„Es ist passiert!“ Interview mit Veto

VETOEs ist gut und gerne fünf oder sechs Jahre her, dass ich von Veto das erste Mal gehört habe. Damals hatte ich mich gerade bei Myspace angemeldet und sie gehörten zu den ersten Bands, über die ich gestolpert bin. „You’re A Knife“ ist seitdem einer meiner Lieblingssongs. Seit der gleichnamigen  EP (2005), haben die fünf Dänen drei Studioalben veröffentlicht: „There Is A Beat In All Machines“ (2006), „Crushing Digits“ (2008) und „Everything Is Amplified“ (2011). Ihre Musik bewegt sich zwischen Electro, fast schon Techno, und Rock, wobei der elektronische Teil deutlich stärker vertreten ist. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Sänger Troels Abrahamsen in seinem Soloprojekt Techno macht, aber sie haben auch alles, was eine Rockband braucht: Gitarre, Schlagzeug und Bass. Neben Troels Abrahamsen sind noch Jens Skov Thomsen, David Krogh Andersen, Mark Lee und Mads Hasager mit von der Partie.

Neben dem Sound sind es ihre Texte, die mich fesseln. Sie sind direkt geschrieben und so klar gesungen, dass man sie sofort versteht, aber sie lassen einem trotzdem Raum für eigene Interpretationen. Mitunter denke ich, dass sie über zwischenmenschliche Interaktionen singen, manchmal Liebende, und den Schwierigkeiten die daraus entstehen können und manchmal denke ich, dass der gleiche Song einen politischen Inhalt hat. Oder was man besser machen könnte für zukünftige Generationen oder was in der Vergangenheit falsch gelaufen ist. Manchmal fassen sie auch einfach nur zusammen, wie es mir gerade geht. Das neueste Album „Everything Is Amplified“ macht da keine Ausnahme, für mich ist der politische Inhalt noch deutlicher zu sehen als bei ihren Alben zuvor. Das ist eines der Themen, über die Troels Abrahamsen, Bassist Jens Skov Thomsen und ich im Interview geredet haben. Aber wieso in aller Welt haben wir über die Sugarbabes, politische Lieder und Burger geredet?! Viel Spaß beim herausfinden!

Ihr habt euren Namen Veto ohne einen bestimmten Grund gewählt, aber mittlerweile wirkt es so, als ob ihr in den Namen reingewachsen seid, dass ihr mehr politisch orientiert seid – ist es so?

Troels Abrahamsen: Ich denke, im gewissen Maße waren wir als Personen schon immer politisch engagiert, aber wir hatten am Anfang ein bisschen Angst, eine zu offensichtliche Meinung zu haben, weil es Leute abschrecken könnte. Ich denke seit unser Selbstvertrauen gewachsen ist, fühlt es sich an, als ob es sich so verändert hat, dass wir keine Angst mehr haben eine Meinung zu haben und eine Meinung als Gruppe zu vertreten. Aber es ist immer noch keine konkrete Meinung, es ist mehr ein politisches Gefühl.

Jens Skov Thomsen: Zwischen dem Namen, wie du gesagt hast und wie wir uns politisch verhalten: wir haben den Namen nicht aus politischen Gründen gewählt und du hast gesagt, wir wären jetzt vielleicht hineingewachsen, aber es ist mehr ein Zufall.

Troels: Stimmt.

War es von Anfang an klar, dass „Everything Is Amplified“ ein mehr politisch orientiertes Album werden würde?

Troels: Naja, ich denke nicht, dass es mehr politisch orientiert ist.

Für mich ist es offensichtlicher als bei den vorigen Alben war.

Troels: Es ist einfach eine klarere Botschaft. Vielleicht ist es mehr nach draußen in die Welt orientiert als nach innen in die Innenwelt. Es ist schwer zu erklären. Ich denke nicht, dass die Themen in der Musik sich sehr verändert haben. Die Musik hat sich verändert. Das Gefühl in den Songs und die Texte haben sich seit dem Anfang nicht verändert. Vielleicht sind sie etwas erwachsener geworden, aber sie haben sich nicht verändert.

