Ganz zum Schluss kommt dann noch Hugh Jackman. So richtig klar war zuerst nicht, ob er der Deutschlandpremiere seines neuen Filmes „Logan“ beiwohnen würde, wurde er doch kurz zuvor zum bereits sechsten Mal wegen Hautkrebs operiert. Und irgendwie wirkt der Hollywood Star, den man ja eher als muskelbepackten Wolverine vor Augen hat (vor allem wenn man vorher den Film gesehen hat, in dem er mit seinen Metallklauen mal wieder deftig um sich haut, sticht und schlitzt), bei der Pressekonferenz etwas schmal im Gesicht. Aber auch sehr gutlaunig und liebenswert. An seiner Seite Sir Patrick Stewart, der seinen Auftritt in Berlin für eine flammende Rede gegen den drohenden Brexit nutzt. Brexit, nicht Breakfast, wie er sich lachend korrigieren muss.
Es ist ein schöner Abschluss für die diesjährige Berlinale, ein bisschen Kehrausstimmung im Pressesaal, der am nächsten Tag noch die Konferenz mit den Bärengewinnern beherbergt und dann bis zum nächsten Jahr eingemottet wird. Da ist es wieder, dieses romantische Gefühl, das mich, gepaart mit etwas Melancholie, ergreift, als ich durch die Potsdamer Platz Arkaden Richtung S-Bahn und damit nach Hause schlappe. Ein Ort, den ich wirklich nur zur Berlinale Zeit gut ertragen kann. Ab Montag ist er dann wieder den üblichen Shopping-Zombies vorbehalten.
Ich hatte ja vorab bereits das Gefühl, dass es eine etwas ruhigere Berlinale werden könnte, und insgesamt sollte ich mit dieser Vermutung Recht behalten. Bei so mancher Pressevorführung zur Hauptzeit im Berlinale Palast konnte ich sogar einzelne freie Plätze erspähen, das war im letzten Jahr eher eine Seltenheit. Auch stimmt es schon, dass dieses Jahr etwas weniger Staraufgebot auf dem roten Teppich herrschte. Dass aber selbst bei einer Pressekonferenz mit Sienna Miller, Robert Pattinson und Charlie Hunnam zu „The Lost City of Z“ ganze Stuhlreihen frei bleiben, hat mich dann doch etwas erstaunt. Bester Satz hier, gleich zweimal gehört: „Ich soll nur ein Foto für meine Tochter machen“. Vielleicht lag es auch daran, dass das groß angekündigte Abenteuer-Epos über den Dschungelforscher Percy Fawcett mit wenig Action aufwartet sondern weitaus gemächlicher als der Amazonas dahin plätschert. Es schien dieses Jahr etwas schwieriger als sonst, Publikum wie Presse in euphorische Stimmung zu versetzen.
Mir persönlich tat die weniger aufgeheizte Stimmung nach den Strapazen des letzten Jahres ganz gut. Nur in den Filmbeiträgen selber hätte es manchmal weniger gemächlich zugehen können. Im Nachhinein setzt sich das Gefühl fest, dass es tatsächlich eher wenig wirklich aufregende Filme zu sehen gab, aufregend in welcher Hinsicht auch immer. Thomas Arslan bewies mit seinem Vater-Sohn-„Drama“ „Helle Nächte“ zum Beispiel, dass man einen Film mit eigentlich gutem Thema und Potential für große Bilder komplett daneben setzen kann. Umso ärgerlicher, da er immer wieder vielversprechende Handlungsfäden auswirft, die aber allesamt im Staub der norwegischen Landstraßen versanden, über die er seine Protagonisten sich in quälend langen, immer gleich wiederkehrenden Bildern fortbewegen lässt. Ähnlich frustrierend auch der brasilianisch/portugiesische Wettbewerbsbeitrag „Joaquim“, der die Geschichte des brasiliansichen Nationalhelden Joaquim José da Silva Xavier ebenfalls mit dem völligen Fehlen eines annähernd spannenden Handlungsfaden erzählt. Zwei Filme, bei denen man gut zwischendurch weg nicken und gefühlt an der selben Stelle wieder aufwachen konnte. Dass Georg Friedrich für „Helle Nächte“ den silbernen Bären als bester Darsteller mit nach Hause nehmen durfte, kann man nur schlucken, weil er auch in Josef Haders wiederum sehr unterhaltsamen Regiedebüt „Wilde Maus“ zu sehen war, dort obendrein auch noch um einiges stärker als als nöliger, permanent schlecht gelaunte Vater in „Helle Nächte“.
Dafür gab es in der „Perspektive Deutsches Kino“, in die mehr und mehr der deutschen Filme während der Berlinale verbannt werden, ein paar Perlen zu entdecken, die tatsächlich Potential für den Wettbewerb gehabt hätten, wie „Die beste aller Welten“ von Adrian Goiginger oder „Die Tochter“ von Mascha Schilinski. Zwei gut beobachtete, zwischenmenschlich schmerzhafte Filme, die Eindruck hinterlassen und einen noch lange beschäftigen.
Aber es reichen ja auch wenige Highlights um mich nachhaltig glücklich zu machen, vor allem wenn sie derart rein knallen wie Ildiko Enyedis „On Body and Soul“ und Aki Kaurismäkis „The Other Side Of Hope“, die beide zum Glück auch einen Bären mit nach Hause nehmen durften, „On Body and Soul“ sogar den goldenen Königsbären. Dass ein Film der große Gewinner ist, der sich derart intensiv mit den urmenschlichen Tugenden Mitgefühl und Liebe beschäftigt, hinterlässt ein gutes Gefühl und schließt wohltuend den Kreis meiner Liebesgefühle zu Beginn des zehntägigen Filmmarathons. Nächstes Jahr dann wieder mehr Wodka und Exzesse. Und vielleicht auch wieder mehr spektakuläre Beiträge im Wettbewerb. Für dieses Jahr war das schon in Ordnung so.
P.S.: Lars Eidinger lässt beim Platten auflegen übrigens nicht mehr die Hosen runter. Dafür trägt er jetzt Goldzähne und einen Plüschaffen auf der Schulter. Dazu ein Glas Champagner und ein bisschen mit den Füßen zappeln, passt. Man kann es ja auch nicht die ganzen zehn Tage ruhig angehen lassen.
Auf der Berlinale unterwegs: Gabi Rudolph
www.berlinale.de