Roosevelt im Interview

Roosevelt_1_BrianVu_CitySlangMarius Lauber, besser bekannt unter dem Künstlernamen Roosevelt, ist seit Jahren ein Begriff in der Elektropop-/Dance Szene – und das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wir haben uns mit ihm zum Interview getroffen und uns mit ihm über sein selbstbetiteltes Debütalbum „Roosevelt“ (City Slang, VÖ 19.8.), das kreative Chaos sowie seine Zukunftspläne unterhalten.

Gerade ist dein Debütalbum auf den Markt gekommen. Die Vorabkritiken waren durchweg sehr positiv. Wie geht es dir gerade so?

Es ist fast schon absurd, dass es jetzt so weit ist, weil die Vorlaufzeit unfassbar lange war… Ich bin nicht wirklich aufgeregt, aber ich glaube, dass es sich letztendlich doch seltsam anfühlen wird…

Was hast du denn für Erwartungen an den Albumrelease? Oder lässt du einfach alles auf dich zukommen?

Man hat ja keine andere Wahl, als alles auf sich zukommen zu lassen. Trotzdem bin ich nicht immun gegen negative Kritiken. Viele sagen ja, dass sie das nicht kümmert, aber damit muss man erstmal umgehen. Bisher hatte ich das Glück, dass selbst die negativsten Kritiken keine wahnsinnig schlimmen Verrisse waren. Aber es ist schon so, dass wenn z. B. bei Konzerten jemand auf mich zukommt und sagt, das fände er nicht so cool, dann macht man sich schon Gedanken. Es gibt natürlich letzte Befürchtungen, dass das nicht funktioniert, aber ich bin da eigentlich relativ entspannt. Aber ich habe eigentlich keine großen Zweifel daran, dass mit dem Album alles nochmal ein bisschen größer wird. Ich sehe das ja auch an den Konzerten im Oktober. Wir spielen nicht mehr in den 200er Clubs, sondern in Locations, die Platz für 500 Personen bieten.

Du hast alle Songs auf „Roosevelt“ selbst geschrieben, aufgenommen und produziert. Wie kann man sich den Entstehungsprozess vorstellen?

Tatsächlich war es ein totales Chaos. Es war eben nicht so, dass es wie bei einer Band abläuft, wo man erst einen Haufen Songs schreibt, damit ins Studio geht und die einzelnen Instrumente dann nach und nach aufnimmt: Schlagzeug, Bass, Gitarre, Vocals…, sondern es war alles durcheinander. Das heißt, bei dem einen Song nehme ich gerade Schlagzeug auf, beim anderen die Vocals, den nächsten schreibe ich gerade erst… Diese Mischung hat mir aber immer schon gefallen, weil man je nach Laune in eine andere Rolle schlüpfen kann. So kann man beispielsweise bei einer Schreibblockade stattdessen einfach einen anderen Song abmischen und produzieren oder andersrum, wenn einem das zu langweilig wird, kann man sich wieder in diesen etwas manischeren Zustand des Schreibens begeben.

Wie genau entstehen deine Songs? Hast du erst eine Melodie im Kopf oder beginnt alles mit einem Rhythmus oder einem Textfragment?

Es gibt eigentlich kein klares Muster. Das einzige was bei mir relativ häufig vorkommt ist, dass eine gewisse Textzeile schon mit einer Melodie oder Akkordfolge verbunden ist. Dies geschieht dann relativ intuitiv. Ich habe noch nie mit irgendeiner Formel Songs geschrieben. Der Kern von einem Song, zum Beispiel bei „Colours“ die Hook „When you left you took your colours with you“ hatte schon von Anfang an mit den Akkorden eine Art Symbiose. Ich setze die Songs nicht Baustein-mäßig zusammen, sondern man muss im Studio fast schon Standby-mäßig warten, bis man solche Momente hat. Die ehrlichste Antwort ist eigentlich, dass ich es manchmal selber gar nicht sagen kann, wie genau meine Songs entstehen. Wenn mir eine Idee kommt, bin ich erst einmal manisch dabei, diese Idee in den Computer zu bekommen oder die Instrumente aufzunehmen. Da läuft viel auch unterbewusst ab. Man will da etwas vertonen, was nicht wirklich bewusst passiert. Ich glaube: Umso wissenschaftlicher man an Songwriting herangeht, desto schlechter werden die Songs. Man muss auf jeden Fall eine emotionale Ebene zulassen.