Ich habe mal gelesen, dass euer Bandmotto ist „Wenn wir uns zu sehr hetzten, verlieren wir uns.“ – war das immer euer Motto?

Troels: Ja, Ich denke es ist ein Motto. Es ist zumindest die Basis der Band, dass wir bei allem was wir tun voll dabei sind und uns erinnern zu atmen und vernünftige Entscheidungen treffen, die auf dem basieren, was wir als Band wollen und nicht, was andere Leute wollen. Ich denke, es ist immer noch das Motto der Band, nicht in irgendwas hineinzuhetzen. Wir versuchen, alles vom Grund aufzubauen.

[zu Jens] Wolltest du noch etwas sagen?VetoLive1

Jens: Nein, ich stimme voll zu, wenn ich die Frage richtig verstanden habe.

Troels: Du meintest, dass wir in der Vergangenheit gesagt haben, dass wir in nichts hineineilen? Das steht immer noch. Es ist die Philosophie der Band, dass wir fünf verschiedene Leute sind und wir müssen alle zu 100% mit von der Partie sein, um eine Entscheidung zu treffen. Wir wollen keinem in der Gruppe irgendwas wegnehmen. Also versuchen wir die ganze Gruppe dabei zu haben, wenn wir Entscheidung treffen.

Das ist der Grund, wieso es nie einen Wechsel in der Besetzung gab?

Troels: Ja, ich denke, dass es nie einen Wechsel geben wird. Wenn es einen gäbe, dann wäre es eine andere Band. Ich denke, die Band würde auseinander fallen, wenn es einen Wechsel gäbe.

Jens: Ich glaube auch, dass es etwas mit unserer Vergangenheit zu tun hat, weil ich mit einigen der Jungs gespielt habe bevor wir Veto gemacht haben. Und bevor Troels kam, hatten wir einen anderen Namen. Als er beigetreten ist, haben wir Veto gemacht.

Troels: Veto basiert auf uns fünf – auf vier von uns und einem anderen.

Jens: Und ich denke die solide Konstruktion kommt daher, dass wir uns seit so vielen Jahren kennen. Man kann nicht einfach den Gitarristen entfernen und einen neuen einsetzen.

Troels: Genau.

Wenn ich an Dänische Bands denke, dann gibt es immer diese feste Struktur, es scheint kaum Änderungen in der Besetzung zu geben in den Bands, die ich kenne…

Troels [kopfschütteln]: Naja, die gibt es natürlich… Aber du hast recht, es gibt eine… Vielleicht denken dänische Bands nicht an ein Karriere Ding, wenn sie in einer Band sind, sondern mehr an etwas, das man aus einer Leidenschaft heraus macht. Und das heißt auch wenn man so viel Gefühl in ein Projekt investiert, dann schmeißt man nicht einfach so ein Mitglied raus und ersetzt sie. Ich denke eine Menge Bands – ich weiß nicht wie es in anderen Ländern ist -, aber eine Menge dänischer Bands sind um die Art wie die Leute miteinander arbeiten aufgebaut. Man kann darin nicht einfach jemanden ersetzen und die gleiche Band behalten. Man kann nicht einfach Menschen in einem Projekt ersetzen, das auf Gefühlen basiert.

Jens: Es ist nicht wie bei den Sugababes. [Gelächter auf allen Seiten]

Troels: Nein, nicht wie die Sugababes. Das ist eine vollkommen andere Band.

Jens: Das ist das komplette Gegenteil.

Troels: Jeder in den Sugababes wurde ersetzt.

Ich bin da nicht mehr auf dem Laufenden…

Troels: Aber das haben sie.

Gut, dass ihr es wißt.

Troels: Natürlich, wir kennen unsere Popmusik.

Habt ihr das Gefühl, dass Musik oder Kunst als eine Form des politischen Protests erniedrigt wird, weil es so viel davon gibt?

