Jade Bird im Interview: „Die Leute können noch einiges über mich erfahren“

Im Herbst letzten Jahres gewann Jade Bird beim Reeperbahn Festival den Anchor Award, der auch 2017 wieder an eine*n erfolgversprechende*n Nachwuchskünstler*in verliehen wurde. Während der Verleihung saß Jades Mutter auf dem Platz genau vor mir. Die Freude, die im Lager Jade Bird bei der Verkündung des Gewinners durch die Jury (bestehend aus Producer-Legende Tony Visconti, Shirley Manson und Emily Haines) ausbrach, war wunderbar ansteckend. Und als Jade zum Abschluss der Verleihung ihren Song „Lottery“ performte war spätestens klar, dass dort eine würdige Gewinnerin steht. Den Charme, den die 20 jährige Engländerin versprüht, spürt man aber schon im ersten Moment wenn sie die Bühne betritt. 2018 soll nun Jade Birds großes Jahr werden. Sie hat ihrer neue Single „Lottery“ herausgebracht und arbeitet an ihrem ersten Album, dem Nachfolger zu ihrer Debüt EP „Something American“. Wir stellen euch die (be)merkenswerte Künstlerin im Interview schon einmal vor.

Im Oktober letzten Jahres hast du beim Reeperbahn Festival den Anchor Award als beste Nachwuchskünstlerin verliehen bekommen.

Verrückt ist das alles! Ich hätte nicht gedacht, dass ich gewinne. Seitdem ist eine Menge passiert. Ich habe meine Single „Lottery“ raus gebracht. Das ist ein Song, der fast wie ein Zufall zu mir gekommen ist. Ich hatte noch Zeit im Studio und habe ein bisschen herumgespielt. Die Akkorde sind mir quasi aus dem Himmel in den Schoß gefallen. Der Text ist sehr persönlich (lacht).

Und wir geht es dir jetzt, ein paar Monate später?

Sehr gut! Über Weihnachten habe ich mir eine kleine Auszeit genommen, ich war zwei Wochen auf der Isle of Wight. Ich bin verliebt (lacht)… Mein Freund hat Freunde die auf der Insel leben, wir haben Silvester dort verbracht. Für dieses Jahr fühle ich mich also entsprechend optimistisch. Meine erste EP „Something American“ hatte einen etwas düsteren Vibe. Der Song „Lottery“ entspricht viel mehr dem, wie ich mich im Moment fühle. Entsprechend bunt ist auch das Artwork und das Video geworden.

Die Isle of Wight ist ein großartiger Ort, finde ich. Ich war letzten Sommer dort.

Wirklich! Wunderbar, oder? Sie hat etwas sehr beruhigendes. Wobei mein Freund mir erzählt hat, dass man früher Geisteskranke dort untergebracht hat. Es ist ein Ort mit einer seltsamen Geschichte und wenn man das im Hinterkopf hat, fällt einem auch auf, dass man zum Teil dort skurrile Charaktere trifft. Mein Freund hat es mir erzählt als wir auf dem Weg dorthin waren und ich dachte okay, vielleicht bleiben wir lieber die meiste Zeit im Haus (lacht).

Aber jetzt liegt 2018 noch relativ frisch vor dir und du hast bestimmt eine Menge Pläne.

Ja, Ende des Jahres werde ich hoffentlich mit meinem Album fertig sein, spätestens Anfang nächsten Jahres. Ich bin zu ungefähr 70 Prozent fertig damit. Mir ist aber wichtig, dass am Ende alles richtig gut zusammen passt und ich nicht einfach irgendwelche Songs zusammen schustere. Dass es auch zu mir passt, wie ich jetzt bin, mich in diesem Moment als Künstlerin repräsentiert. Ich bin sehr aufgeregt. Außerdem werden wir natürlich im Sommer jede Menge Festivals spielen und ein paar Singles herausbringen. Es ist ein bisschen verrückt, wenn man sich mit den Songs so viel beschäftigt vergisst man manchmal, dass man sie da draußen noch nicht kennt. Die Leute können noch einiges über mich erfahren.

Bis ein Song wirklich raus kommt, hat man ja schon eine lange Reise mit ihm durch. Machst du dir manchmal Sorgen, ob die Songs dich zu dem Zeitpunkt, an dem sie raus kommen, auch wirklich noch repräsentieren, wie du gerade gesagt hast?

