Gehört: Morrissey „Low In High School“

„Low In High School“ ist Morrisseys erstes Album seit 2014. Lange sah es so aus, als müsse man noch länger auf neue Musik des Ex-The Smiths Frontmann warten. Zudem hat sein letztes Album “World Peace Is None Of Your Business” kaum Gehör gefunden. Nach einem heftigen Streit mit dem damaligen Label Harvest Records, wurde das Album nur wenige Wochen nach dem Erscheinen aus allen digitalen Kanälen entfernt und quasi nur noch auf Tour gespielt.
Es hat einige Zeit gedauert, bis Steven Patrick Morrissey wieder unter die Haube gekommen ist – zumindest musikalisch. Nach dem Desaster mit Harvest Records hat sich lange kein Label an den bekanntermaßen schwierigen Musiker herangetraut. Mut bewiesen haben nun BMG, die eine Kooperation mit Morrissey und seinem neu gegründeten Label Etienne Records eingegangen sind. Kleine Nerd-Anmerkung am Rande: Etienne ist der französische Name für Steven. Korda Marshall, Vizepräsident von BMG, sagt über die Zusammenarbeit:

„Heutzutage gibt es nicht mehr viele Künstler wie Morrissey. Er besitzt ein außergewöhnliches Talent, ist belesen, geistreich und vornehm.“

Talent ist Morrissey nicht abzustreiten, belesen ist er sicherlich auch. Wie Mr. Marshall jedoch auf geistreich und vornehm kommt, kann man sich nicht so richtig erklären. Moz fällt eigentlich in letzter Zeit eher durch rüpelhaftes, selbstgefälliges Benehmen auf als durch musikalische Glanzleistungen. Gerade erst sagte er ein Konzert in Kalifornien ab, weil es ihm mit ausgefallener Heizung zu kalt war und verärgerte so massenhaft Fans. Fleischverbot ist nicht erst seit „Meet Is Murder“ ein heikles Thema und wird auch diesmal auf der Tour wieder vehement umgesetzt. Mit seinen immer extremer werdenden politischen Äußerungen vergrault er mehr und mehr Fans. Kürzlich erst bei einer Live Übertragung der BBC 6 zur Präsentation seiner neuen Platte parlierte er lieber über seine Sympathien zur rechten Partei Ukip und tat dazu noch seinen Wohlgefallen am Brexit kund, statt seine neuen Songs inhaltlich vorzustellen. Das Publikum quittierte die Äußerungen mit betretenem Schweigen. Eine einstige Ikone demontiert sich selbst.
Leider führen diese ganzen Eskapaden dazu, dass man Morrisseys Musik nicht mehr  unvoreingenommen gegenüberstehen kann. Sozialkritik schön und gut, wenn aber nur noch der Zynismus regiert, bleibt die Pille doch bitter, obwohl sie meist mit zuckersüßen Melodien überzogen ist. So auch beim 11. Solo Album „Low In High School“. Schon das Cover macht keinen Hehl aus Morrisseys Abneigung gegen die Monarchie. Moz wäre wohl selbst gerne der jugendliche Rebell, der mit der Axt in der Hand vor dem Buckingham Palace steht und die Monarchie zu Fall bringt.
Mal beschwingt und vordergründig fröhlich, mal theatralisch oder auch mit stampfenden Beats, die die Revolution förmlich heraufbeschwören, wird der geneigte Zuhörer förmlich um den Finger gewickelt. Das funktioniert aber nur so lange bis die anklagenden, wütenden und extrem zynischen Texte zur vollen Entfaltung kommen. Politik, Soziales, … ach eigentlich die ganze Welt kommt auf die Anklagebank. Und wer sich nicht schnell genug duckt wird von Morrisseys messerscharfen Worten getroffen. Viele davon durchaus nachdenkenswert mit einem wahren Kern, wären sie doch nicht immer mit so viel Wut, Ärger und Kompromisslosigkeit vorgetragen. An Abwechslung mangelt es „Low In High School“ nicht, selbst mit einem gepflegten Tango mit „The Girl From Tel-Aviv Who Wouldn’t Kneel“ kann das Album aufwarten. Trotz weiterer durchaus schöner Songs, lässt es einen aber mit dem Gefühl zurück, dass die Welt durch und durch schlecht ist. Von einem Lichtblick keine Spur, da helfen auch die zarten Klaviertöne bei „Israel“ nichts oder die zarten Streicher bei „Jacky’s Only Happy When She’s Up On Stage“, die in der nächsten Sekunde von einem bedrohlichen Bass und grollenden Trommeln zunichte gemacht werden.
Schon seit Richard Wagner gibt es immer wieder intensive Auseinandersetzungen über das Thema, in wie weit sich der Künstler von seinem Werk trennen lassen kann. Im Fall Morrissey ist das nur noch schwer möglich, da er sein Werk zu eng mit seiner politischen Anschauung verknüpft. Er nutzt nur allzu gerne die Bühne für Bekehrungsversuche, die dann kläglich scheitern, wenn die Konzertbesucher im Anschluss an den Gig in Scharen den benachbarten McDonald’s stürmen, weil auf dem Gelände wieder mal ein von Morrissey verhängtes Fleischverbot herrscht.
Möge jeder selbst entscheiden, ob Moz nach wie vor einen berechtigten Platz in der Hall Of Fame hat oder ob er sich allmählich kapriziös aufs Abstellgleis nörgelt. Seine angekündigte Tour wird zeigen ob die Fans noch in Massen herbei strömen, um der einstigen Ikone zu huldigen.

VÖ: 17.11.2017

Gehört von: Kate Rock

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