Troels: Natürlich wird Musik nicht mehr so oft auf die gleiche Art wie damals benutzt. Ich denke, du beziehst dich auf die 60iger und 70iger. Ich denke, es gibt noch genauso viel Politik in der Musik wie damals, es ist nur der Blickwinkel, der sich geändert hat. Es sind nicht mehr die großen Themen, es sind mehr die Sachen, die um dich herum passieren, die ebenso Politik sind und genauso wichtig wie die großen Themen. Ich denke, die Menschen sind jetzt realistischer und versuchen die Dinge um sich herum anzugreifen anstatt Dinge, die außerhalb ihrer Reichweite sind.

Auf mich wirkt es immer so, dass Musik als eine Form des Protests erniedrigt wurde, weil es so viel Musik gibt. Es gibt so viel Musik, dass es fast so wirkt als sei es das Fast Food der Kunst. [Lachen auf allen Seiten.] Wenn man sich zum Beispiel ein Gemälde ansehen will, dann geht man in ein Museum..

Troels: Ja, es ist ein Massenprodukt. Ich verstehe, was du meinst. Du hast recht. Es ist schwerer eine Aussage zu treffen und laut genug zu sein, weil es so viel Musik gibt. Der Markt ist gesättigt. Also, man kann nicht mehr hervorstechen.

Oder es ist schwer ohne sich selber dabei aufzugeben…

Troels: …oder ohne manchmal Kompromisse einzugehen.

Jens: Ich mag dein Bild „The Fast Food of Art“. [nochmal Gelächter]

Nicht für jeden, aber…

Troels: Nein, nein, es ist ok.

Jens: Hoffentlich braucht es ein wenig mehr Zeit unseren Hamburger zu machen und nicht nur ein Hamburger von McDonalds.

Wie habt ihr Jakob Printzlau für das Video zu „Spun“ gefunden?

Troels: Oh, naja, wir kennen Jakob seit einiger Zeit. Ich glaube, es war einer unserer Leute von Sony Denmark, der uns die Idee vorgestellt hat mit Jakob ein Video zu machen

VetoLive2Lars: Eigentlich haben wir mit ihm nach „Crushing Digits“ geredet. Er wollte ein Video machen und wir haben versucht es zu machen, aber dann kam etwas dazwischen. Es war auch der Sänger der Dänischen Band The Fashion. Sie hatten plötzlich viel mit ihren eigenen Sachen zu tun. Es war schon länger in der Pipeline und es war naheliegend. Und er ist selber Musiker. Wenn du das Video siehst, versuche darauf zu achten wie die Bilder am Anfang geschnitten sind. Sehr rhythmisch.  In der ersten halben Minute bis Minute folgt er dem Schlagzeug. Ich bin davon fasziniert, weil es wirklich gut ist.

Troels: Es ist nett, einen Musiker zu haben, der das Video macht, weil es eine Menge Dinge gibt, die man nicht erklären muss. Man muss nicht erklären, was man nicht will, weil er weiß was Musiker nicht als Video haben wollen.

Jens: Als wir es das erste Mal gesehen haben, war da ein wenig Humor. Wir hatten nie ein Video mit….

Troels: …mit Humor…

Jens: …irgendwelchem spaßigen Zeug.

Troels:  Es ist nicht so düster wie alles andere, was wir gemacht haben. Es ist nicht depressiv. Es ist ein Haufen Leute, die herum rennen und mit Waffen spielen.

Jens: Erwachsene Leute…

Troels: Erwachsene Leute, die im Wald spielen.

Jens: Du kannst es dir ansehen.

Troels [lacht]: Es ist passiert!

Vielen Dank für das Interview, Jens und Troels!

Und zum Abschluss noch das Video zu „Spun“, damit wir uns alle davon vergewissern können, dass es wirklich passiert ist:

https://www.vetonet.dk/

Interview & Live Fotos: Dörte Heilewelt