Ein Mann, der erst im fortgeschrittenen Alter von 60 Jahren sein erstes Album aufnimmt und auch erst seitdem Erfolge feiert, der ist sicher noch ganz der Alte und lässt sich nicht mehr verbiegen. Keine Höhenflüge, keine Arroganz, keine divenhaften Anwandlungen. Davon kann man ausgehen. Und vielleicht ist es auch das, warum Seasick Steve reihenweise junge Zuhörer für sich einnimmt. Er ist der coole Opa, den sich jeder wünscht. Er hat Geschichten zu erzählen und seine Augen funkeln immer noch jungenhaft wenn er sagt: „Seien wir doch mal ehrlich. Worum geht es im Leben wirklich? To find a girl“. Er nährt die Hoffnung seines Publikums, selbst auch einmal dem tristen Rentnerdasein entkommen zu können.
Sein neues Album „Keepin`The Horse Between Me And The Ground“ erfüllt alle Erwartungen, die man an Lieder von Seasick Steve haben kann. Hier wird jeder zum Blues-Fan. Treibendes Stampfen, wilde Gitarren, donnerndes Schlagzeug, Pferde, Straßen, Einsamkeit, Liebe – das ganze Leben. Hört man den Titelsong im Auto kommt einem sogar das brandenburgische Niemandsland aufregend und wild vor. Niemals ankommen, immer das nächste Abenteuer vor Augen. Dazwischen gibt es aber auch leisere Töne, wie bei „Shipwreck Love“ und „Everbody`s Talkin At Me“. Wunderschön ist „I`m So Lonesome“ – ein Duett mit der bezaubernden Amy LaVere aus Memphis – als Abschluss einer tollen Platte.
Sehnsüchtig warten wir darauf, dass Seasick Steve seinen alten Holzstuhl mit dem draufgeklebten Kissen auf die Bühne stellt, seine selbstgebastelten Gitarren rausholt und begleitet von Dan Magnusson am verbeulten Drumset seine neuen Songs live singt. Dabei trinken wir dann zusammen eine Flasche Rotwein. Wie immer.
VÖ: 07.10.2016
Gehört von: Katja Mentzel