Das englische Quartett Wild Beasts kehrt mit dem Album „Smother“ funkensprühend zurück. Das atmosphärisch und weit klingende Neuwerk weiß mit Gänsehaut bereitender Intensität und dem Gefühl für besondere Finesse wieder einmal zu überzeugen. Sie sorgten bereits mit den Vorgängeralben „Two Dancers“ und „Limbo, Panto“ für viele Überraschungsmomente und ernteten mit ihrer auf Albumlänge festgehaltenen Aufrichtigkeit viel Lob. Der außergewöhnliche Falsettgesang von Sänger Hayden Thorpe sticht stets hervor. Doch handelt es sich bei „Smother“ trotz der zurückgenommenen Instrumentierung um das wohl positivste und wärmste Stück Musik, welches damit ein klarer Anwärter für die Jahres-Top 5 sein sollte.
„Die besten Bands verändern ihre Form“, meint Gitarrist Benny Little und dies kann man wohl auch über Wild Beasts sagen. Songs wie „Lion’s Share“, „Plaything“ oder auch die Single „Albatross“ sind fragile Wunderwerke für die Ewigkeit. Thorpe ließ sich einige erhellende Antworten auf Fragen zu dem wohligen Bettgeflüster entlocken.
Steht der Titel „Smother“ als generelles Statement für die Band oder ist er eher eine Zusammenfassung der Songs auf dem Album?
_Hayden Thorpe: Ich denke es ist beides. Unsere Band möchte immer den Zustand vollständiger Vertiefung erreichen. Es gibt dieses Gefühl etwas zu sehr zu lieben, fast bis zu einem gefährlichen Grad. Die Songs nehmen sich diesem an und beschreiben den Zustand. Wir wurden von dem Wort „smother“ angezogen, im Besonderen wegen seiner Dualität. Von Liebe bedeckt zu sein, kann eine glückselige Sache sein. Aber zu viel von einer guten Sache kann auch destruktiv sein. Wir existieren durch diese Extreme, die ineinander übergehen.
Wie erklärst du dir, dass „Smother“ entspannt und glücklich klingt, obwohl ihr mit der Arbeit am Album direkt nach der Wiederkehr von einer langen Tour begonnen habt?
_H: Es musste eine klare Entscheidung getroffen werden. Entweder konnten wir beklagen, dass wir einander nicht mehr sehen können und eine Normalität ersehnen oder aber das zelebrieren, was wir durchgemacht haben und die Schönheit des Alltäglichen romantisieren, nach der wir uns so sehnen. Von uns wurde letzteres gewählt. Wir fühlten uns zu ermächtigt und zu privilegiert in der Position zu sein, in der wir waren, um ein negatives Album zu machen. Es war viel Liebe, Lachen und Vertrauen beim Machen des Albums spürbar und ich bin stolz darauf, wie dies auf dem Album Übersetzung findet. Solch eine Atmosphäre kann nicht vorgetäuscht werden.
All die Songs auf „Smother“ sind sehr intim. Gab es Momente, in denen ihr dachtet, dass ihr etwas nicht aufnehmen könntest, weil es zu persönlich gewesen wäre?
_H: Nicht wirklich. Wir wachsen doch gerade durch Gefahr. Unsere Musik und der Schaffensprozess sind in vielerlei Hinsicht sehr kathartisch. So plünderten wir die Tiefen und versuchen Ehrlichkeit zu finden, egal ob dadurch hässliche oder schöne Wahrheiten zum Vorschein kommen. Im Wesentlichen gibt es viele selektive Wahrheiten auf dem Album und wir haben die Macht zu dieser Selektion.
Findet ihr durch die Arbeit an jedem Album ein bisschen mehr zu euch selbst?
_H: Manche von den Songs haben wir schon seit ungefähr zehn Jahren versucht zu machen. Sie wären jedoch nicht in Erfüllung gegangen, hätten wir nicht die Dinge durchgemacht, die wir durchgemacht haben. Also ja, in mancher Hinsicht kann man von persönlichen Entdeckungen sprechen. Aber Alben sind immer nur ein Zeugnis dessen, wer man ist und wo man sich in dem Moment des Schaffens befindet. Deshalb ist es so essentiell, neue Alben zu realisieren. Um sich immer wieder neu definieren zu können.