Hast du eigentlich einen Lieblingstrack auf dem Album?

Auf dem Album selber macht jeder Song Sinn für mich, so dass ich hier keinen hervorheben kann. Aber wenn wir live spielen, ist auf jeden Fall „Colous“ immer ein Favorit, weil das für mich ein Spagat ist zwischen einem Clubgefühl und einem Poprefrain. Dieses Gefühl versuche ich bei vielen Songs auf dem Album rüberzubringen.

Du lebst in Köln und nicht in Berlin. Welche Rolle spielt die Stadt für dich in deinem kreativen Arbeiten?

Ich habe mich noch nie so verbunden zur Kölner Szene gefühlt und ich finde auch nicht, dass man meine Musik zum „Sound of Cologne“ zählen kann, wie es ja oft heißt. Was ich aber an Köln mag ist dieses Familiäre und den guten Überblick über diese Stadt: Man weiß genau, wer wo sein Studio hat und wer mit wem zusammenarbeitet. Dass die Musikszene relativ klein ist hat den Vorteil, dass die Grenzen zwischen den verschiedenen Stilen nicht so starr sind. Dadurch machen die Technoleute viel eher etwas gemeinsam mit einem Rockgitarristen, es ist alles eher vermischt als zum Beispiel in Berlin. Natürlich gibt es das dort auch, aber es ist viel schwieriger, wenn man in der Technoszene drin ist, Kontakt zu einer Band herzustellen. Dort gibt es viel mehr Lager, die in sich gut funktionieren. In Köln bin ich ja vor 3-4 Jahren bei COBRA im Studio aufgenommen worden. Das wäre in größeren Städten wohl nicht so schnell passiert, dass Technoleute jemanden wie mich – als Rock-/Indiekid – aufnehmen und das Produzieren beibringen.

Wie würdest du deinen Stil selbst beschreiben? Denn du wirst ja immer wieder in verschiedene Kategorien gesteckt…

Ein Genre möchte ich auch selber nicht nennen, da es immer schon Teil von Roosevelt war, auf verschiedenste Art und Weise wahrgenommen zu werden. Deswegen finde ich es auch gerade gut, wenn einige Leute meinen Stil als House beschreiben, andere als Indie usw… Ich kann nur sagen, dass ich auf dem Album versucht habe, Musik zu machen, die elektronische Wurzeln hat und die in der Clubkultur verankert ist, die aber in einer Bandbesetzung umgesetzt wird.

Du bist in einer Kleinstadt in NRW aufgewachsen. Ich gehe davon aus, dass dort auch deine musikalischen Anfänge liegen. Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich habe mit ca. 15 angefangen, E-Gitarre zu spielen, weil das sehr angesagt war bei uns in der Klasse. Wir haben ein paar Bands gegründet und in verschiedenen Kombinationen eine Weile lang zusammen gespielt. Aber man hatte keine großen Ambitionen auf Tour zu gehen oder eine Platte rauszubringen, das war rein hobbymäßig. Ich bin dann ein bisschen zwischen den Instrumenten hin und her gewandert und habe Bass, Gitarre und Schlagzeug gespielt. Vielleicht war das im Nachhinein wichtig für mich, um ein Gespür für jedes Instrument zu bekommen, was ich jetzt in meiner eigenen Produktion anwenden kann.

Spielst du noch mehr Instrumente?

Ich spiele Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard – Das sind auch die Instrumente, die auf meinem Album vorkommen. Ich habe aber große Lust, wieder ein neues Instrument zu lernen, am liebsten ein Blasinstrument. An „Moving on“ war ein Saxophonspieler beteiligt, das habe also nicht ich eingespielt. Daher würden mich insbesondere Trompete oder Saxophon reizen. Geige würde ich auch gerne spielen können, obwohl das jetzt gar nicht so sehr zu meiner Musik passt…

Du hast musikalisch schon sehr viel erreicht, bist viel unterwegs, auch international. Gibt es überhaupt noch Ziele, die du in diesem Bereich verfolgst?

Es gibt natürlich für mich spannende Märkte, auf denen ich bisher noch nicht wirklich getourt habe, zum Beispiel Australien und Japan oder auch Asien allgemein – Das ist für DJs relativ gut erreichbar, weil sie schnell mal rüberjetten können. Für uns als Band ist es natürlich schwieriger. Das wäre mal ein musikalisches Ziel, was mir so vorschwebt.

