„So #JOANNE is like, you know, Lady Gaga if you erase all the fame.“ So zitiert Lady Gaga sich selbst auf ihrer Facebook Seite. Tatsächlich präsentiert sich die amerikanische Pop Lady auf ihrem neuen Album „Joanne“ nahezu geläutert. Keine geometrischen Kostüme, kein Glitter im Gesicht und auch musikalisch setzt sie auf ausgestellte Ernsthaftigkeit. Offensichtlich ist es Gaga ein Anliegen, nach der jahrelangen Betonung auf ihrer Künstlichkeit, auf ihre Optik, die Substanzlosigkeit ihrer Songs zu überwinden – vielleicht auch motiviert durch die weit verbreitete Schelte, die sie dieses Jahr für ihr misslungenes David Bowie Tribute kassierte. Nun also ein Album, auf dem sie sich optisch wie akustisch nicht wie ein glamouröser, exzentrischer Popstar sondern mehr wie ein aufstrebendes Country Sternchen inszeniert. Das kommt in seiner Unkalkuliertheit schon wieder so kalkuliert daher, dass man sich eigentlich direkt verweigern möchte.
Wäre das Ganze jetzt trotz der Hilfe so namhafter Kollegen wie Mark Ronson, Josh Homme und Florence Welsh von Florence & The Machine musikalisch in die Hose gegangen, es wäre ein echtes Armutszeugnis für Lady Gaga. Tatsächlich bestreitet niemand ihre gesanglichen Qualitäten, aber, das muss man zum Glück sagen, auf „Joanne“ findet man zum Teil das fundierte, handwerklich solide Songwriting, das ihr bis dato immer gefehlt hat. Und zwischen drin auch immer wieder wahre Perlen, bei denen das richtig gut funktioniert, wie zum Beispiel das getragene „Million Reasons“, melodiös eingänglich, top gesungen und irgendwie auch gut gefühlt (schon kurios, dass man sich nahezu verwegen vorkommt, wenn man von Gefühlen im Zusammenhang mit Lady Gaga spricht). Überhaupt steht Lady Gaga die ruhige, aufs Wesentliche konzentrierte Seite als Musikerin gut, sodass man direkt versucht ist, sie überhaupt also solche zu bezeichnen. Dafür hätte man auf Plastikperlen wie das nahezu unerträglich Gaga-eske „Dancin‘ in Circles“ oder das als erste Single Auskopplung auserkorene, von Mark Ronson coproduzierte „Perfect Illusion“ gut verzichten können, das Album wäre direkt eine rundere Nummer geworden. Leider geht aber auch der ein oder andere ernsthaftere Versuch daneben, „Just Another Day“ zum Beispiel, in dem die Beatles Referenzen einfach nur billig arrangiert wirken.
Aber, es gibt wie gesagt auch Höhepunkte. „A-YO“ ist schlichtweg eine super Tanznummer und ein Duett mit Florence Welsh („Hey Girl“) kann kaum daneben gehen. Auch so eine Show-Jackett-Nummer mit 80er Jahre Varieté-Saxophon („Come To Mama“) steht Gaga ganz gut.
Insgesamt ist „Joanne“ ein Album geworden, von dem man sich nicht dauerhaft beeindruckt zeigen muss, dem man aber durchaus eine Chance geben kann. Ein bisschen plus, ein bisschen minus. Ob es mit dem Hören wächst oder nach einer Weile in der Ecke landet, muss sich noch zeigen.
VÖ: bereits erschienen
Gehört von: Gabi Rudolph