Im Besonderen „Bed Of Nails“ ist ein sehr romantischer Song. War es denn schwierig, über Liebe zu singen, ohne ins Kitschige abzudriften?
_H: Wir blicken auf Liebe von einem mehrdimensionalen Blickwinkel. Nichts ist jemals Schwarz und Weiß. Unsere Arbeit versucht, die Balance zwischen süß und sauer zu finden. Wenn die Schönheit überwiegt, muss dem durch eine Prise Brutalität entgegengewirkt werden und umgekehrt. „Bed of Nails“ suggeriert diese Dualität. Das Bett ist ein Ort der Liebe und der Gemütlichkeit und im Gegensatz dazu stehen die Nägel, als Element der Gewalt und des Leids.
„Smother“ ist mittlerweile euer drittes Album. Könnt ihr euch an bewährten stilistischen Strukturen orientieren?
_H: Es ist ein Segen zu wissen, wenn wir Vier einen Raum betreten, dass wir wie Wild Beasts klingen und niemand anderes. Wir versuchen immer mehr zu vereinfachen und zu verbessern, um einen dichteren Klang zu erzeugen. Wir wollen als Wild Beasts einfach nur besser werden. Dabei werden wir von dem geleitet, was auch immer uns dahin bringen mag.
Ist jede Aufnahme ein spontanes Ereignis oder nehmt ihr jeden Song sehr kontrolliert auf?
_H: Wir vertrauen mehr und mehr auf Spontanität und Zufall. Es sind die Elemente, die nicht kontrolliert werden können, die am Ende die spannendsten sind. Zu viel Kontrolle kann verwirrend sein. Je kleiner die Distanz zwischen dem anfänglichen Funken einer Idee und der Realisierung auf dem Album ist, desto kraftvoller und unverfälschter wird es klingen.
Ihr habt London gewählt, um Songs für das neue Album zu schreiben. Ist es nicht schwierig nicht abgelenkt zu werden in solch einer Metropole oder sich übersättigt zu fühlen durch all die Inspirationsmöglichkeiten?
_H: Es hat uns geholfen, in Großbritanniens Epizentrum zu sein, um ein Gefühl des Wettkampfs zu entwickeln. Wir hatten die Möglichkeit, über unsere Schultern zu schauen und zu sehen, was andere Leute so machen und haben darauf reagiert, in dem wir uns gesagt haben, dass wir ihnen zeigen wollen, wie man etwas richtig anpackt. Die Aufnahmen fanden aber in der Isolation, im bergigen Nord Wales, statt. Songs aufnehmen ist kein zeitlich klar definierbarer Arbeitsprozess. Wir haben Abstand und Dunkelheit benötigt, um wirklich eintauchen und diese Songs beurteilen zu können. Man muss die Welt des Albums bewohnen.
Siehst du Schwierigkeiten in der Live-Realisierung der neuen Songs?
_H: Ein paar, aber eine exakte Wiedergabe des Albumklangs ist nicht essentiell oder aufregend. Live kann man sich auf den direkten Zugang zum Publikum verlassen, der es ermöglicht, eine Idee zu übertragen. Das Fleisch und Blut des Songs wird vorhanden sein, nur vielleicht nicht jedes kleine Detail. Es ist trotzdem der gleiche Genpool, die gleiche DNA. Es sind auch immer unsere Finger und Hände, die die Klänge erzeugen. Das ist für uns unerlässlich.
Wieso denkst du ist es ein Segen, den Status als Außenseiter in der Musikszene zu haben?
_H: Es bedeutet Frieden, den Vorteil, überraschen zu können und überraschend zu bleiben, nicht urteilen zu müssen sowie die Leichtigkeit, unseren Fuß in jedes Feld zu setzen, das uns gefällt. Wir fühlen keine Verantwortung. Ich würde nirgendwo anders sein wollen.
Interview: Hella Wittenberg
„Smother“ ist am 06.05. auf Domino Records erschienen.