Gehört: „Swing Lo Magellan“ von Dirty Projectors

Beim ersten Abspielen der zwölf neuen Stücke von den Dirty Projectors regnet es vor dem Fenster. Eine graue Decke ummantelt langsam den gesamten Himmel während die aus Brooklyn stammende Formation ihr sechstes Album mit dem mysteriösen Namen „Swing Lo Magellan“ vorstellt. Beim dritten Song, der souligen Gospel-Single „Gun Has No Trigger“, entwickelt es sich zu einem Gewitter im Sonnenschein. Ein Vorzeichen?

Die Lautstärke wird bei den hallend poppigen wie hardrockigen Tönen vorsichtig weiter aufgedreht. Auf diesem Werk von Mastermind David Longstreth hagelt es fortwährend Brüche. Was daher rühren mag, dass der 30-jährige den Fokus auf den Song legen wollte. Es sollte nicht um eine Gesamtkomposition gehen, sondern um das Wirken des Einzelnen. So folgt auf den höchst melancholischen Einstieg der leuchtend harmonische Zweieinhalbminüter „Swing Lo Magellan“ – eine sanfte Liebkosung für einen jeden Zuhörer, um drei Stücke weiter von den schrägen Dekronstruktions-Klängen in „Maybe That Was It“ Ablösung zu finden. Wiederholungen ausgeschlossen. Staubtrockene Gitarren oder eine dröhnende Weite, die Hauptsache dabei ist es keine Kompromisse einzugehen.

Und der Himmel war ausgewrungen. Der dunkle Schleier entwich zwar noch immer nicht von dem Dächerhintergrund, aber die Wärme machte sich sogleich verstärkt bemerkbar. Handelt es sich gar um ein potentielles Sommeralbum?

„There is an answer, I haven’t found it, but I will keep dancing till I do.“ („Dance For You“)

Im Takt tanzen die Menschen vor dem Haus von einer Pfütze in die nächste. Bei der Arbeit an dem Album ging es Longstreth und Co. (Amber Coffman ziert zum Beispiel mit ihm und einem Passanten das Cover) darum, besondere Momente zu versammeln. So erschufen sie Augenblicke, in der ihre Musik verjüngen kann, um im nächsten Schritt wieder mit aller Macht die Kräfte zu entziehen. Es wird entschleunigt, verzerrt, geknatscht und danach wieder ausgiebig gestreichelt. „Swing Lo Magellan“ – eine nicht berechenbare Naturgewalt, bei welcher man um keinen Preis weghören sollte.

VÖ: bereits erschienen

Gehört von: Hella Wittenberg