Broilers – Ein Phänomen zwischen neuer Platte und der alten Leier vom Ausverkauf

Broilers+Santa+Muerte+CoverSie waren jung, sie kamen aus dem Düsseldorfer Fast-nichts, sie trugen zerschlissene Jeans und dreckige Shirts und sie hatten die Worte „Punk-Attitüde“ und „Oi“  in großen krakeligen Buchstaben auf ihrer Revoluzzer-Fahne geschrieben. 1992 begannen Andi Brügge und Sammy Amara mit Clash und Pistols- Punk, siedelten mit neuen Weggefährten wenige Zeit später in die antirassistische Skinhead- und Rudeboy-Szene über und haben seit den Kindertagen der Band mehr als nur kleine Schritte gemacht zu dem Sound, den die Broilers inzwischen ihr Eigen nennen können. Die Zeiten, in denen die Gründungsmitglieder ihren altbackenen Vorbildern nacheifern, zu denen in logischer Konsequenz auch die Toten Hosen gehören, sind lange vorbei. Zu eigenwillig ist der Stil und zu dicht ist der Abstand im Kielwasser. Das fulminante Jahr 2010 hat es bewiesen: Erst der Rock am Ring-Ritterschlag und dann die ausverkaufte Tour mit 3500er Abschiedskonzert in Oberhausen (Achtung: nicht Düsseldorf) haben es auch den letzten Zweiflern gezeigt und Kritikern das belächelnde Grinsen aus der Visage gespielt. Dank des großen Rückhalts in der Szene, konnte die Band diese Tour auch mit einem drei Jahre alten Album spielen. Ein Phänomen.

Auch äußerlich haben sie sich gewandelt, die Herren (und Ines) haben sich in feineren Zwirn gehüllt. Mit weißen Shirts, Hosenträgern, Schlips und Pomade im Haar präsentiert man sich nun gerne in Mafiaposen. Sogar die Kippe wird stilecht gehalten. Den passenden Soundtrack dazu liefern sie mit  ihrem skalastigen „Woke Up This Morning“ – Soprano Cover auf der „Ruby Light & Dark“-EP  (2008) selbst. Der kommerzielle Turning-Point in der Bandhistorie.

Als ob es nicht bei jeder Band die ewig gleiche langweilige Leier wäre, gibt es natürlich (wie kann es anders sein) auch in diesem Fall Stimmen, die der Band, mit zunehmendem kommerziellen Erfolg, Ausverkauf und Verrat von Idealen vorwerfen (Anmerkung des Autors: Ein Euro für jedes Mal, dass ich diesen Satz im Zusammenhang mit einer Band lesen musste und ich wäre ein gemachter Mann mit Schlips). Dabei sind sich die Düsseldorfer mehr als bewusst woher sie kommen und wem sie den Erfolg zu verdanken haben. Von Ausverkauf kann da keine Rede sein. Weiterentwicklung wird weder verleugnet noch verschwiegen, sondern vielmehr lyrisch thematisiert, denn mit Kritik geht man nach irakisch- rheinländischer Tradition (Sammy Amara hat irakische Wurzeln) offen  und selbstreflektiert um.

„Mein Mini-Me von vor 15 Jahren würde aktuell keine BROILERS hören“ (S. Amara)

Anlass zu dieser „Kritik“ bietet aktuell das neue Album der Broilers „Santa Muerte“, das wieder über das szenenahe Düsseldorfer Punklabel People Like You vertrieben wird. Feurig, aber musikalisch wenig innovativ, spinnt man den Faden, den der Vorgänger „Vanitas“ eingefädelt hat, weiter fort, allerdings sind die sich im Gewässer aus Punkrock, Rockabilly, Soul und Ska tummelnden Melodiebögen noch eine Stufe  runder und ausgefeilter. Es tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Opener und erste Singelauskopplung „Harter Weg (Go!)“ geben den Kurs des Albums direkt beim metaphorischen Auslaufen vor.  Ganz „Fluch der Karibik“-like feuern die Broilers auf ihrem Weg nach Santa Muerte aus allen Kanonen. Bläser, die das Latin-Ska-Feeling aus Übersee direkt ins heimische Wohnzimmer pusten, runden nicht nur diesen Track ab.

Songs wie „Tanz du noch einmal mit mir?“ und „Schwarz, Grau, Weiß“ folgen diesem Beispiel und kommen ebenso Hymnenhaft daher, wie die Mitgröll-Klassiker „Schenk mir eine Blume“ und “In 80 Tagen um die Welt“ von älteren Veröffentlichungen. Die auf Live- Konzerten üblich freigesetzte Energie wurde in den Sack gesteckt, ins Studio geschleppt und mit Hochdruck auf Vinyl gepresst.Broilers 2011

Experimentiert und herumgeschraubt wird nur in feinen Nuancen. Mal um eine Mandolinen Komponente („In ein paar Jahren“) erweitert, mal wird etwas Ziehharmonika hinzuaddiert, das Bild glänzt durch Stringenz und Konformität.

Textlich geht es in erster Linie um gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse aus der Bandgeschichte, negative wie positive, aber immer mit Augenzwinkern und mit gewollt viel Raum für eigene Interpretation. „Santa Muerte“ mangelt es weder an klaren Aussagen noch an der Präzision, mit der die Broilers diese Position vertreten. Ein Blatt vor den Mund zu nehmen ist nach wie vor nicht ihr Stil und als Punk darf man das ja auch nicht.

Die Nähe zur Szene, die über die langen Jahre aufgebaute Leidenschaft und der Kampfgeist haben sich ausgezahlt, man hat sich durchgebissen und ist den harten Weg (Go!) gegangen. Weit entfernt vom Undergroundstatus spielen sie mit „Santa Muerte“ nun endlich bei den großen Jungs mit, auch wenn es machen Fans nicht gefallen wird.

Gehört von: Ben Grosse-Siestrup

„Santa Muerte“ erscheint am 10. Juni auf People Like You.

www.broilers.de