Es ist Hochsommer, als ich Erdmöbel treffe, um mich mit ihnen über ihr neues Album „Krokus“ zu unterhalten, das diese Woche erscheint. Trotz Hitze und Interviewmarathon sind Markus Berges, Ekimas, Proppe und Chris deWueb gut gelaunt. „Wir haben uns ja jetzt längere Zeit zurück gezogen, da ist es schön, mal wieder so viel Aufmerksamkeit zu bekommen“, sagt Ekimas, als wir uns setzen. Außerdem freut man sich. „Endlich eine Frau!“ Ich bin wohl die erste, die an diesem Tag zum Gespräch kommt. Und dann sind wir auch schon mittendrin.
„Krokus“ ist nach dem letzten Album „No. 1 Hits“ wieder ein Album mit eigenem Material von euch.
Markus Berges: Das war ein wichtiger Ansatzpunkt. Diese Coverei war eine schöne Entdeckung, ein bisschen eine Zufallsentdeckung über die erste Coverversion auf dem „Für die nicht wissen wie“ Album. Dann haben wir es aber ziemlich weit damit getrieben, muss man sagen. Das war allerdings das Vorhaben, wir wollten es auch sehr weit treiben.
Ekimas: Wir wollten eben auch Sachen machen, die wir nicht gut finden. Da sind ja auch Stücke drauf, die kein Mensch gut findet, die wir dann eben gespielt haben und die am Ende gut sein mussten. Das war schon eine lustige Erfahrung für uns. Aber dann… eigentlich war’s schön, wieder zurück zu kehren zu dem, was wir eigentlich können, nämlich selber Musik machen, die sich nicht daran orientiert, was es schon gibt.
Es heißt ja, ihr habt eine sehr bewährte Arbeitsteilung. Du, Markus, fängst an, schreibst die Stücke und Ekimas nimmt sie im Anschluss auseinander.
Ekimas: Ich hab das meistens nicht vor, aber ich mache etwas damit und gucke, wo mich das hinbringt, mit allem was dazu kommt an Instrumenten und so. Das ist nicht so geplant. Das Prinzip ist, dass überraschende Sachen passieren sollen. Man hört das hinterher an den Aufnahmen auch, dass da viele Sachen sind, die eben nicht so den Konventionen entsprechen. Wir haben ganz selten Sachen drin die man spielen würde, wenn man einfach nur klimpert. Es gibt oft welche da sind Reibungen, die haben da und dazu geführt. Man kann das vielleicht so schlapp erklären aber in Wahrheit ist es sehr irrational, was passiert, eine sehr emotionale Herangehensweise. Das Ganze dann auch noch mit dem Computer gepaart – ein Computer ist ja rein rational. Da kriegt man das Ganze knallhart dargestellt auf dem Bildschirm. Trotzdem sind ganz viele Sachen dabei wo ich denke, das weiß ich nicht, wie ich dazu gekommen bin, das ist ja komisch, ach du jemine! Die Sachen sind ganz anders geworden, als Markus sie vorgegeben hat, bis auf ein, zwei Aufnahmen.
Was ist beim Schreiben zuerst da: Der Text oder die Melodie?
Markus Berges: Meistens habe ich eine Melodie. Ich habe mich erst mal mit der Gitarre hingesetzte. Das Besondere war diesmal, dass Christian zusammen mit Eki Grooves aufgenommen hatte, die habe ich als Vorlage genommen. Dazu habe ich gespielt und Ideen gehabt. Das war schön, weil mich das auch auf andere Ideen gebracht hat, als ich sonst entwickelt hätte. Sonst wär vielleicht die eine oder andere Ballade mehr auf dem Album drauf gewesen. Das hat einfach das Tempo des Ganzen bestimmt. Es gab ein paar Sachen, wo ich erst einmal unabhängig am Text gearbeitet habe. Zum Beispiel „Arbeiten“ ist so eine Nummer, da hatte ich zwar eine ungefähre Vorstellung, hab aber auch separat am Text gearbeitet. Wobei dieser Text ja extrem spielerisch ist und mit Binnenreimen arbeitet. In der Regel ist also auch das Texten eine sehr musikalische Arbeit.
Ich muss zugeben wenn ich euch höre, höre ich natürlich, was Markus singt, löse mich aber automatisch vom Inhalt des Textes ab. Und freue mich dann, wenn so schöne einzelne Sätze zu mir durchdringen wie zum Beispiel „Das Haus hat geknistert und verpiss dich geflüstert.“ Könnt ihr das nachvollziehen, bzw. findet ihr das in Ordnung?
Ekimas: Das geht ja uns, die wir die Texte geschrieben haben genauso. Uns ist es recht, wenn man frei ist wenn man sie hört, weil es ist ja Musik. Dass man nicht am Inhalt klebt. Und ich glaube, wenn man den Text ein paarmal gehört hat, hat man den Inhalt dann ja doch mitgekriegt. Aber ich denke, dass man mehr so in eine unterbewusste Geschichte geraten sollte, wenn man Musik hört. Bei guter Musik ist das so. Bei deutschen Texten, die man ja plötzlich verstehen kann, wird oft erwartet, dass dann auch eine wichtige Parole verkündet wird, dass eine Direktive ausgegeben wird, dass man gesagt kriegt, was der Sänger meint. Dem haben wir uns immer verweigert.
