Leon Bridges ist einer dieser jungen Menschen, die auf bewundernswerte Weise wie aus der Zeit gefallen wirken. Nicht nur scheinen seine fünziger Jahre Vintage Anzüge ihm wie auf den Leib geschneidert, auch seine Stimme legt sich perfekt über die altmodischen Soul Songs, die der gerade mal 26 Jahre alte Texaner für sein Debütalbum „Coming Home“ geschrieben hat. Wie er zu seinem Style gefunden hat, obwohl er, wie er zugibt, früher nie Sam Cooke gehört hat, hat uns Leon bei seinem ersten Berlin Besuch im Interview erzählt. Und wer jetzt neugierig geworden ist, sollte sich unbedingt einen seiner kommenden Tourtermine in den Kalender schreiben. Es lohnt sich!
Du hast bei hier in Berlin deine erste Deutschlandshow gespielt. Wie war es für dich und wie gefällt dir Berlin?
Es ist großartig hier! Die meiste Zeit war ich sehr beschäftigt und konnte nicht so viel sehen, aber das was ich gesehen habe gefällt mir wahnsinnig gut. Die Show war auch toll. Tolles Publikum. Es hat sich sehr gut angefühlt.
Du hast eine sehr beeindruckende Stimme!
Danke!
Ich habe gehört, dass du eine Weile gebraucht hast sie für dich zu entdecken.
Ja, als ich angefangen habe Songs zu schreiben war das alles noch ganz anders. Ich habe mich mehr für Alternative und modernen R’n’B interessiert. Aber das hat irgendwie nicht so richtig Klick gemacht. Irgendwann habe ich einen Song über meine Mutter geschrieben. Ein Freund von mir hat mich daraufhin gefragt, ob Sam Cooke eine meiner Inspirationen wäre. Ich hatte nie wirklich Sam Cooke gehört, ich wusste zwar wer er war aber mehr auch nicht. Danach habe ich angefangen mich richtig mit ihm zu beschäftigen. Da wusste ich, Classic Soul, das ist es, das ist die Musik, die ich für mich schreiben muss.
Was hast du denn früher so gehört?
Ach, mehr so Sachen wie Ginuwine, Usher, Dru Hill…
Ich bin ja in den Achtzigern aufgewachsen, da waren die angesagten Styles alle zukunftsorientiert. Seit einigen Jahren nun schon scheint der Retrotrend in vielen Dingen kaum aufzuhalten. Was glaubst du, warum interessieren sich immer mehr Menschen für Musik und Design aus früheren Jahrzehnten?
Ich denke, viele zeitgenössische Musik ist heutzutage überproduziert. Einfachheit ist etwas, wozu die Menschen deshalb schnell eine Verbindung kriegen. Fast alle Menschen lieben Classic Soul, weil er direkt von Herzen kommt. Aber viele Menschen waren nicht da, als diese Musik aktuell war und freuen sich, wenn junge Menschen sich ihrer annehmen und sie zurück bringen. Dadurch wird sie sowieso zeitlos.
Es geht ja auch nicht darum, diese früheren Trends einfach zu kopieren, sondern seine eigenen Interpretation dessen zu finden.
Absolut!
Das ist auch in deiner Musik der Fall. Was ziehst du aus der Vergangenheit und was ist es, das du als Persönlichkeit hinein bringst und die Songs somit zu deinen ganz eigenen machst?
Die Art wie ich singe und die Texte die ich schreibe entspringen natürlich direkt meiner Persönlichkeit. Aber auch die Struktur der Songs ist für mich sehr „Leon Bridges“. Natürlich ist es offensichtlich dass ich Inspiration aus der Vergangenheit ziehe. Aber woher man kommt, die eigenen Wurzeln, das wird immer eine Rolle spielen. „Coming Home“ war der erste Song bei dem ich gespürt habe, dass es so funktioniert. Ich hatte viel ausprobiert, aber da war schnell klar, das ist etwas Besonderes. Ich habe über ein Jahr an ihm gearbeitet. Richtig fertig ist er erst geworden als wir ins Studio gegangen sind.
Wie war das, als du schließlich mit deinem Songs im Studio warst?
