Offensichtlich haben nicht nur wir uns bei unserer Anreise zum Hurricane Festival gnadenlos verfahren. Die schottische Electronic Band CHVRCHES schaffte es am Freitag nur äußerst knapp zu ihrem Auftritt auf der Zeltbühne. Und trotzdem gaben uns Lauren Mayberry, Iain Cook und Martin Doherty, gerade mal eine halbe Stunde bevor es auf die Bühne ging, entspannt, gut gelaunt und interessiert ein Blitzinterview. Dabei haben wir genau das erfahren, was wir gerne hören wollten – Ende des Jahres machen die drei sich an die Aufnahmen zu ihrem zweiten Album.
Was macht ihr sonst eine halbe Stunde vor eurem Auftritt?
Lauren: Interviews geben! (Gelächter)
Wenn man so viel unterwegs ist wie ihr, hat man da noch Heimweh?
Lauren: Wir sind sehr froh darüber, dass wir an so vielen Orten spielen können, schon so früh in unserer Bandgeschichte. Ich weiß nicht, ob „Heimweh“ es gut trifft, eher „Freier-Tag-Weh“… Ende des Jahres werden wir uns ausruhen. Na ja, ausruhen und ein neues Album machen (lacht).
Martin: Wenn man jeden Abend nach Hause geht und im eigenen Bett schläft, wird es fast so etwas wie ein normaler Job. An dem, was wir in den letzten Monaten gemacht haben, ist nichts normal.
Wie geht man damit um, wenn man anfängt, die ersten Singles zu veröffentlichen und plötzlich geht es so schnell nach vorne wie in eurem Fall?
Iain: Wir hatten wirklich großes Glück. Dass wir unsere ersten Sachen online veröffentlicht haben, hat uns sehr geholfen, uns international zu etablieren. Wir haben in den letzten Jahren überall auf der Welt gespielt und uns damit eine gute Basis geschaffen. Angst hatten wir dabei nie wirklich, den Druck, der manchmal damit verbunden ist, blenden wir ganz gut aus. Ich denke, man kann sich von so etwas schon überwältigen lassen, aber so sind wir nicht. Wir konzentrieren uns jeden Tag auf das, was gerade ansteht und versuchen unser Bestes zu geben.
Ende des Jahres wollt ihr euch also an neues Material wagen. Wie arbeitet Ihr besser, lasst ihr es lieber entspannt angehen oder braucht ihr das Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen?
Iain: In einer perfekten Welt hätte man immer genug Zeit das zu tun, was man tun muss. Aber in Wirklichkeit denke ich, dass es besser ist, wenn man eine gewisse Struktur und damit auch etwas Druck hat. Seitdem wir angefangen haben, hat unser kreativer Prozess sich entwickelt. Man muss Dinge ausprobieren. Wie weiß man, dass etwas nicht funktioniert, wenn man es nicht probiert hat? Inzwischen können wir, während wir auf Tour sind, schon mal Ideen in den Raum werfen, dann dauert es nicht mehr ewig, wenn wir uns einmal an die Aufnahmen machen.
Das heißt, ihr schreibt auch während ihr auf Tour seid?
Lauren: Lange haben wir es nicht gemacht, weil tagsüber einfach immer viel zu tun ist. Man macht Sessions, Interviews, Soundcheck… da bleibt auch nicht so viel Platz im Kopf übrig. Wenn dann sammeln wir kleine Ideen, die wir uns gegenseitig zusenden, damit hat man schon mal einen Anfang und es fällt einem nicht ganz so schwer, wieder rein zu kommen, wenn man nach der Tour wieder ins Studio geht. Es ist schwierig, aber irgendwo muss man ja anfangen.
Wie schafft ihr es, einen elektronischen Sound zu erzeugen, der trotzdem Wärme und Tiefe hat?
Martin: Für mich kommt es daher, dass wir uns sehr auf das klassische Songwriting konzentrieren. Für mich ist es das, wodurch man sich mit Menschen verbindet. Worum geht es? Um Worte und Melodien. Das, was man drum herum baut, kommt erst an zweiter Stelle. Dance und Electronic Music kann kalt und seelenlos sein, aber das muss nicht sein. Guck Dir eine Band wie Depeche Mode an. Man muss einfach versuchen, seine Gedanken zu transportieren und nicht einfach nur einen Sound zu kreieren.
Interview: Gabi Rudolph
Foto (c) Universal Music