„Zu mir kannste immer wieder kommen“, singt Mieze im Titelstück vom frisch erschienenen sechsten MiA. Album „Biste Mode“. Und tatsächlich stellt die Berliner Band, bestehend aus Mieze Katz, Andi Penn, Bob Schütze und Gunnar Spies, im Leben vieler Menschen eine langjährige Konstante dar. MiA. liefern mit ihrer Musik den Soundtrack für quasi alle Lebenslagen. Umso mehr freue ich mich, dass man mich in den Band eigenen Probenraum eingeladen hat, um über das neue Album zu sprechen. Selbst hier wirkt es, als läge ein Hauch von Glitter über allem. Vielleicht ist es auch die, nach so vielen Jahren gemeinsamem Musizierens, ungebrochene Begeisterung aller Beteiligten, die so funkelt.
Endlich ist es da! Euer neues Album „Biste Mode“. Es hätte ja schon letztes Jahr fertig sein sollen. Wie seid ihr damit umgegangen, dass es offensichtlich länger gedauert hat als geplant? Steht man da unter Druck oder wart ihr ganz entspannt und habt gedacht, das ist jetzt so, dann dauert es halt ein bisschen länger?
Mieze: Also entspannt sind wir jetzt (lacht). Wo diese Zeit vorbei und überwunden ist. Ich muss sagen ich fand es sehr hart. Es gibt ja nicht nur Druck von außen, von wegen Terminen die man nicht einhält, sondern auch diesen inneren Druck, der kommt zuerst. Nicht geschafft zu haben was wir uns vorgenommen haben ist schon mal ein blödes Gefühl. Und dann nicht zu wissen wie es weiter geht. Du schwimmst wie auf einer Eisscholle, weißt überhaupt nicht mehr ob gut ist was Du schon gemacht hast. Es war uns auf jeden Fall nicht gut genug, das Album war für uns noch nicht fertig. Dann noch mal in die nächste Schreibrunde zu gehen, das war nicht einfach. Aber dann war uns klar: es ist jetzt so, Zähne zusammen beißen, weiter machen. Und dann muss man sagen, mit den Liedern die in dieser Schreibrunde entstanden sind, kam immer mehr das gute Gefühl. Das sind auch mit die wichtigsten Lieder. „Lauffeuer“ ist in der zweiten Schreibrunde entstanden. Und auch der Titelgeber „Biste Mode“. Insofern, heute kann ich es locker nehmen, weil ich weiß, es war absolut nötig.
Andi: Der Moment, in dem man entscheidet man verschiebt ist deshalb so schwer, weil man sich fragen muss: Wir haben jetzt ein Album, aber sind wir damit wirklich zufrieden? Man wägt ab zwischen „wir verschieben“ oder „das geht schon“. Trotzdem kannst du es gar nicht objektiv bewerten, weil du so im Arbeitsflow bist. Es ist mehr eine Ahnung die man hat. Dann nochmal ins kalte Wasser zu springen war schon eine ganz schöne Herausforderung. Klar, retrospektiv kann man sagen, wenn die Platte noch nicht fertig ist, muss man halt länger dran arbeiten. Aber in dem Moment selber war es überhaupt nicht klar.
Konntet Ihr denn klar benennen was genau Euch noch fehlt oder musstet Ihr da rein intuitiv ran gehen?
Mieze: Ganz klar, die Lieder. Stell Dir die Platte vor ohne „Biste Mode“…
Andi: Im Ansatz gab es die schon, aber sie waren noch nicht fertig und uns war klar, wir möchten sie noch fertig stellen und mit rein bringen. Abgesehen davon war die Tour ja schon fertig geplant. Aber das war am Ende einer der positiven Nebeneffekte, die wir dadurch erleben konnten, dass wir mit neuen Liedern, die noch nicht veröffentlicht sind auf Tour gehen konnten und sie so dem Publikum vorstellen konnten. Das hatte für die Platte wiederum einen positiven Effekt, weil wir mit einigen der Lieder nach der Tour noch mal neu ins Studio gegangen sind und Dinge geändert haben, die sich aufgrund der Live-Erfahrung ergeben haben.
Verrückt, dass dabei ausgerechnet ein Song wie „Biste Mode“ heraus gekommen ist. Der ist ja wirklich speziell.
