George Ezras rauchige Stimme produziert Assoziationen von einem amerikanischen, vollbärtigen Mittvierziger, der endlose Whiskey durchtränkte Nächte in Kneipen verbringt. Umso erstaunlicher ist die Feststellung, dass dieser faszinierende Bariton von einem nach 1990 geborenen, unschuldig aussehenden, blonden Briten kommt. Johnny Cash meets Jake Bugg. Ezras Debut EP „Did You Hear The Rain“ im Oktober letzten Jahres folgte die „Cassy O“ EP im März 2014. Jetzt endlich ein ganzes Album: „Wanted On Voyage“ featured ganze 16 Songs von dem jungen Singer-Songwriter und selbst das scheint nicht genug. Denn seitdem der 20-Jährige im Sommer 2013 beim Glastonbury Festival auf die BBC Introducing Bühne gebracht wurde, entwickelt sich ein Hype um ihn. Kein Wunder, denn diese Mischung aus Blues, Pop, Folk und Country bringt er lässig rüber. Es scheint ihm alles ganz locker von der Hand zu gehen und sein rasend schneller Erfolg ist ihm nicht zu Kopf gestiegen.
Vielleicht geht es auch alles viel zu schnell, denn bevor George sich wirklich vorbereiten konnte, wurde ihm nach einem Jahr Songwriting Studium in Bristol ein Plattenvertrag mit Columbia Records und eine Menge folgender Gigs angeboten. Dabei hatte er doch gerade erst ein paar Songs geschrieben. Um Inspiration fürs Schreiben und fürs Leben zu bekommen, machte er sich auf eine Reise durch Europa. „Ich besuchte Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Malmö, Wien, Mailand und Barcelona“, erzählt Ezra, „es war das erste Mal, dass ich jemals etwas über einen längeren Zeitraum ganz alleine gemacht habe. Und es war toll. Ich habe festgestellt, dass ich mich selbst ganz gut leiden kann.“ Diese gewonnene Selbstachtung zeigt sich auf der Bühne und in seinen Songs, die oft ironisch sind und zum Teil bewusst sinnlos. Seine Reise, auf der er natürlich seine Gitarre im Gepäck hatte, inspirierte auch den Titel des Debütalbums: „Wanted On Voyage“. Es steckt voller Lebensfreude und Hymnen, die einem nicht aus dem Kopf gehen wollen.
Schon mit dem ersten Track „Blame It On Me“, der Streicher enthält, stellt man sich vor auf einem Festival mit glücklichen Menschenmassen zu singen und zu tanzen, spätestens „Cassy O‘ “ lässt niemanden still stehen. Die Reise soll immer weiter gehen. Um Rastlosigkeit geht es auch in dem Song „Barcelona“, in dem Ezra voll Fernweh an seine Reisen zurückdenkt. Die Naivität, die durch die fehlende Lebenserfahrung einfach nicht zu vermeiden ist, macht den Briten noch viel sympathischer. Überraschend singt Ezra im Refrain von „Leaving It Up To You“ im Falsetto, was man sich für seine tiefe Stimme als sehr schwierig vorstellen kann. „Did You Hear The Rain“ wurde mit 80er-Jahre-Keyboards und merkwürdigen verzerrten Loops aufgenommen, es ist sogar ein Didgeridoo-Spieler dabei. Dass Ezra Spaß am Sich ausprobieren hat und sich selber nicht so ernst nimmt, zeigen die verrückten Lyrics: „Well I travelled to Australia and I travelled there by train“ oder noch absurder: „You mentioned taking a holiday and I recalled you couldn’t swim, so I booked us Scuba Diving on the north coast of Belgium“. In Budapest war George selber noch nie, aber das hält ihn nicht davon ab einen gleichnamigen Hit zu schreiben, in dem er für ein Mädchen alles aufgeben würde. In Deutschland hat der Brite dafür sogar schon Gold-Status erreicht. Mit „Song 6“ wird es etwas ruhiger, aber auch die langsamen Songs meistert der junge Songwriter und weiter singt er sich kraftvoll durch Persönlichkeitskrisen in „It’s Just My Skin“.
So viele unterhaltsame Lyrics, von vorne bis hinten ist das Album mitreißend und dieser ehrfürchtigen Stimme nimmt man alles ab. One to watch in 2014, das stimmt und ist auch nicht zu vermeiden, denn George Ezra wird eh überall auftauchen, vor allem nach dem Hören immer wieder im Kopf.
VÖ: 27.06.2014
Gehört von: Christina Heckmann