Würde ich meine Band nach meiner jüngeren Schwester benennen, hieße sie wohl Sonnensand und wäre der Inbegriff des charakterlosen Langeweile-Deutschpop. Zugegeben: Siegrose klingt auch nicht viel besser. Die Musik dahinter schon, und nicht nur, weil Island irgendwie immer geht.
Soviel zum Thema Bandnamen. Was die isländischen Klangkünstler um Sigur Rós anbelangt, hat sich vieles und irgendwie auch nichts verändert. Seit Ende des Jahres 2012 sind Jón Þór „Jonsi“ Birgisson, Georg Hólm und Orri Páll Dýrason nur noch zu dritt. Multiinstrumentalist (hauptsächlich aber Keyboarder) Kjartan Sveinsson verließ die Band, um sich anderen Projekten widmen zu können. Das Ergebnis seines Weggangs hat dabei deutliche Spuren hinterlassen. „Kveikur“ ist eine davon. Nicht nur, weil Sigur Rós darauf ungestümer und kantiger denn je klingen, sondern auch, weil es nur ein Jahr nach dem letzten Album „Valtari“ erscheint. Fast scheint es, als hätte die Reduktion von vier auf drei Bandmitglieder etwas mit der Grundstimmung der Nordlichter gemacht.
In „Brennisteinn“, dem ersten Titel des Albums, weht anfänglich noch ein leichter Wind, der schnell zum Sturm wird und sich von da an als Jonsi’s ständiger Begleiter durch die komplette Platte zieht. Spätestens ab Track 4 „Yfirborð“ ist dann ein weiteres bisher unbekanntes Element in Sigur Rós‘ Klangspektrum nicht mehr zu überhören: hier und da aufflackernde Dubstep–Einlagen. Vielleicht handelt davon auch der Song – und mit ihm das ganze Album – „Kveikur“ (dt. Kerzendocht): vom Entzünden, Flackern und Erlischen, auf jeden Fall ist es durchweg hitzig und unentspannt. Das Verwirrende dabei: nie klangen die Isländer gleichzeitig so erfrischend und leidenschaftlich. Vielleicht ist es gerade diese neu gewonnene Kampfeslust, die den Zugang zur Platte so leicht macht. Irgendwie mausern sich alle Songs auf der Platte mit ihren tollen Momenten (und davon gibt es unzählige: Jonsis allgegenwärtiges Falsett, die pompösen Instrumentierung und die aufdringlichen Beats) nach und nach zu kleinen Hits. Das geschieht jedoch so schleichend, dass man gar nicht merkt, wie sehr ihre Melodien einen gefangen nehmen.
Erst dann, wenn man bei „Ísjaki“, dem wohl eingängigsten Titel auf „Kveikur“, tonsicher mitsummen kann, weil die Platte, in sich so rund und auf repeat gestellt, sich zum fünften Mal im Kreis dreht. Und plötzlich ist man nach dem siebten Album zum Fan geworden und denkt darüber nach, nicht vielleicht doch eine Band zu gründen, die verträumten Postrock spielt. Dann aber unter dem Namen Sandur Sólin.
VÖ: 14.06.2013
Gehört von: Julia Köhn