Glass Animals im Interview

Neil Krug 21
„How To Be A Human Being“ ist das neue Album der Glass Animals. Zum Erscheinen der neuen Platte haben wir uns mit Sänger Dave Bayley und Schlagzeuger Joe Seaward beim Frühstück unterhalten. Erst mal haben wir eingehend analysiert, ob das Leben mit oder ohne Kaffee besser ist und wie lange es dauert bis man sich daran gewöhnt, dass es ohne Kaffee vielleicht auch nicht so schlecht ist und es sich laut Joe irgendwann wirklich besser anfühlt. Nachdem wir diese wichtige Frage geklärt haben, ging  es dann nur noch um die Musik.

Ich habe euren Gig in der Kantine am Berghain gesehen. Da ging es ja voll ab. Habt ihr das so erwartet?

Dave: Es war großartig! Das haben wir wirklich gar nicht erwartet. Wir dachten es sind nur ein Haufen Journalisten, die sich den Showcase wegen der neuen Platte anschauen. Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet, dass das dann so abgeht.

Es waren aber nicht nur Journalisten und Leute von der Plattenfirma. Schon bei den ersten Tönen haben die Fans lautstark und sehr textsicher mitgesungen.

Dave: Ja das war irre. Vor allem wenn du mit einer ganz anderen Erwartungshaltung in so ein Konzert gehst. Es war absolut besonders für uns.

Ist das bei euch normal, dass die Fans so mitgehen? Da haben ja einige mit Euch zum Schluss sogar auf der Bühne getanzt.

Joe: Wir hatten schon einige verrückte Shows, aber noch nicht in dieser Art in Deutschland. Allerdings tanzen unsere Fans selbst in unserer Heimat England nicht so wild und ausgelassen.

Respekt für Euren Mut, Kayne zu covern und das auch noch in weissen Socken auf der Bar stehend.

Dave: (lacht) Ja, das war sehr lustig und hat unglaublich viel Spaß gemacht. Was mich da geritten hat, weiß ich allerdings auch nicht.

Deine Socken sind jetzt auf unserem Instagram Account, aber keine Angst, sie waren sauber.

Dave: Zum Glück waren sie sauber. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht. Vor ein paar Tagen haben wir ein Festival in Amsterdam gespielt. Das war so unglaublich schlammig. Ich hatte den Schlamm überall, sogar in meinen Socken. Das war vielleicht eklig.

Wir fanden eure Kayne Version sogar besser als das Original. Das ist echt eine Leistung.

Dave: Oh wow, wirklich? Danke, das ist eine große Ehre.

Was war zuerst da, deine teilweise exzentrischen Dance Moves oder Euer Sound?

Dave: (lacht) Der Sound war zuerst da. Meine Bewegungen kommen irgendwie automatisch und fließen aus mir raus. Ich versuche, dabei einfach so viel Spaß wie möglich zu haben.

Es sieht auf jeden Fall so aus, als hättest Du Spaß. Als hättet ihr alle Spaß.

Joe: Spaß ist das wichtigste bei dem was du tust. Wenn du keinen Spaß mehr dabei hast,  merkt man das. Vor allem die Fans. In meinen Augen macht das den Unterschied zu einer guten Show aus. Zwischen den Fans und einer Band ist es wie in einer Beziehung: Du musst geben um etwas zurück zu bekommen. Wenn Du wirklich Spaß hast und sich das aufs Publikum überträgt, ist es auch nicht so schlimm, wenn Du mal einen Ton nicht ganz triffst (lacht).

Ich glaube ein Teil des Spaßes der beim Publikum ankommt ist aber auch euer Groove. Man kann super zu euren Songs tanzen.

Dave: Ja, das stimmt und wenn die Leute tanzen, haben wir definitiv was richtig gemacht.

Wie war es für euch, Songs aus eurem neuen Album „How To Be A Human Being“ zu spielen? Einige davon haben die Leute ja noch nie zuvor gehört.

