusammenfassen? Richtig: Es war heiß! Wochenlang nur 12°C und Dauerregen und dann das: Drei Tage pralle Sonne und kein Wölkchen am Himmel.
Leider hatte das Highfield, das zum nunmehr dritten Mal am neuen Standort am Störmthaler See im Leipziger Neuseenland stattfand, nach wie vor mit einigen organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Campingsituation schien immer noch nicht wirklich ausgereift zu sein. In diesem Jahr umschloss der Zeltplatz quasi das Festivalgelände und es gab keinen separaten Zugang für Tagesgäste, so dass diese über den Zeltplatz mussten. Ein Green-Camp war wieder vorhanden, allerdings beschränkten sich die Duschen laut Plan auf eine Station für alle.
Allgemein konnte man den Anschein bekommen, dass das Festival wieder kleiner wurde. Laut Pressemitteilung von FKP Scorpio sollen 20.000 Menschen da gewesen sein. Es fühlte sich aber an wie wesentlich weniger. Das Gelände war generell auch stark verkleinert und die White Stage bzw. das White Tent entfernt, so dass sich alles nur noch auf zwei Bühnen abspielte. Leider waren die kleinere Blue und die größere (wer hätte es gedacht?) Green Stage so ungünstig wie schon im Vorjahr ausgerichtet, dass sich der Ton bei parallel spielenden Bands in erheblichen Maße überschnitt.
Freitag, 17. August
Timid Tiger eröffneten mit sommerlicher Frische das diesjährige Highfield Festival. Die Jungs von Adolar freuten sich übrigens sehr, hier zu sein, waren sie doch im letzten Jahr noch mit dem Rad zum Highfield gefahren. The Maccabees erfrischten uns dann etwas mit ihrem fast klassischen britischen Indie-Rock-Sound, während wir vor uns hin schmolzen. Und ja, das lag am Wetter. Vierkanttretlager haben ihrer Bühnendeko zufolge den weiten Weg aus Husum mit dem Dreimaster angetreten. Die scheinbar überall präsenten und sehr erfolgreichen Kraftklub aus Chemnitz genossen beim Highfield offenbar auch einen kleinen Heimvorteil: sie zogen die Menschen massenweise vor die Bühne.
Mich hingegen zog es in der Halbzeit zur anderen Bühne, zu The Shins, womit ich trotz der größeren Bühne irgendwie zur Minderheit gehörte. Dennoch durften wir einen geradezu malerischer Sonnenuntergang am See genießen. Und das bei dieser Band. Was kann schöner sein? Leider kämpften The Shins gegen ein schwaches oder geschwächtes Publikum an. Schade!
Dem Drummer von The Wombats flog hingegen vor lauter Begeisterung die Mütze weg, schließlich kamen sie in den Genuss eines größeren Publikums. Bonaparte zeigte uns dann noch, was man alles zu einem vernünftigen Zoo braucht: Unter anderem Roboter, Schlangenfrauen, Clowns und vor allem nackte Tatsachen. Dabei darf man aber eins nicht vergessen: Eine gehörige Portion musikalischer Experimentierfreude. Und das haben sie. Demgegenüber beglückten uns Bullet for my Valentine mit eher klassischen Gitarrensounds. Und wie sie das taten! Das Kontrastprogramm folgte sodann: Ach diese Bayern, ein interessantes Völkchen. Und ich muss sagen: LaBrassBanda fetzen mit ihrer selbsternannten Techno-Volksmusik! Es machte auch nichts, dass man eigentlich kein Wort der Jungs verstand. Aber etwas verstand die Menge: Die Anweisung, der Band in einer Polonäse zur Green Stage zu folgen, wo die Sportfreunde Stiller auftreten sollten. Mit ein paar Metern Abstand schien das Unterfangen ganz gut geklappt zu haben. Der Rückweg und der restliche Auftritt ebenso. Glück für die Sportfreunde Stiller, die zum Abschluss des Tages nochmal auftrumpften: Mit dreistöckiger Bühne, beeindruckender Lichtshow und einem halben Orchester.
