Mieze Katz hat an diesem Abend viel Liebe zu vergeben. Um 18 Uhr, eine Stunde vor offiziellem Einlass in die Berliner Columbiahalle, hat sie mit ihrer Band zum kleinen, exklusiven Meet & Greet gebeten. Die Fans, die gekommen sind, um Mia. endlich einmal aus der Nähe zu betrachten, sind ein bunt gemischtes Völkchen verschiedener Altersklassen. Eine Gruppe Mädchen, ungefähr im Teenager Alter, wird bei der Begegnung mit ihrem Idol emotional, es wird geschluchzt, Tränchen fließen. Mieze zögert nicht lang und geht die Situation ohne Umschweife an: es werden ausgiebig lange, herzliche Umarmungen verteilt, Tränen getrocknet und leise Gespräche geführt. Und wie sich im Gespräch mit Schlagzeuger Gunnar später herausstellt, haben Mia. über die Jahre hinweg immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sie als Band im Leben vieler Menschen eine emotionale Rolle einnehmen. Auch ich erzähle Gunnar, dass mein Mann mich einst bei einem Mia. Konzert zum ersten Mal geküsst hat. „Das hören wir in der Tat öfter,“ sagt er, wirkt dabei aber nicht so, als wäre er Geschichten dieser Art leid.
Der Grund, warum ich überhaupt bei diesem Meet & Greet dabei bin, ist meine neun Jahre alte Tochter. Man könnte quasi sagen, hätte es diesen Kuss auf einem Mia. Konzert im Jahr 2002 nicht gegeben, stünde sie heute vielleicht nicht neben mir. Wenn sie als Baby unruhig war und sonst nix mehr half, die ersten Takte von „Tanz der Moleküle“ wirkten damals Wunder. Heute hört sie gerne Mia. weil sie, wie sie selbst erklärt, die Texte mag und weil die meisten Lieder so schön abgehen. Und sie mag Mieze, die sie nicht zuletzt aus dem Fernsehen kennt, wo sie zum Beispiel im KiKa Format „Dein Song“ als Coach für junge Songschreiber tätig war und ihren Schützling zum Sieg der Staffel führte. Da erschien es mir Ehrensache, ein paar Mails zu schreiben und Telefonate zu führen, damit Mieze und Maus sich einmal kurz hallo sagen können.
Mieze ist fröhlich und herzlich. Auch meine Tochter wird gedrückt, so fest, dass es fast weh tut, wie sie mir hinterher erzählt. Für mich gibt es auch eine Umarmung und als ich meine Geschichte erzähle, wie mein Mann und ich uns kennengelernt haben, freuen sich alle. „Ist hier sonst noch jemand, der gerne zu ‚Tanz der Moleküle‘ einschläft?“ fragt Gunnar in die Runde.
So ist das mit Mia. Dass die Berliner Band polarisiert, hat sie jüngst in ihrer aktuellen Single „Nein! Nein! Nein!“ zusammen gefasst. Aber wer Mia. liebt, der tut es offensichtlich mit vollem Herzen. Anders lässt sich die emotionale Stimmung nicht erklären, die bei diesem kleinen, gemütlichen Treffen mit der Band am Merchstand herrscht. Mieze hat für jeden eine Umarmung, ein liebes Wort und sie wirkt dabei keinen Moment aufgesetzt oder sich verpflichtet fühlend. Und dafür, dass meine Tochter das Konzert in Ruhe genießen kann, hat sie auch eine Idee. Sie verspricht dafür zu sorgen, dass sie vorne im Graben stehen kann, zwischen Bühne und Absperrung, falls es ihr im Publikum zu eng wird.
Einer der Organisatoren zeigt sich diesbezüglich zurückhaltend – das müsse man erst mit der Security klären, ob das wirklich möglich sei bezweifelt er. Fünf Minuten bevor Mia. die Bühne betreten, läuft einer der Sicherheitsleute vorne an der Absperrung entlang und hebt alle Kinder, die sich in den ersten Reihen tummeln in den Graben. Meine Tochter sitzt den Großteil des Konzertes oben auf der Absperrung, direkt vor Miezes Mikrofon und beobachtet das Geschehen auf die für sie so typische, ernsthafte Art. Sie fängt einen Luftballon und hält ihn den Rest des Abends fest, um ihn ihrem kleinen Bruder mit nach Hause zu bringen. Sie zerplatzt die Seifenblasen zwischen ihren Händen, die Mieze aus Plastikpistolen abfeuert. Und sie hält wacker bis zur letzten Zugabe durch, obwohl sie zwischendrin zugibt, schon sehr müde zu sein. Zum Glück ist es ein Freitag Abend. Und zum Glück gibt es Bands wie Mia., die auch ihre jüngsten Fans so wunderbar ernst nehmen und alles daran setzen, sich selbst und ihrem Publikum einen unvergesslichen Abend zu bescheren. 2015 soll es endlich das lang erwartete neue Album und eine große Tour geben. Mutter und Tochter freuen sich bei uns im Hause gleichermaßen drauf. Und falls ihr es noch nicht wusstet: Mia. rockt!
Text: Gabi Rudolph