Stichwort Tour: Im Herbst kann man dich live sehen. Worauf können wir uns freuen?

Ich habe schon immer versucht, auf eine relativ dynamische Art und Weise elektronische Musik umzusetzen, daher stehe ich auch mit kompletter Bandbesetzung auf der Bühne. Das ist der Hauptgrund, warum unsere Shows so aufregend sind. Wir spielen viele Songs auch anders als auf dem Album. Wir lehnen uns oft mehr in einen Song rein, wenn wir merken, dass das Publikum mitgeht. Bei uns bekommt man keine 1:1 Version des Albums, sondern es kommt ein ganz neues Element mit dazu.

Was machst du lieber? Songs schreiben, aufnehmen und produzieren oder live performen?

Tatsächlich mag ich den Austausch von beidem: unterwegs sein auf Festivals und dann ins Studio gehen und wieder kreativ sein. Ich könnte nicht ohne das jeweils andere.

Für Künstler ist es heutzutage sehr wichtig auf diversen Social Media Kanälen präsent zu sein. Wie wichtig ist dir das, gerade auch der direkte Austausch mit den Fans?

Ich versuche, über Social Media ein bisschen Transparenz reinzubringen und den Leuten zu vermitteln, wie ich im Studio arbeite. Trotzdem bin ich da ein wenig vorsichtig und versuche, das Werk als solches nicht rechtfertigen zu müssen. Einige Sachen möchte ich doch gerne offenlassen. Ich poste auf Instagram zum Beispiel nicht jede Stunde, wo ich gerade bin oder was ich esse. Denn es gehört ja bei einem Künstler dazu, dass es etwas gibt, das größer ist als der Alltag. Als ganz extremes Beispiel kann man hier David Bowie nennen, der hatte ja dieses Außerirdische, Übermenschliche. Er ist für mich auch immer noch das Ideal eines Popstars. Genau das fasziniert mich an der Popmusik und ich glaube, das geht teilweise durch zu viel Interaktion mit den Fans verloren. Deswegen versuche ich da, eine ordentliche Balance hinzubekommen.

Gerade David Bowie ist ja auch ein gutes Beispiel dafür, sich immer wieder neu zu erfinden und Bühnenpersönlichkeiten zu kreieren. Im Grunde machst du ja etwas Ähnliches. Auf der Bühne stehst du als Roosevelt, hier sitzt du als Marius.

Ja, das stimmt. Es ist jetzt aber nicht so, dass wenn man mich auf der Bühne anspricht auf eine schizophrene Person treffen würde. Aber durch die Verwendung eines Künstler Alter Egos bekomme ich als Produzent eine gewisse Distanz. Denn als Produzent ist es ja meine Aufgabe, mir Gedanken zu machen, wie der Künstler auf einem Album klingen soll. Daher hilft mir das, mit ein bisschen Abstand über den Künstler Roosevelt nachdenken zu können. Darüber hinaus erleichtert es mir, auf der Bühne in diese Figur reinzuschlüpfen und zu performen, ohne dass mich das persönlich zu sehr berührt, wenn mal etwas schiefläuft.

Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus?

Mittlerweile kann ich irgendwie ganz schlecht irgendwo Urlaub machen. Selbst wenn ich die Zeit hätte, kann ich dabei nicht wirklich entspannen. Ein perfekter Tag für mich ist, wenn ich zum Beispiel abends an tollen Orten auflegen und den Tag davor genießen kann. Ich habe vor kurzem auf Korsika aufgelegt. Diese Umgebung, wo man mal kurz so tun kann als sei man im Urlaub, und dann aber am Abend trotzdem kreativ am Start sein zu können und auflegen zu dürfen, das habe ich am liebsten. Ich glaube, so einen Ausgleich brauche ich immer. Auch ein Festivaltag kann ziemlich perfekt sein. Beim Melt! waren wir vor unserer Show nachmittags schwimmen, danach gut essen und als Krönung kam abends unser Auftritt – besser geht es nicht!

Wer Rooesevelt live erleben will, hat an folgenden Terminen dazu die Gelegenheit:

31.08.2016 Berlin – Pop-Kultur Festival
18.09.2016 Darmstadt – Golden Leaves Festival
14.10.2016 München – Strom
15.10.2016 Leipzig – Werk 2
17.10.2016 Köln – Stadtgarten
18.10.2016 Hamburg – Übel & Gefährlich
29.10.2016 Düsseldorf – New Fall Festival

Interview: Marion Weber

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