Dass elektronische Musik nicht nur steril sein muss sondern auch eine ordentliche Portion an Emotion und Melancholie transportieren kann, beweist Jamie xx. Sein Debütalbum „In Colour“ ist ein wahrlich farbenfrohes und abwechslungsreiches Sounderlebnis. Da wird gesampelt und gemischt, sphärische Klänge vereinen sich genauso wie eine Prise Soul und Hip Hop oder werden – wie beim Song „Obvs“- mit Steele Drums unterlegt. Die Stimmen seiner Band Kollegen von The xx, Oliver Sim und Romy Madley Croft, untermalen Songs wie „Seesaw“ und „Stranger In A Room“, ohne dass es zu einer Platte der Band wird, dafür sorgen insgesammt mehr Beats und mehr Elektronik. Am ehesten klingt die Single „Loud Places“ nach The xx , die von der wunderbaren Stimme von Romy getragen wird. Der Song wird von einem ebenso schönem Video begleitet, in dem Jamie und Romy in ihrer Heimatstadt London mit dem Skateboard durch die Nacht cruisen. Man möchte am liebsten mit ihnen am Schluss durch den Konfetti-Regen in der Halfpipe tanzen.
Als zweite Single aus dem Album gab es bereits vorab den Opener der Platte „Gosh“ zu hören. Dieser Song sollte eigentlich die Platte abschließen. Jamie drückt seine besondere Beziehung zu dem Song folgendermaßen aus: „Gosh war der letzte fertige Song während der Produktion. Er war eigentlich sehr viel schneller. Dann habe ich ihn 20-30% verlangsamt und auf einmal hörte sich der Beat irgendwie sehr viel härter und erdiger an. Die massive Synth-Spur begann dagegen zu kicken und ich fühlte diesen Moment von Euphorie, den ich immer suche, wenn ich Musik mache. Das ist das letztliche Ziel.“ Eher überraschend klingt dagegen der Song „I Know There’s Gonna Be (Good Times)“ featuring Young Thug und Dance-Hall King Popcaan. Aber auch dieser fügt sich mit seinen Reggae-Anklängen, nach kurzer anfänglicher Irritation, nahtlos in das Album ein. Die Diskussion um das Sample der A Capella Band The Persuasions, das angeblich nicht offiziell angefragt wurde, konnte glücklicherweise beigelegt werden.
Sechs Jahre lang bastelte der Producer und Mastermind von The xx an den Songs für sein Solo-Album, schon an Stücken von Stars wie Florence & The Machine, Adele, Jack Peñate und Radiohead legte er als Remixer Hand an die Regler. Immer wieder wurde er durch solche und andere Projekte unterbrochen und das Material blieb liegen. Ein YouTube Video über die Britische Dance-Music-Kultur von Mark Leckey „Fiorucci Made Me Hardcore“, das ihm ein Freund schickte, brachte Jamie letztendlich nach der letzten The xx Tour dazu, sein vorhandenes Material zu einem wunderschönen Ganzen zu formen. Dass Jamie xx kein Eigenbrödler ist und Zusammenarbeit mit anderen Musikern schätzt zeigt auch die Tatsache, dass er alle am Album mitwirkenden Künstler nach Fertigstellung ins Studio einlud, um die Tracklist mit zu bestimmen.
So reiht sich ein Song schöner als der andere aneinander. Das Werk „In Colour“ wirkt in seinem Ganzen eher wie ein DJ-Set des Soundtüftlers. So sind dann auch die Auftritte des eher schüchternen Briten keine klassischen Konzerte, sondern mehrstündige DJ-Sets, in die er seine Platte organisch einfließen lässt. Dass er sich als Rampensau nicht so wohlfühlt bestätigt er dem NME in einem Interview: „I’m not comfortable performing my songs on a stage. It’s not something I think I’m particularly good at.“
Zum Glück gibt es ganz viele andere Dinge, in musikalischer Hinsicht, die er gut beherrscht und zum Glück lässt er uns daran teilhaben.
VÖ: bereits erschienen
Gehört von: Kate Rock
Jamie xx – Loud Places (ft Romy) from f_3k on Vimeo.