Ich werde nie vergessen, wie ich Björk in London in einem Yoga-Studio in Notting Hill getroffen habe. Diese kleine feenhafte Person aus Island, die selbst in einem Sportoutfit mit ihrer unbeschreiblichen Aura wie aus einer anderen Welt wirkt, hat mich nachhaltig beeindruckt.
Selbst isländischen Feen sind aber heutzutage nicht vor dem in der Musik-Branche um sich greifende „Leaken“ gefeit. Erst kürzlich mussten Künstler wie Madonna und Mark Ronson Ihre Werke frühzeitig veröffentlichen. So kommt auch „Vulnicura“ 2 Monate früher als geplant, zumindest in digitaler Form, auf den Markt. Und schon bei den ersten Klängen hat man das Gefühl, hier offenbart sich ein Meisterwerk, das der Welt auch nicht länger vorenthalten werden durfte.
Auf dem Album verarbeitet Björk den Bruch ihre Beziehung zu dem Künstler Matthew Barney, mit dem sie über zehn Jahre zusammen war und die gemeinsame Tochter Isadora hat. Wie sie selbst in einem Interview mit „Pitchfork“ sagt, das schmerzvollste was ihr je passiert ist: „When I did this album it all just collapsed. I didn’t have anything. It was the most painful thing I ever experienced in my life. The only way I could deal with that was to start writing for strings; I decided to become a violin nerd and arrange everything for 15 strings and take a step further than what I’ve done before.“
Die Streicher ziehen sich dann auch wie ein roter Faden durch das Album. Von melodisch, romantisch bei dem ersten Song „Stonemilker“ bis verstörend, schräg bei „Family“. Die starke und dennoch zerbrechliche Stimme Björks mit diesem ganz besonderen, unverwechselbaren Klang komplettiert die komplex arrangierten Songs zu einem perfekten Ganzen. Auf „Atom Dance“ singt sie mit dem ebenso wunderbaren Antony Hegarty, den sie selbst als „My Godesse Of Love“ bezeichnet. Man kann sich fast keinen besseren Gesangspartner für Björk vorstellen. Beide in ihrer Art schräg, vereinen sich zu einem großartig verstörenden Kunstwerk.
Björk nennt dieses Album ein Heartbreak Album, eine emotionale Chronologie. Drei der Songs hat sie vor dem Ende der Beziehung geschrieben und drei danach. Wahrscheinlich ist man deshalb so von der Emotion gepackt, die die Musik ausstrahlt. Songs wie „Black Lake“ sind von so einer Intensität, dass sich einem das Herz zusammenzieht und man mit ihr leidet, wenn sie unterlegt von Drum and Bass Rhythmen und Geigen singt: „Did I love you too much, devotion banned and broken…?“ Man bekommt eine Geschichte erzählt, ganz persönlich von einer sehr verletzlichen Frau, die sich durch ihre Musik offenbart. So ist ein konzeptionelles Album entstanden über eine große Liebe, die verloren gegangen ist.
Björk hat überlegt, ob sie dieses auf sich bezogene Werk überhaupt veröffentlichen soll. Die Anthroposophin in ihr hat dann entscheiden, ihre Musik und die damit verbundene Geschichte zu teilen, als Hilfe und Stütze für andere Menschen. Liebe ist ein biologischer Prozess, der Wunden entstehen aber auch wieder heilen lässt. Sowohl psychisch als auch physisch.
Es ist wunderbar und beruhigend, dass es immer noch Musiker gibt, die einen abseits des Mainstream-Plastik-Trallala auf eine wunderbare musikalische Reise mitnimmt. „Vulnicura“ ist ein Album auf das man sich voll und ganz einlassen möchte, das einen in eine andere Welt entführt. Die Welt der bezaubernden Björk, die uns ihre Geschichte erzählt.
Auf Facebook bedankt sie sich bei ihren Fans, dass sie ihr immer noch die Treue halten: “I’m so grateful you are still interested in my work. I appreciate every little bit!!!” Man möchte sie in den Arm nehmen und ihr sagen, wie dankbar man ist, dass sie einen teilhaben lässt an Ihrer Musik an ihren Gefühlen, die sich zu einem wunderbaren Stück Kunst vereinen.
„Vulnicura“ ist ab sofort auf iTunes erhältlich, die CD/ Vinyl Veröffentlichung folgt am 27.02.2105.
Gehört von: Kate Rock