Samstag 18. August
Die ersten Bands des Tages hatten es angesichts der brütenden Hitze recht schwer, aber sie schlugen sich ziemlich wacker! Und die Herren von Good Riddance brachten es auf den Punkt: „It’s fucking hot“. Die Kollegen von Darkest Hour waren derweil voller Liebe, Freude, Glück, Freiheit, und ganz wichtig natürlich: Headbanging! Bis zu den H-Blockx hatten wir uns dann aber wieder ausgeruht. Wie der Sänger Henning Wehland sehr anschaulich feststellte, wurde das Highfield einmal in die Luft gesprengt und landete irgendwo anders wieder. Und wir machten das Beste daraus! Da hatte er Recht, der Mann! Denn genau so fühlte es sich in diesem Jahr an. Die Gäste schwanden, aber die Bands spielten sich die Seele aus dem Leib.
Während sich im Anschluss Bosse bühnenübergreifend drehte und drehte und drehte, als hätten wir angenehme Temperaturen für derartige Aktionen, forderte er zu allem Überfluss auch noch: „Hände bis zum Dixiklo!“. Parallel coverten sich derweil auf gepflegte Punkrockart Me First & The Gimme Gimmes durch die letzten 100 Jahre Musikgeschichte, unter anderem mit den Evergreens „Summertime“ (wie passend) von George Gershwin und Dolly Partons „Jolene“. Jupiter Jones‚ „Festival-Interaktion oder was?“ mit einer Wall of Ass endete dagegen in einer Waldorfschule, jeder durfte, wie er wollte. Und auch wenn ich es nach mehreren, geradezu unzähligen gescheiterten Versuchen in den letzten Jahren nun zum ersten Mal geschafft habe, diese Band live zu sehen, haben sie mich irgendwie nicht vom Hocker reißen können. Sorry, Jungs! Aber wie schon Journey sagte: „Don’t Stop Believing“. Denn die Broilers hatten Recht, wenn sie verkündeten, dass es nach einem verdammt guten Abend stank. Aber wer so sehr optisch wie musikalisch den Rock’n’Roll lebt und auferstehen lässt, hat sowieso immer Recht.
Kettcar freuten sich ganz außerordentlich über die Jugend in der ersten Reihe. Uns wesentlich Älteren ging bei ihrem Auftritt aber auch das ursprünglich norddeutsche Herz auf. „Und das nach dem ganzen Geballer heute“, wie Marcus Wiebusch verkündete. Aufgrund des anstehenden zeitgleichen Geballers von Social Distortion auf der Green Stage und der bekannten „Tonmatschproblematik“ wurden die langsameren und romantischeren Stücke vorgezogen. Zu „Balu“ konnte Wiebusch auch einen etwas dominanteren Ton anschlagen: „Wenn ich hier noch einen mit Feuerzeug sehe … “ Und wie weit die Altersspanne wirklich reichte, konnten wir anschließend bei den besagten Social Distortion bewundern, die 2005 schon einmal auf dem Highfield gespielt haben. Man bekam den Eindruck, dort oben stünde ein, zugegebenermaßen stilvoll gekleideter, Rentner. Wirklicher Rock’n’Roll geht eben an kaum jemandem spurlos vorbei. Nichtsdestotrotz ist Mike Ness an der Gitarre fit wie eh und je und „Don’t drag me down“ ist Programm. Als kleine Schmankerl gab es in der Zugabe dann sogar noch Johnny Cash. Ganz schön coverlastig, dieser Tag.
Da wir Kontraste mögen, tanzten wir gleich danach weiter zusammen mit den jungen und elektronischen Tanzbären von Frittenbude, mindestens für 1000 Jahre. Davon abgesehen wissen sie aber auch, dass die Zeit viel zu schnell verstreicht. Und sie wissen noch viel mehr: Da Liebe ja das Wichtigste ist, gibt es hier eine Wall of Love. Schön! Auf der anderen Bühne fingen derweil die Beatsteaks an: Ganz viel Twist and Shout auch dort. Und vor allem Staubwirbel über der Menge. Wir schnürten die Tanzschuhe zum Abschluss des Tages nochmal fest zu.
