Am Ende war es war ein Abend mit einer Auswahl „erlesener Freunde“ im Stuttgarter Universum ‑ und das im doppelten Sinne, denn im Universum der Schwabenhauptstadt Stuttgart sind Clubs anscheinend immer besonders leer, wenn besonders interessante Leute besonders schöne Konzerte geben (siehe Bell X1 vor ein paar Monaten). Naja, es hatte geschneit und es war unwegsam – aber nächstes Mal sollten es die Stuttgarter(innen) besser wissen. Aber gehen wir chronologisch vor.
In Erwartung, dass ein auf dem Plakat so freundlich aussehender junger Mann sicher umgänglich sein muss, übten wir bereits vor Beginn schon einmal die Begnung mit dem Künstler des Abends; was sich lohnen sollte. Im leeren Club hatten sich die Fans brav im Halbkreis um die Bühne an die Wände und die Bar gedrängt und harrten geduldig der Musik, die da kommen sollte.
Das erste Highlight des Abends stellte Marie Fisker dar, persönlich von Helgi Jonsson angekündigt mit den Wünschen, dass ihre schöne Musik mit uns das machen möge, was schöne Musik mit uns zu machen pflege. Das gelang ihr dann mit den Songs ihres Debut-Albums „Ghost Of Love“ auch (nur Dänemark als Album zum anfassen, aber überall auf iTunes!). Dem Aufruf, näher an die Bühne zu treten folgten wir sofort, und Marie Fisker hat an diesem Abend wenigstens einen neuen treuen Fan gewonnen. Was ihre schöne Musik mit mir machte war, was seiner Zeit PJ Harvey mit mir machte – allerdings sanfter und mit mehr Geduld. Ein bisschen Country mit sternenklaren Nächten und knisterndem Lagerfeuer und laut Helgi Jonsson: ein bisschen „wie ein weiblicher Nick Cave, aber besser eigentlich … und dabei mag [er] Nick Cave“. Besonders schön sind Maries schöne Erscheinung und ihre schöne Stimme. Erster Teil des Abends: gelungen!
Kurze Umbaupause und Helgi Jonsson (mit Band!) betritt die Bühne und beginnt mit „I Am God“ und einem Kabelproblem mit dem sich wohl der echte Gott über diese Konkurrenz hier drunten zu beschweren schien (Interpretation des Sängers). Denn tatsächlich, es gelingt Helgi, mit seinen Englischen und Isländischen Songs und immer persönlicher werdenden Geschichten eine eigene kleine Welt zu kreieren. Zwischendurch hätte ich schwören können, dass er Elfenohren hat. Es war wie die erste Begegnung mit einem, von dem man sich nach ein paar Stunden „als Freund fürs Leben“ verabschiedet. Beginnend mit vorsichtigen Zwischenansagen auf Englisch, wechselte Helgi Jonsson dann ins Österreichische und gleichzeitig teilte er immer persönlichere Geschichten über Panikattacken und vergangene Liebe hin zu seiner neuen Verliebtheit, die ihn zurzeit in die Ferne treibt, auf so angenehme Weise, dass wir alle gefühlsmäßig näher rückten. Und tatsächlich trauten sich auch einige der ca. 25 Fans im Raum, sich langsam auf die Bühne zuzubewegen, um an dieser Nähe teilzuhaben (siehe Bein im zweiten Foto). Zweiter Teil des Abends: gelungen!
Aber mal abgesehen von der Atmosphäre, die es einem einfach machte bei diesem Konzert voll in die Musik einzusteigen, fiel auch bei diesem zweiten Sänger des Abends auf: er kann singen. Das zusammengenommen mit seiner schön anzuschauenden Spielweise (trotz eingerissenem Nagel) und dem umgehängten Keyboard, eine Hommage an ein „Keytar“, das er neulich bei einem anderen Konzert bewundert hatte, macht Helgi Jonsson zu einem wirklich besonderen Live-Musiker.
Am Ende sagt Helgi Jonsson, er mag exklusive Konzerte und bei der persönlichen Verabschiedung am Ausgang, für die er sich Zeit nimmt als gingen wir von seiner Geburtstagsfeier nach Hause, glaubt man ihm das auch. Man glaubt ihm auch, dass er es gerne sieht, wenn wir, seine gefühlten neuen Freunde, das nächste Mal jeder 10 von unseren alten Freunden mitbringen. Gerne tun wir das! Beim Abschied hätten wir wie viele andere mit einem Albumkauf gern zur Reisekasse für den Flug zur neuen Liebe beigetragen, aber leider haben wir schon alle Alben (ich hab dann ein Album von Marie Fisker gekauft, mit Signatur). Wir durften aber trotzdem seine Hand schütteln und hatten also am Plakat nicht umsonst geübt. Ein herzliches Ende für einen wunderschönen Abend voller Humor, Menschlichkeit und Gefühlen und einer perfekten Kombination zweier Musiker, den beim nächsten Mal hoffentlich mehr Leute miterleben dürfen.
Fotos (c) Karsten Krauskopf und Oren Bar-Tal