Mieze: Ja. Der hat schon länger auf meinem Telefon gelauert. Ich hab den auf meinem Herzen schon ein Jahr oder so mit mir rum getragen. Wir haben ja immer viele Skizzen, da wollte ich ihn nicht einfach so rein werfen. Aber als die Verzweiflung am größten war, habe ich meine Chance kommen sehen und dachte, jetzt hast du nichts zu verlieren. Das ist ja auch ’ne Überprüfung, sich zu fragen ob man das immer noch gut findet. Und nach ’nem Jahr fand ich die Worte und die Melodie immer noch so solide dass ich dachte, jetzt haust du’s raus. Es hat einen kleinen Moment gedauert bis der Funke über gesprungen ist, aber das war es absolut wert.
Andi: Mein Gedanke war: Das ist total catchy, aber was ist das für ’ne Musik? Wie passt das zu uns? Trotzdem hat es uns gekriegt. Außer der Refrainzeile und der Melodie war ja auch noch nichts da und die Frage war, wie geht man da jetzt weiter mit um? Das war dann noch mal ein gut zweimonatiger Prozess, bis wir alle gesagt haben genau, das ist es.
Mieze: Stimmt, es ist eine Frage mit etwas anzukommen, die andere ist was machst du dann damit.
Bob: Es ist auch super, dass es am Ende das Titelstück geworden ist. Das sagt auch viel über unsere Arbeitsweise.
Und ich finde, ihr habt auch den perfekten Platz auf dem Album dafür gefunden. Da kommen mit „Lauffeuer“ und „United States of ich und du“ doch erst zwei sehr typische Mia. Lieder und plötzlich wundert man sich, was denn nun passiert. Das wirft einen sehr positiv aus der Bahn.
Mieze: Das ist ja schön. Da macht man sich so viel Gedanken um ein Tracklisting und dann wird das so bewusst wahr genommen. Da rechnet man schon gar nicht mehr mit!
Gunnar: Dass was Dir da passiert ist war genau unsere Absicht. Man kann sowas nicht wirklich planen, aber es war zumindest das Wunschszenario, das wir im Kopf hatten, wenn Leute das Album hören. Wir wollten das Stück auch nicht verstecken.
Mieze: Insgesamt kann man sagen, dass die ganze Platte durch eine Hartnäckigkeit entstanden ist, durch den Willen dran zu bleiben, sich da durch zu beißen, nicht aufzugeben. Mein Gefühl sagt mir, diese Kraft, diese Energie, der Aufwand den wir betrieben haben, das kriegst Du auch wenn Du es hörst. Es kommt aber nicht als Anstrengung raus, im Gegenteil, als Energieschub.
Ich finde auch, das Album geht insgesamt ganz schön nach vorne.
Mieze: Es ist zum Teil auch ein Besinnen auf unsere Wurzeln. Wo kommt unsere Energie her? Was sind unsere Stärken? Darauf haben wir uns besonnen. Bei jeder Platte ist nicht nur die Frage was kommt dabei raus. Jeder von uns ist wirklich speziell und eigenständig. Wer sind wir als Team? Nicht nur jeder für sich selber betrachtet. Das braucht Zeit, das muss man vielleicht einfach akzeptieren. Je älter wir werden, desto komplexer werden wir und vielleicht braucht es dadurch immer mehr Zeit. Aber wenn es am Ende so ist wie jetzt, dann ist es das wert.
Nach so vielen Jahren und so vielen gemeinsamen Alben, was sind denn die Dinge, auf die ihr euch beieinander immer wieder besinnen könnt? Und was entdeckt ihr immer noch neu aneinander?
Gunnar: Wenn wir ein Stück live so spielen können, dass wir es gut finden, dann hat das Stück seine Berechtigung. Das ist zum Beispiel etwas, das wir immer wieder feststellen und worauf wir uns verlassen können. Wir können viel Zeit damit verbringen Dinge digital auszuprobieren, ich glaube, da haben wir inzwischen auch Souveränität drin, aber so richtig glauben können wir es uns erst, wenn wir es live spielen.
Mieze: Das stimmt. Es gab auch schon Situationen, in denen wir zurück rudern mussten. Finde ich aber auch cool, sowas zusammen zu erleben. Erst zusammen zu sagen das rockt, dann in den Backstage zu gehen und zuzugeben: jaaaa…. nicht! (Gelächter) Um aber zu beantworten was bei dieser Platte neu war: und zwar haben die Jungs zwei von sechzehn Texten zu 90 Prozent allein geschrieben. Bei „Nein! Nein! Nein!“ habe ich vielleicht ein Wort geändert. Das hat mich sehr stolz gemacht weil ich das Gefühl hatte, wow, so gut kennen wir uns, dass ihr wisst wie ich spreche, was ich singe, wie ich etwas sagen würde. Da habe ich mich so gut gesehen gefühlt, dass ich das ohne Probleme annehmen konnte. Das war schön. Haben wir uns alle gefreut (lacht).