Sonntag 19. August
Am Sonntag konnten die Kilians unter Beweis stellen, dass auch sie zu einem schönen hymnenartigen Gitarrensound fähig sind. In diesem Sinne: „Yeah, yeah, fuck yeah!“ Die heißen Temperaturen gingen an The Subways nicht spurlos vorbei: „It’s too hot for T-Shirts!“, verkündete Billy Lunn in seiner gewohnt charmanten Art, verbunden mit der Aufforderung, dass sich doch bitte alle ausziehen sollten. Ob wir dem nachgingen, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nachdem sie ihre Nächstenliebe zuvor schon mit einer Unplugged-Vorstellung im Lotsen-Camp samt anschließender Müll-Sammel-Aktion unter Beweis stellten, knüpften sie nun nahtlos daran und verteilen quasi kistenweise das Wasser in der Menge.
Anschließend verfolgten wir von einem schattigen Plätzchen aus den Auftritt von Casper. Fazit: Ein großartiger Auftritt – Hype berechtigt!
Was soll man zu den Eagles of Death Metal sagen? Jesse-“Mr. Pornobalken“-Hughes war sich seiner Sache zumindest sehr sicher, was die Partnersuche angeht: „I want you to be my Muschikatze!“ Dieser Schwerenöter! Aber diesen Job würde ich dann doch eher seinem alten Kumpel Josh Homme überlassen, der aber leider nicht anwesend war. Macht aber nichts, vielleicht wird er dafür bei den wiederauferstandenen Jungs von Refused fündig. Die saehen von Weitem zumindest doch noch ganz knackig aus. Sie spielten auch noch ganz knackig und das Publikum ging ordentlich ab.
Die Bluesrock-Götter The Black Keys hatten auf der Green Stage derweil leider mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Immer wieder setzte der Ton kurz aus, zwischenzeitlich sogar ein halbes Lied lang. Die Band schien davon nichts mitzubekommen. Es war schon etwas tragisch. Irgendwann schien das Problem soweit behoben zu sein und dem ungehemmten Rock’n’Roll-Genuss stand nichts mehr im Wege. Spätestens beim abschließenden „Lonely Boy“ war das Publikum auch wieder besänftigt. Trotzdem bedauerlich, dass ausgerechnet bei so einer Knallerband die Technik versagt.
Mit The Gaslight Anthem stand eine weitere Knallerband auf dem Programm. Problematisch wurde es allerdings, als parallel Placebo auf der Green Stage begannen. Für einen ungestörten Genuss der jeweils gewählten Band hätte man nicht im Bereich zwischen den Bühnen stehen dürfen, sondern an den Außenseiten. Im Publikum wurden auch schon Stimmen laut: „Kann mal einer die Green Stage ausmachen?“ Wir blieben eisern bei The Gaslight Anthem, die „Affäre“ mit Placebo ist schließlich schon fast ein Jahrzehnt her. Nichtsdestotrotz war es eine Quälerei, zeitgleich Lieblingslieder wie „Blue Jeans“ (Gaslight Anthem) und „I Know“ (Placebo) hören zu müssen. Natürlich haben wir uns anschließend noch ganz ohne Nebengeräusche den restlichen Auftritt von Placebo zu Gemüte geführt. Brian Molko schien sich erholt zu haben, musste er doch seinen Auftritt beim parallel stattfindenden Frequency am Donnerstag noch aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Mit der Technik der Green Stage war hingegen nach wie vor nicht zu spaßen. Doch Molko blieb ganz cool und die Aussetzer hielten sich in Grenzen. Und ich war überrascht, denn der Auftritt war gar nicht schlecht. Im Gegensatz zum Auftritt 2010 an derselben Stelle, als wir das Gelände aus purer Langeweile vorzeitig verlassen hatten. Diesmal blieben wir bis zum bitteren Ende. Und dieses Highfield Festival 2012 … das war so gesehen auch wesentlich besser, als erwartet.
War dabei: Anja Gebhardt
Fotos: Malte Schmidt/FKP Scorpio