Joe: Das war eigentlich super. Die Reaktionen zu sehen ist spannend. Außerdem ist es für uns ganz gesund neue Songs zu spielen. Nach dem letzten Album konnten wir unsere Songs fast mit geschlossenen Augen spielen. Wir waren fast zwei Jahre ununterbrochen auf Tour. Wir haben dann irgendwann angefangen ein paar Cover zu spielen um wieder etwas mehr Würze und weniger Routine in einen Gig zu bekommen. Wenn Du aber wieder darüber nachdenken musst was Du tust und dabei auch ein bisschen Angst hast, dann treibt dich das an und du wirst wieder besser. Das ist das Gute an neuen Songs. Die Reaktion auf die neuen Stücke schien auch ziemlich gut zu sein. Puuuh, da haben wir Glück gehabt (lacht).

Wenn ihr eine Platte aufnehmt, habt ihr da schon im Kopf, wie sie sich live anhört?

Dave: Nein gar nicht. Das würde uns nur limitieren. Wenn irgendwas nicht live funktioniert muss man daraus eben eine andere Version machen.

Joe: Wenn Du im Studio bist, musst Du alles dafür tun, den Song so gut zu machen, wie es nur irgendwie geht. Danach müssen wir schauen, wie wir aus einem Song die möglichst beste Live Version machen können. Mit all den Limitierungen, die wir dadurch haben. Eine unserer Philosophien ist, dass alles was man live hört auch live gespielt ist. Bei uns kommt nichts vom Band. Das macht es aber auch sehr schwierig. Einige unserer Songs sind echt komplex und wir müssen einen Weg finden um sie live spielbar zu machen. Wir sind nur vier Leute und jeder hat zwei Hände und zwei Füsse, da stoßen wir manchmal  fast an unsere Grenzen. Daher gibt es auch Songs auf der Platte, die wir einfach nicht live spielen können. Das ist eine Herausforderung, fast wie ein Spiel.

Was hat sich eurer Meinung nach am meisten seit der letzten Platte „ZABA“ geändert?

Dave: Viel, eigentlich hat sich sehr viel verändert. Die letzte Platte kam etwas schüchtern und gehemmt daher. Die neue Platte ist selbstbewusster und rauer. Auf „ZABA“ wollten wir alles absolut perfekt machen. Rückblickend war das vielleicht gar nicht so gut und hat uns etwas zu verhalten werden lassen. Dieses Mal haben wir eher Gefallen an unsere ersten Demos für die Platte gefunden und haben versucht, so viel wie möglich von den Ecken und Kanten daraus mit zu nehmen. Auch unsere Texte haben sich verändert, auch da war unsere letzte Platte etwas zurückhaltend.

Joe: Jetzt sind wir wesentlich direkter, bei allem was wir tun.

Fühlt ihr euch auch als Band jetzt selbstbewusster?

Dave: Vielleicht nicht unbedingt selbstbewusster, aber wir machen uns weniger über alles Gedanken und uns ist es eher egal, was andere Menschen über uns denken.

Joe: Vielleicht eher ein besseres Selbstvertrauen, das aber nichts mit Arroganz zu tun hat. Wir haben eine bessere Vorstellung davon, wie Dinge funktionieren und wie sie sein sollten, damit wir damit happy sind. Wir lernen ständig und wir haben uns als Persönlichkeiten weiter entwickelt seit der letzten Platte. Wir sind alle älter und damit reifer geworden. Das hat auf jeden Fall Einfluss darauf, wie sich unsere Musik anhört und wie wir auf der Bühne performen. Ich würde aber sagen, dass wir jetzt mehr Spaß haben bei dem was wir machen und wie wir es machen.

Das ist doch eine wirklich positive Entwicklung.

Joe: Ja es fühlt sich gut so an wie es ist. Und das wichtigste ist glücklich zu sein mit dem was man macht. Und wenn wir das genießen was wir machen, strahlt das ab.

Ich finde das hört man Eurer Platte auch an, dass ihr liebt was ihr tut. Man hört auf dem Album eine menge Töne, die nach nerdigen Keyboard-Effekts klingen. Wo kommt das her, arbeitet ihr mit speziellem Equipment?

 Dave (strahlt): Oh ja … ich liebe Synthesizer. Ich habe ziemlich viel neues Equipment bei dem neuen Album eingesetzt. Ich hatte bestimmte Sounds in meinem Kopf, die wollte ich unbedingt auf der Platte einfangen.

Du hast es zuerst in Deinem Kopf gehabt und dann versucht das zu reproduzieren? Ist das nicht unglaublich schwierig?