Man kriegt bei euch oft das Gefühl, dass Ihr Euch sogar einen Spaß daraus macht auszutesten, was man alles singen kann. Wie weit kann ich gehen, was klingt alles gut, wenn man es singt?
Markus Berges: Ja klar. Das ist ja ein großer Spaß dabei. Zum Beispiel ein Wort wie Nordrhein-Westfalen zu singen. Das finde ich schon lustig in dem Moment, in dem es mir einfällt. Gleichzeitig soll es natürlich nicht nur lustig, sondern auch schön sein. Die Freude an einzelnen Wörtern, die in einem Song auszuprobieren. Auch wenn es jetzt schon viele Jahre deutsche Popmusik-Tradition gibt, ist ja das Schöne, dass so eigentlich kaum jemand arbeitet. Man kann da noch eine Menge ausprobieren.
Was bei „Krokus“ auch auffällt ist eine neue Energie, die ihr zum Teil in die Stücke einbringt. „Fremdes“ zum Beispiel bezeichnet ihr ja selbst als Euer Hasslied auf Köln. War das eine neue Erfahrung für euch, aus Wut heraus zu schreiben?
Markus Berges: Das war relativ neu, ja. Es war für uns auch wichtig, insgesamt bei dem Album, dass wir eine gewisse Grundaggressivität haben wollten. Bei „Fremdes“ ist sie natürlich sehr ausgestellt und das soll auch so sein, aber eigentlich ist sie aus meiner Sicht in allen Stücken drin. Das war für mich auch beim Song schreiben diesmal eine große Inspiration. So wie in „Fremdes“ haben wir das vorher noch nie gemacht. Es geht aber auch nicht darum, Wut einfach auszudrücken. Der wütende Impuls, auf den habe ich in dem Song zurückgegriffen. Also eher Wut zu erzeugen. Insofern würde ich jetzt auch nicht sagen, dass ich dieses Album aus Wut heraus geschrieben habe. Es ist nämlich so, dass ich ein Mensch bin, der eher zu viel als zu wenig Wut empfindet. Deswegen ist es für mich auch persönlich interessant, das zu tun.
Ekimas: Irgendwann waren wir in Köln unterwegs und haben erfahren, dass wegen des U-Bahn Baus das Stadtarchiv zusammengebrochen ist. Da waren wir wirklich tagelang sauer, wirklich total sauer. Das ist eine extreme Erfahrung, und einen Song darüber zu haben ist gut, das kann jeder nachvollziehen, egal ob er in Köln oder Wismar oder sonst wo lebt.
Parallel zu den Arbeiten am Album hast du, Markus, ja Deinen ersten Roman geschrieben.
Ekimas: Ja, und er war mit den Songs genau so schnell, als wenn er das Buch nicht geschrieben hätte. Genau so langsam, wollte ich eigentlich sagen (Gelächter).
Könnte es sein, dass dadurch, dass du im gleichen Zeitraum an einem Prosatext geschrieben hast, die Songtexte noch ein wenig spielerischer geworden sind als sonst?
Markus Berges: (überlegt) Gut, das könnte sein. Hab ich so noch nicht gedacht.
Ekimas: Ich glaube, er hatte einfach Bock dazu. „Sunrise“ zum Beispiel war eins der letzten Stücke, da ist er eben sehr weit gegangen damit.
Markus Berges: Insgesamt war der Ansatz bei diesem Album neben der Aggression, dass wir in einem positiven Sinne auch einfach mal loslassen wollten. Wir machen einfach genau das, was wir wollen. Auch beim Songwriting. Dass wir es nicht brechen wollten, dass wir nicht darüber nachdenken wollten ist das jetzt zu schwierig, zu unverständlich oder zu subjektiv.
Ekimas: Ich glaube allerdings nicht, dass die Platte dadurch schwieriger geworden ist. Eher einfacher. Überraschenderweise.
Markus Berges: Im Vergleich dazu war die Romanarbeit natürlich konzeptioneller, man brauchte einen längeren Atem. Insofern steht das vielleicht auf etwas gegensätzliche Art schon in einem fruchtbaren Zusammenhang.
Habt ihr jeder einen persönlichen Lieblingssong auf dem Album? Oder sogar einen gemeinsamen?
(Kurzes Schweigen, alle überlegen.)
Markus Berges: Eigentlich alle den gleichen.
Ekimas: Welchen denn?
Markus Berges: „Wort“ (… ist das falsche Wort).
Ekimas: Das stimmt. Was besonders anrührend für uns ist, ist „Wort…“. Als Produzent hab ich die Sachen ja alle 200 Mal gehört, und ich finde jedes einzelne Stück toll. Ich hab dafür gesorgt, dass ich sie toll finde. Ich hab auch wirklich keins zu oft gehört und mag es jetzt nicht mehr.
Interview: Gabi Rudolph
Der 17. September ist Erdmöbel Tag. Dann erscheint das Album „Krokus“ sowie Markus Berges‘ Debutroman „Ein langer Brief an September Nowak“. Außerdem geben Erdmöbel ihren Tourauftakt im Berliner Lido. Alle weiteren Tourtermine und das Video zu „Fremdes“ gibt es hier.
Fotos (c) Matthias Sandmann
Erdmöbel liegend (c) Ekimas