Gehört: Broken Social Scene „Hug of Thunder“

Eins ist gewiss: den Preis für den Albumtitel des Jahres haben Broken Social Scene schon mal in der Tasche. Wer sich da nicht auf der Stelle nach einer donnernden Umarmung sehnt, dem empfiehlt sich ein Besuch beim Kardiologen. Aber so waren Broken Social Scene schon immer und so sind sie, nach über sieben Jahren Kreativpause, zum Glück immer noch. Die Gegenbewegung zur die Rockmusik so oft beherrschenden Coolness. Ein bisschen die unhippen Hippies der kanadischen Alternativszene. Sowohl das Bandkonstrukt als auch die Message, die die Musik von Broken Social Scene unterfüttert, fußt auf elementaren menschlichen Werten: Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt. „Hug of Thunder“, eben.

Der von Leslie Feist gesungene Titelsong (auf deren Idee auch der Albumtitel beruht) ist das  beste Beispiel. Soundgewordene Zärtlichkeit, die sich nie in Kitsch und Sentimentalitäten verliert, stattdessen nahezu heimlich, hinten herum, mit unglaublicher Kraft daher kommt. Der Wunsch nach Zusammenhalt, diese emotionale Stärke des Kollektivs sind es, die „Hug of Thunder“ letztendlich auf den Weg gebracht haben. Trotz zahlreicher anderer Verpflichtungen und organisatorischer Probleme hat man nach vielen Jahren, in denen der Fortbestand von Broken Social Scene, von sporadischen Konzerten abgesehen, in der Schwebe war, wieder zusammen gefunden. Das macht „Hug of Thunder“ gleichzeitig auch zu einem Befreiungsschlag. Vor allem die beiden Masterminds, Kevin Drew und Brendan Canning, machen wenig Hehl daraus, dass man an den Irrungen und Wirrungen der modernen Musikindustrie schon mal verzweifeln kann. Ein Großteil der Mitglieder von Broken Social Scene sind auch solo oder in anderen Projekten aktiv: von Feist mal ganz abgesehen gibt es da noch Emily Haines, Kopf der Rockband Metric oder Amy Millan, die gerade erst mit ihrer Band „Stars“ eine neue Single heraus gebracht hat. Allein all diese Leute auf einen Haufen zu kriegen, mag kein einfaches Unterfangen zu sein. Aber wenn man da ist, dann ist man da. Und macht Musik heraus aus dem Herzen, für all die offenen Herzen da draußen.

„Hug of Thunder“ ist trotz all dem kein schwieriges Album geworden. Es lässt in seinen Texten Raum für Düsterheit, es ist melancholisch und macht kein Hehl aus den Widrigkeiten, die das heutige Leben bestimmen. Aber es ist der Faden der Zuversicht, der die einzelnen Songs miteinander verbindet. Wenn auf die Desillusionierung, die in „Skyline“ besungen wird, das wunderbar beschwingte „Stay Happy“ folgt. Oder wenn es in „Gonna Get Better“ heißt: „Things are getting better, because they can’t get worse“. Die Songs von Broken Social Scene sind die Freunde, die man braucht, wenn es einem so richtig scheiße geht. Und sie sind, im Rahmen ihres Indie-Universums, letztendlich auch verdammt gut geschriebene Popsongs.

Broken Social Scene gehören zu den Bands, die, wenn man sich ihnen öffnet, einen Lebenssoundtrack liefern können. Deswegen ist es auch nicht nötig, dass sie sich von Album zu Album neu erfinden. Diese Mischung aus Zärtlichkeit und Energie, aus dem Sphärischen und dem Hymnischen, die ist Broken Social Scene in den vergangenen Jahren nicht abhanden gekommen. Im Gegenteil, sie wirkt auf „Hug of Thunder“ fast organischer denn je. Es ist das Vertraute, dieses einladende Universum, das man an ihnen schätzt. Es gibt dort immer einen Platz für einen, man muss ihn nur beanspruchen.

VÖ: 07.07.2017 auf City Slang

Gehört von: Gabi Rudolph

http://brokensocialscene.ca