Nach der steilen Karriere, die girl in red, aka Marie Ulven, in den letzten vier Jahren hingelegt hat, ist es eigentlich kaum zu glauben, dass wir erst jetzt den Release ihres Debütalbums feiern dürfen. Doch die norwegische Künstlerin beweist uns mit „if i could make it go quiet“, dass gute Dinge Zeit brauchen und dass sich das Warten lohnt.
„if i could make it go quiet“ besteht aus elf Songs, die uns einerseits zeigen, zu welch einer Künstlerin sich die 22-jährige Marie entwickelt hat, anderseits aber auch demonstrieren, dass sie trotz ihres Erfolges nicht vergessen hat, wofür ihre Musik eigentlich steht. Marie ist dem Konzept, mit dem sie mit Singles wie „i wanna be ur girlfriend“ ihren ersten Durchbruch erzielte, treu geblieben: Alternative Bedroom Pop. Alle Songs wurden im Alleingang geschrieben und in Zusammenarbeit mit Matias Tellez ebenso von ihr co-produziert.
Dies führt dazu, dass dies wohl eins der ehrlichsten Alben ist, die uns in der letzten Zeit zu Ohren gekommen sind. Marie zeigt mit ihrem Songwriting auf „if i could make it go quiet“, dass sie nicht mehr nur die Teenagerin ist, die in ihrem Schlafzimmer schöne Songs über schöne Frauen schreibt. Natürlich ist ihre Liebe zu Frauen und die Thematisierung von queerer Liebe immer noch ein großer Aspekt auf diesem Album, doch viel mehr geht es um alles, was darum passiert. „if i could make it go quiet“ ist vielschichtig und es wird deutlich, dass sich Marie, auch wenn sie in vielen Songs ihrer E-Gitarre treu bleibt, auf neue Einflüsse eingelassen hat und an diesen gewachsen ist.
girl in red versucht ihre Gefühle nicht mehr herunterzuschrauben oder sie verdaulich zu verpacken. Ihr Debüt ist gefüllt mit ungefilterten Gedanken und Emotionen, die es sich nur die wenigsten trauen einzugestehen, geschweige denn mit der ganzen Welt zu teilen. Paradebeispiele dafür sind Songs wie „serotonin“ und „rue“, in denen sie ihren Kampf mit ihrer mentalen Gesundheit thematisiert, ohne dabei ihre Probleme zu romantisieren.
Besonders wichtig war es girl in red, Liebeslieder für sich selbst neu zu erfinden: „When you hear ‚love song‘, I have very bad connotations immediately. I’m like, that’s some sappy shit!“ In Tracks wie „midnight love“ und „hornylovesickmess“ schafft sie es jedoch, nicht nur das Genre „Liebeslied“ neu zu definieren und aus dem Gewohnten auszubrechen, sondern greift ebenso die Schattenseite ihres Erfolges auf. Denn immer auf Tour zu sein, als Vorbild unzähliger queerer Jugendlicher zu dienen und immer einen vollen Kalender zu haben, ist nicht nur ein Zeichen für eine beneidenswerte Karriere, sondern bedeutet auch, keine Zeit zu haben für die Menschen, die man liebt.
Das wohl jedoch größte Thema auf „if i could make it go quiet“ ist Maries Weg zur Selbstakzeptanz; zu lernen, was es bedeutet ein Mensch zu sein, Gefühle zuzulassen und zu ihnen zu stehen. Sie selbst sagt:
„I’m shedding light on the darkest part of my mind and i’m letting everyone in; ‚if i could make it go quiet‘ is me simply trying to understand what the fuck is going on.“
„if i could make it go quiet“ ist nicht nur eine Aneinanderreihung von Songs, sondern ein Konzeptalbum, welches uns erlaubt tief in die Gefühlswelt der jungen Künstlerin einzutauchen und uns ohne Zweifel feststellen lässt, dass dies erst der Beginn ihrer Karriere ist.