Ja, absolut. Es ist unterschiedlich. „What Am I Here For“ von meiner letzten EP ist zum Beispiel ein Song, der für mich heute immer noch sehr relevant ist. Die Bedeutung der Songs für mich selber ändert sich auch manchmal. Manche wiederum fühlen sich für mich heute überholt an. Meine Stimme klingt zum Teil auch höher, weil ich einfach noch viel jünger war. Bei manchen Demos denke ich, ich klinge noch wie ein Kind (lacht).

Wie alt bist du jetzt?

Ich bin kurz nach dem Reeperbahn Festival zwanzig geworden.

Und wann hast du mit dem Musik machen angefangen?

Als ich 12 oder 13 war habe ich angefangen Gitarre zu spielen, das war ein bisschen der Startschuss. Der Exfreund meiner Mutter hat Gitarre gespielt. Es hat mich fasziniert wie er gespielt hat, es hat sich für mich sehr magisch angefühlt.

Du spielst auch Klavier. Was benutzt du mehr zum Songschreiben?

Die Gitarre. Als ich jünger war, hatte ich klassischen Klavierunterricht. Das hatte nicht so viel mit dem zu tun was ich heute mache, den ersten Song am Klavier habe ich deshalb vor ungefähr zwei Jahren geschrieben, viel später als mit der Gitarre… was war gleich nochmal die Frage? Ich muss mir angewöhnen direkter zu antworten. Also: ich schreibe mehr Songs auf der Gitarre (lacht).

Ach was, das musst du nicht, du bist genau so ganz bezaubernd.

Demnächst sage ich nur noch ja und nein (lacht).

Du wirkst auf jeden Fall sehr glücklich im Moment.

Das bin ich!

Du bist ja auch verliebt, wie du vorhin sagtest.

Oh ja, ich werde langsam eine richtige Romantikerin. Wobei, das war ich eigentlich schon immer. Aber meine Songs fangen schon an ganz anders zu klingen. Vorhin lief Chet Baker in der Lobby, ich habe mich sofort ganz erhaben gefühlt.

Aber ist es nicht schwieriger Songs zu schreiben, wenn man so glücklich ist? Viele Künstler sagen das.

So ist es, ja. Diesen Monat bin ich wieder dazu übergegangen, einen Song am Tag zu schreiben. In letzter Zeit habe ich es etwas lockerer angehen lassen und mich nicht gezwungen so viel zu schreiben. Ich brauchte das. Und ich brauchte „Lottery“, um mich zu repräsentieren. Jetzt bin ich wieder voll drin. Ein Song am Tag.

Wirklich, ein Song am Tag?

Ja! Ich glaube für alles Gute, was man kreiert, braucht man Disziplin. Songschreiben ist eine schwierige Kunst. Deswegen habe ich auch absoluten Respekt vor Popmusik. Alben wie Alanis Morissettes „Jagged Little Pill“ oder Bruce Springsteens „Born In The USA“ – das sind so unglaublich gut geschriebene Alben!

Lustig, ich muss zugeben ich habe erst neulich „Born In The USA“ zum ersten Mal von vorne bis hinten durchgehört. Und dachte dabei, da ist ja wirklich nur ein Kracher nach dem anderen drauf.

Es ist das absolute Traumalbum. Wenn du das geschrieben hast, lachst du dich für den Rest deines Lebens ins Fäustchen. Ich glaube, wenn du in diesem Business überleben willst, musst du dich immer weiter entwickeln. Schau dir David Bowie an, er hat auf seine Art in jedes Zeitalter gepasst. Ach, bei ihm ging das noch viel weiter, er hat es sogar mit definiert!

Woher nimmst du die Inspiration für deine Songtexte?

Ich versuche nicht zu viel über Beziehungen zu schreiben (lacht). Ich lasse mich gerne von einzelnen Wörtern inspirieren. „Cathedral“, „Lottery“… Wörter können für mich ein ganzes Konzept in Gang setzen. Ich liebe es so zu arbeiten. Wichtig ist vor allem, dass einem nie langweilig wird.

Interview: Gabi Rudolph & Finn Hackenberg

www.jade-bird.com