Gehört: King Krule „Man Alive!“

In Archy Marshall aka King Krule muss eine wirklich alte Seele wohnen. Hört man die Stimme des 25-jährigen Süd-Londoners, würde man ihm glatt noch mal das doppelte an Jahren drauf packen, wenn man es nicht besser wüsste. Angst, Verlassenheit und Elend prägen jeden Ton. Manchmal klingt es, als würde Archy sich die Eingeweide aus dem Laib lamentieren.

Dabei verarbeitet King Krule auf seiner dritten Platte „Man Alive!“ ein ganz wunderbares Ereignis. Mitten in den Aufnahmen erfährt er, dass er zum ersten Mal Vater wird. Es geht nicht mehr nur noch darum wie man die Langeweile, die das Leben in der Grossstadt manchmal mit sich bringt versucht zu ertränken. Abends im Pub, mit seinen Freunden, denen es ähnlich geht. Viele King Krule Songs auf den letzten beiden Platten handeln von dieser selbst durchlebten Tristesse. 

Dieses einschneidende Ereignis in Archys Leben, das mit einem Umzug aufs Land verbunden ist, ist wahrscheinlich ein Glücksfall, um nicht weiter im Sog von Alkohol und Dumpfheit zu versinken, wie er selbst reflektiert:

“It was just the easiness of it. There really is nothing else to do here, especially when it turns to winter. Everyone I know has jobs, whereas I’d sit on my arse all day sometimes not doing anything, then I’d go to the pub with them when they finished work. It became a bit habitual. Then, right in the middle of the record, this big change came in my life that I didn’t really comprehend initially. It was like, ‘Oh, I’d better get my shit together!’ To be honest, I was really glad to get away from all that so I could focus on more pressing matters – like keeping a child alive and stuff.”

Die erste Single „(Don’t Let The Dragon) Draag On“ dokumentiert die finalen Momente dieser exzessiven Zeit und die Suche nach Veränderung. Auf einmal sind es die wesentlichen Dinge, die wichtig werden und auf die man sich plötzlich fokussiert. Verpackt in Post-Punk Klänge, die eindringlicher kaum sein können. Auf „Man Alive!“ spielte King Krule fast alle Instrumente selbst ein. Er ist nicht nur mit einer der interessantesten Stimmen auf der englischen Insel gesegnet, sondern auch mit einer ganzen Menge musikalischem Talent. Die dramatischen Erzählungen sind unterlegt von Soundteppichen aus Anrufbeantwortern und Nachrichtensendungen und formen so collagenartige Songs. Zum einfach mal nebenbei hören ist das Album zu intensiv. Man muss sich schon ganz auf das musikalische Werk einlassen. Sollten wir uns nicht viel öfter mal wieder ein bisschen Zeit nehmen und uns so richtig auf die Dinge einlassen? „Man Alive!“ bietet die allerbeste Gelegenheit dazu. Archy Marhsall ist und bleibt ein Geschichtenerzähler. Wir werden beobachten, wie sich seine Geschichten mit der Zeit verändern.  Er selbst sieht sich bereits mit inhaltlichen Veränderungen konfrontiert:

“More and more I’ve been put off by the intention of speaking about what’s going on in society as a black-and-white thing, or trying to get to the bottom of why we’re in this position. So the album is mostly made up of snapshots and observations. There are a lot of real-time-and-place moments, songs talking about walking through the park just over there and getting a head injury, then there are other tracks which are just simplicity, looking at one particular situation and reflecting on it as somehow being super-profound.”

Wer King Krule live sehen möchte, sollte sich schleunigst ein Ticket für sein Berlin Konzert sichern:

King Krule live:

08.03.2020 Columbiahalle, Berlin

www.kingkrule.net