Das war letztes Jahr im August. Wir hatten nur sehr wenig Zeit. Am Ende haben wir acht Songs in drei Tagen aufgenommen. Dann war ich erst einmal eine Weile auf Tour und die nächste Möglichkeit alles fertig zu stellen war im Oktober. Wir haben versucht „Coming Home“ und „Better Man“ noch einmal aufzunehmen aber das hatte nicht das gleiche Feeling wie bei den ersten Aufnahmen. Das was du auf der Platte jetzt hörst sind also tatsächlich zum Teil diese frühen, rohen Aufnahmen.
Heute liest man im Zusammenhang mit dir gerne als erstes, wie viele Label hinter Dir her waren, als Du das Album schließlich fertig hattest.
Das war auch wirklich so, total verrückt. All diese Labels wollten mich auf einmal unter Vertrag nehmen. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in so einer Position sein würde.
Wie trifft man in so einer Situation denn die richtige Entscheidung? Wer hat dir dabei geholfen?
Mein Management hat mich dabei unterstützt. Sie wussten, was meine Ziele als Künstler sind und konnten mir nahelegen, wer mir was bieten kann und was die Kehrseite eines bestimmten Vertrages sein könnte. Das hat mich alles wahnsinnig nervös gemacht. Ich wusste, jetzt wird es ernst, ich werde wirklich bei einem Label unterschreiben! Natürlich hätte ich mich mit meiner Musik auch für ein Indie Label entscheiden können. Aber das Gute an einem Label wie Columbia ist, dass sie mit ihrer Arbeit die Möglichkeit haben, das was meine Band und ich tun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf diese Weise kann meine Musik um die Welt reisen und genau das soll sie tun. Ein Indie Label hat dafür andere Möglichkeiten, jeder arbeitet anders. Für mich hat es sich vom ersten Tag an wie Zuhause angefühlt. Sie sind nach Fort Worth gekommen und wir haben uns in einem meiner Lieblingscafés getroffen. Ich habe meine Gitarre mitgebracht und ihnen ein paar neue Songs vorgespielt. Es war das reinste Klischee (lacht).
Und jetzt bist du hier! Im Nachhinein betrachtet, hat es sich wie ein langer Weg angefühlt oder ging es sehr schnell?
Einerseits habe ich viel Zeit und Energie rein gesteckt einfach überall zu spielen wo ich konnte. Das hat sich manchmal angefühlt als hätte es lang gedauert. Aber eigentlich ist es vom ersten Tag an jeden Tag einfach nur besser geworden. Neue Möglichkeiten haben sich eröffnet. Alles ist immer noch neu für mich. Klar, ich kann Songs schreiben und singen, aber es ist etwas anderes, wenn man es plötzlich vor tausend Leuten macht. Also irgendwie ist es auch schnell gegangen, aber es geht immer noch weiter.
Auf der Bühne wirst du von einer großartigen Band unterstützt.
Danke! Das ist wirklich sehr organisch zusammen gekommen. Als Austin Jenkins (Anm: Gitarrist der Band White Denim) mich eingeladen hat mit ihm ins Studio zu gehen, meinte er, er würde eine Band zusammen stellen. Er hat all diese Musiker aus Fort Worth, dort wo ich lebe, zusammen getrommelt. Alle waren in unterschiedlichen Projekten tätig aber wir kannten uns alle. Sie haben sich für mich die Zeit genommen das hier Full Time zu machen, was eine große Ehre für mich ist.
Es ist schön dabei zuzusehen, wie am Anfang deiner Show immer mehr Leute auf die Bühne kommen.
(lacht) Es sind viele, aber musikalisch sind wir immer noch auf die Essenz reduziert, das gefällt mir. Ich halte die Dinge gerne einfach.
Hast Du ein großes Wunschziel für Dich und deine Musik?
Hm… Ich glaube ich habe meine Ziele schon erreicht. Ich kann um die Welt reisen, mein Leben selbst bestreiten. Als ich meinen Vertrag mit Columbia unterschrieben habe, habe ich die Schulden meiner Mutter bezahlt. Damit habe ich eigentlich erreicht was ich mir immer gewünscht habe. Aber es kann gerne weiter nach oben gehen (lacht).
Leon Bridges Live:
09.09.2015 Frankfurt, Gibson
14.09.2015 Berlin, Kesselhaus Kulturbrauerei
15.09.2015 München, Technikum Kultfabrik