Vor knapp einen Monat haben wir Bianca Casady zusammen mit ihrer Schwester Sierra als CocoRosie gesehen (hier nachzulesen). Jetzt kam Bianca mit ihrem Soloprojekt zurück nach Berlin, „Porno Thietor“ heißt die Tour. Wenn man sich vorher nicht weiter mit dem Thema Bianca Casady and the C.I.A. beschäftigt hat, wundert man sich ein wenig über die Bestuhlung des Heimathafens in Neukölln. Es war eine spontane Entscheidung, den Abend mit der CIA zu verbringen, einfach mal überraschen lassen, keine Erwartungen haben. Es sollte eine Konzert-Performance werden. Die Band hat zwei Ausführungen ihres Auftritts im Repertoire: einmal rockig, eher für Festivals und dann theatralisch. An diesem Abend wurde es die Theaterversion.
Vorne auf der Bühne steht mittig eine Leinwand, links davon ein Ständer mit einem verschlissenen, aufgeschlagenem Buch, rechts ein Hocker. Weiter hinten sind die Instrumente am Rand der Bühne aufgebaut, wie in einer Arena ist in der Mitte Platz für den Kampf. Ein Mann mit freien Oberkörper und Schlaghose betritt die Bühne. Das Gesicht versteckt unter einer Mütze und Schleier, die ein wenig an die Kopfbedeckung ohne Zipfel des Ku-Klux-Klan erinnert. Er setzt sich auf den Hocker, schlägt die Beine übereinander und silberne Peeptoes blitzen hervor, stilecht getragen mit rot/rosa Socken. Es verspricht ein außergewöhlicher Abend zu werden. Ein paar Minuten später folgt die Band und eine Art Stummfilm mit sehr groben Pixeln und musikalischer Untermalung beginnt.
Nach ein paar Liedern wird die Leinwand weggeräumt. Licht erhellt die Bühne. Bianca Casady trägt ein weißes Kleid, schwarze Schürze, einen Hut, links und rechts hängt ein schwarzer Schleier raus. Sie wirkt wie eine spanische Witwe. Der Tänzer und Choreograph des Stücks, Bino Sauitzvy, verlässt zwischendurch immer wieder die Bühne um in neue bizarre Kostüme zu schlüpfen. Meistens trägt er eine Maske, die an das japanische Kabuki Theater oder porzellanene Puppengesichter erinnert. Einmal sieht er aus wie eine alterne Pippi Langstrumpf mit Pünktchennachthemd und Perücke mit zwei Zöpfen an der Seite, im Tanz einen Hauch von Jugendlichkeit. Ein anderes Mal ist er der traurige Clown. Es gibt keine Pausen zwischen den Songs, keinen Zwischenapplaus, nach 45 Minuten geht der Vorhang zu, die Backgroundsängerin lugt nochmal hervor um 15 Minuten Pause zu verkünden.
Manchmal erinnerte die Band an die Swing-Ära, besonders die Backgroundsängerin sah ein wenig wie Charlie Chaplin aus. Casady wiederum hatte ein bisschen was von Björk. Das Ganze war dann unterlegt mit schwarz-weißen Filmaufnahmen, die zuweilen leicht verstörend, dann wieder gespenstisch wirkten. Manchmal gingen die Bilder auch einfach unter, weil auf der Bühne davor so viel los war.
Die Geschichte hinter dem Stück hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Es schien wie ein einziger bizarrer Albtraum zu sein. Die Qualen nach der Trauer? Selbstfindung? Bei einzelnen Songs gab es kurze Lichtblicke und am Ende, als „das kleine Mädchen“ mit blutverschmierter weißer Strumpfhose und weißem Nachthemd sich im Kreis drehte und Casady irgendwas von Engeln sang, schien es Erlösung zu geben.
Anfang des kommenden Jahres erscheint dann Bianca Casadys Soloalbum, das eben diese düstere Musik enthält. Wer sich selber einen Eindruck von der Konzert-Performance schaffen will, kann das noch auf den folgenden Terminen und sich den Trailer ansehen:
15.11.15 Frankfurt – Mousonturm
17.11.15 Köln Kulturkirche
18.11.15 München – Kammerspiele
19.11.15 Wien – Brut
Worte und Foto: Dörte Heilewelt