Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass seit gefühlten 20 Jahren in regelmäßigen Abständen das mehr oder minder heiß ersehnte Revival der 80er Jahre kommt. Jenem Jahrzehnt also, das neben Modefehlgriffen, stilprägenden Vorabendserien und mondän überkommener Grundhaltung die Welt um Begriffe wie Synth-Pop, New Wave und Romance erweiterte. Und gerade jetzt, wo mit den Briten von „Hurts“ und ihrem momentan allgegenwärtigen „Wonderful Life“ ein weiteres Mal die klangliche Wiederkehr des Kalten-Kriegs-Jahrzehnts ausgerufen wird, werfen wahre Ikonen der damaligen Zeit ihren Hut in den Ring: OMD.
14 Jahre sind nach ihrem letzten Lebenszeichen vergangen („Universal“) – nimmt man es genau, sogar mehr als 20 Jahre, denn 1986 erschien mit „The Pacific Age“ die letzte gemeinsame Platte und 1988 mit „Dreaming“ die letzte Single in der ursprünglichen Besetzung des Orchestral Manoeuvres in the Dark. Neben Malcolm Holmes und Martin Cooper kehrte auch das musikalische Mastermind Paul Humphreys seinem Freund Andy McCluskey den Rücken, überließ diesem aber die Namensrechte an OMD. McCluskey produzierte in den 90ern noch drei viel beachtete und erfolgreiche Alben, ehe er das endgültige Ende der Band besiegelte. Fortan widmete er sich als Produzent der Girl-Group „Atomic Kitten“, während Humphreys sich beruflich (als „Onetwo“) und privat mit Claudia Brücken (Ex-„Propaganda“) zusammentat.
Nun haben wir es angeblich der RTL-Chartshow zu verdanken, dass sich die mittlerweile in ihren besten Jahren befindlichen Briten wieder zu einer gemeinsamen Arbeit zusammengefunden haben. Für eine 80er-Jahre-Ausgabe der Sendung trafen Humphreys und McCluskey wieder aufeinander und beschlossen recht bald, eine Reunion Tour und ein neues Album auf den Weg zu bringen. Ab 17. September rotiert nun das Album „History of Modern“ auf den Plattentellern der Welt, und ganz unverkennbar und ohne Pathos gewinnen OMD die Deutungshoheit in der neuzeitlichen Pop-Elektronik zurück!
Das von Ihnen selbst produzierte und von Mike Crossey gemixte Album beschert schon beim ersten Hören einen gewollten, aber durchaus sympathischen Wiedererkennungseffekt. Und auch wenn wir hier Stil-Ikonen der 80er Jahre vor uns haben, wirkt das Ganze zeitgemäß und alles andere als angestaubt. Sicher – die Herren arbeiten in ihren Songs mit Selbstzitaten und Anlehnungen an andere Größen der letzten Pop-Jahrzehnte, doch sie entwickeln sich weiter und geben allem eine eigene, unverbrauchte Note.
Einstieg in das Werk ist das gitarrengeprägte „New Babies: New Toys“, das – vielleicht auch weil es an den Anfang gesetzt wurde – ein wenig an die Art erinnert, wie Gore, Fletcher und Gahan von Depeche Mode ihre aktuellen Alben einleiten. Ein wenig ungewohnt vielleicht für OMD, aber damit auch der Beweis, dass man sich durchaus auch auf ein neues Feld wagt: Bässe, Rock und Elektronik im Zusammenspiel funktionieren! Mit „If You Want It“ dann gleich eine wirklich typische OMD-Hymne, die interessanterweise aber auch wie eine Reminiszenz an McCluskeys 90er Solo-Arbeit („Walking On The Milky Way“) wirkt.
Das titelgebende „History Of Modern“ schließt sich in zwei sich nur bedingt ähnelnden Parts an. Die Orchestrierung im ersten Teil eingängiger, im zweiten Teil doch schon ein wenig abgehobener (inklusive abschließender Kirchenglocken), dank der immer noch voll ausgeprägten, warmen und auch live sicheren Stimme des mittlerweile 51 Jährigen McCluskey aber nie völlig die Bodenhaftung verlierend.
Aretha Franklin und OMD zusammen in einem Track: das ist „Sometimes“ – ein zunächst ungewöhnliches Stück, das aber – wie die gesamte Platte – bei mehrmaligem Hören reift. Es hat ein bisschen was von Moby, der Gesang unaufgeregt, ein wenig entrückt, schwermütig. Die folgenden Stücke „RFWK“ und „New Holy Ground“ gleiten dann flüssig, aber vielleicht zu ruhig an einem vorbei. Hier hätte mehr von der klassischen OMD- Melancholie und Tiefe (a la „So in Love“ oder „If you leave“) nicht schlecht gewirkt.
Das sich anschließende „The Future, The Past, And Forever After“ holt den Hörer dann aber wieder aus der Trance und kommt mit treibenden Beats absolut tanzbar daher. An manchen Stellen des Albums schimmert die unumgehbare Pionierarbeit von Kraftwerk durch. Hier ist es der zugartige Grundrhythmus, wie man ihn auch aus „Trans Europa Express“ kennt.
Wenn man den typischsten OMD- Song der Platte benennen sollte, dann ist es „Sister Marie Says“. Viele Fans haben in diesem Track die erste Single-Auskopplung gesehen. Er erinnert unweigerlich an „Enola Gay“ und das ist auch der Grund, warum er erst heute – 30 Jahre nach dem er entstand – in kräftig aufpolierter Form den Weg auf ein Album gefunden hat. Wenn also „Sister Marie Says“ der Song ist, der am ehesten OMDs Vergangenheit repräsentiert, dann ist „Pulse“ der Titel, der am ehesten für Ihre Zukunft steht: zeitgemäß, anders, geradezu sexy lasziv.
Recht unaufgeregt, aber garniert mit einigen netten Soundeinfällen, kommen dann „Green“ und „Bondage of Fate“ (im ¾-Takt) daher. Die Platte verliert leider zum Ende hin konzeptionell ein wenig an innerer Spannung, vielleicht hätte eine andere Anordnung der Titel dem Songfluss etwas besser getan.
„The Right Side?“ beschließt dann aber recht versöhnlich das Album mit einer abermaligen Anlehnung an Kraftwerk und das eigene Schaffen in den 90ern – das ist stimmungsvoll und kehrt noch einmal deutlich den hohen elektronischen Anspruch heraus, dem „History of Modern“ in seiner Gesamtheit mehr als gerecht wird!
Freuen wir uns auf den November: OMD live in 7 deutschen Städten!
11.11.2010 Köln, E-Werk12.11.2010 Hannover, Capitol
13.11.2010 Leipzig Haus, Auensee
15.11.2010 Stuttgart, Theaterhaus
16.11.2010 München, Tonhalle
18.11.2010 Berlin, Tempodrom19.11.2010 Hamburg, Docks
Gehört von: Thomas Matthes