Dave: Es ist ein bisschen wie ein Maler, der etwas sieht und daraus ein Gemälde macht. Das macht total Spaß, man tüftelt und tüftelt und tüftelt um einen bestimmten Sound zu kreieren. Es ist wie ein verrücktes Spiel und plötzlich hast du es geschafft. Manchmal benutze ich auch einfach nur meinen Mund (macht ein Plop Geräusch) um einen bestimmten Sound zu kreieren und jage diesen Ton dann durch einen Synthesizer.

Ist „How To Be A Human Being“ eine Anleitung, wie man ein guter Mensch wird?

Dave: Es ist mehr eine Ansammlung von Charakteren. Ich habe eine Menge Leute  auf meinem Handy aufgenommen. Ständig und überall. Zum Beispiel wenn mir ein Taxifahrer eine Geschichte erzählt hat oder Menschen, die ich  in den verschiedenen Städten, wenn wir auf Tour waren, kennen gelernt habe.  Ich habe dann ihre Geschichten und meine eigenen genommen und daraus neue Charaktere entwickelt. Ich habe versucht ein Bild zu kreieren wie dieses Menschen sind und wie sie leben.

Gab es was Besonderes oder Spezielles bei deinen Aufnahmen?

Dave: Ja es gab viele besondere Sachen. Manchmal erzählen die Leute ganz traurige Dinge, manchmal erzählen sie ganz gruselige oder verrückte Sachen. Ein Typ hat mir erzählt, dass er versucht sich jeden Tag selbst einen Blow Job zu geben. Es gibt aber auch ganz wunderbare und anrührende Geschichten.

Das hört sich sehr persönlich an.

Dave: Es wurde manchmal unglaublich persönlich.

Wie hast du das ganze Material verarbeitet?

Dave: Nach der Tour bin ich direkt ins Studio und habe an den Demos gearbeitet. Ich habe Skripte geschrieben und die Charaktere entwickelt. Ich habe sie genau beschrieben: was sie essen, was sie lesen, was sie besonders gerne mögen, wie ihr Haus aussieht. Danach war es für mich ganz einfach die Musik dazu zu schreiben. Es war fast wie der Titelsong zu einem Film: Wie hört sich diese Person an. Diese ganzen Demos habe ich dann mit der Band geteilt, wir haben angefangen daran zu arbeiten. Manche Passagen haben wir umgeschrieben, manche haben wir direkt aufgenommen. Ein ganz spannender Prozess.

Was ist das beste daran auf Tour zu sein?

Joe: Wir lieben es einfach um die Welt zu reisen, immer wieder neue Orte kennen zu lernen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir mittlerweile überall auf der Welt Freuende haben. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes und wir sind sehr dankbar das erleben zu dürfen. Es ist toll, dass wir fast jeden Tag auftreten dürfen und ich liebe es fast jeden Tag mit meinen ältesten und besten Freunden abzuhängen um das zu tun, was wir alle am liebsten machen.

Ihr schafft es also nicht nur eine Band zu sein sondern seid vor allem auch noch Freunde?

Joe: Ja, das ist das wichtigste. Die Freundschaft war schon immer da, auch vor der Band und sie wird auch nach der Band bestehen bleiben. Ich glaube nicht, dass ich den gleichen Spaß an der Sache hätte, wenn wir nicht so eng befreundet wären. Es ist doch das schönste, wenn man die Dinge die man gerne macht, mit den Menschen die man liebt teilen kann. Wenn man etwas cooles erlebt ist es doch nur so cool, weil man es mit jemanden teilen kann.

Das ist ein sehr schönes Schlusswort. Vielen Dank und viel Erfolg mit der neuen Platte.

Dave: Dir auch viel Erfolg und vor allem Spaß bei allem was du tust. Und vielen Dank, dass Du uns gestern live gesehen hast und für das Gespräch, wir sehen uns hoffentlich im November wieder, wenn wir wieder in Berlin sind.

Der Showcase in der Kantine Berghain hat es gezeigt: die Jungs so richtig rocken und sind eine absolut sehenswerte Live Band. Ihr solltet also die zwei kommenden Deutschland Termine auf keinen Fall verpassen. Und vorher natürlich ordentlich die neue Platte aufdrehen und das Tanzbein schwingen. Denn tanzen macht glücklich!

Glass Animals Live:

05.11. Hamburg – Mojo
07.11. Berlin – Columbia Theater

Interview: Kate Rock