Andi: Früher haben wir die Musik geschrieben und sie der Mieze gegeben. Und sie hat immer ganz tolle Sachen draus gemacht. Trotzdem habe ich gemerkt, dass zum Songwriter natürlich der andere Teil auch dazu gehört. Übertrieben könnte man sagen, wir machen einen Teil der Arbeit und den Rest wird die Mieze schon richten. Da fanden wir es wichtig, die Herausforderung anzunehmen und zu sagen, wir gehen den nächsten Schritt. Das heißt ja nicht, dass jedes Ding fertig werden muss, aber so können wir Mieze einfach noch besser unsere gedanklichen Vorstellungen vermitteln. Musik allein vermittelt natürlich ein Gefühl, ist dabei aber immer noch relativ unkonkret und ambivalent. Durch den Text wird sie gefärbt. Und dass man diese Gedanken weiter vermittelt, das fand ich für uns Jungs eine totale Weiterentwicklung. Für Mieze war das bestimmt auch nicht nur einfach, weil sich dadurch in einem Bandgefüge ja was verändert. Das Texten war ja immer dein Ressort und dein Zuhause…
Mieze: …die Monopolherrschaft (lacht). Die Diktatur des Textens!
Andi: Das aufzubrechen hat auch viel mit Vertrauen und Gemeinschaft zu tun. Und damit sich auszuleben. Das ist voll wichtig.
Zum Thema Texte muss ich noch sagen, dass ich auf allen euren Alben die Instrumentalstücke immer einen wichtigen Bestandteil fand. Wie entstehen diese? Wann ist der Moment an dem klar ist, das lassen wir jetzt so stehen, das braucht keinen Text?
Gunnar: Im Fall von „Brunowitzjacke“ auf „Biste Mode“ war es so, dass wir gesagt haben, wir schreiben jetzt ein Instrumental. Interessant war, dass wir als erstes das Ende vom Stück hatten und das Stück sozusagen von hinten nach vorne gebastelt haben. Mieze sagt ja immer, Leute, irgendwann, ohne dass ihr es merkt, greif ich mir alle Instrumentals, sing da drauf und bring das als Platte raus.
Mieze: Das wird dann mein Soloprojekt! (lacht)
Bob: Live sind die Instrumentals ja gut, damit wir eine längere Umziehpause für die Mieze schaffen können. Wir sagen immer, dass sie das heimlich hinter der Bühne ausprobiert, während wir vorne spielen.
Mieze: Das ist kein abwegiger Plan!
Bob: Wir haben generell ganz gerne irgendeine Form von Plan. Man kann es auch Dogma nennen. Etwas, woran man sich festhält und worin man alle wirren Gedankenstränge erst einmal bündelt. Hier hatten wir den Plan, die Platte insgesamt hauptsächlich elektronisch anzugehen und vor allem die Aspekte elektronischer Musik deutlich als Einfluss zu nehmen. Wir wollten zum Beispiel relativ geradlinig ein Tempo bedienen. Irgendwann auf dem Weg der Platte haben wir gemerkt, dass es uns eindeutig zu viel ist, wenn wir uns nur daran festhalten. Das war auch befriedigend, davon loszulassen und uns in anderen Tempowelten wiederzufinden. Als Grundidee war es aber spannend, ein elektronisches Riff zu haben, an dem man sich festhält. Das hat dann auch die Herangehensweise an dieses Instrumental beeinflusst. Wir wussten, dass es diesmal kein Gitarrenrockstück werden sollte sondern ein Dancefloorkracher… das Wort benutze ich eigentlich nicht, aber ich tu’s jetzt mal trotzdem (lacht). „Brunowitzjacke“ ist tatsächlich auch einer meiner Lieblingssongs auf dem Album, weil ich es einfach geil finde, dass wir als Band sowas machen können, ohne dass es total fremd wirkt und nicht zum Rest passt. Die Vielseitigkeit und das Bunte in dieser Band, da bin ich wirklich stolz drauf.
Mieze: Hörbar und sichtbar!
Interview: Gabi Rudolph
MiA. live:
07.10.15 München,Backstage
08.10.15 Nürnberg, Hirsch
09.10.15 A – Wien, Flex
16.10.15 CH – Zug, Kulturzentrum Galvanik
17.10.15 Wiesbaden, Schlachthof
18.10.15 Krefeld, Kulturfabrik
22.10.15 Stuttgart, DasCann
23.10.15 Jena, F-Haus
24.10.15 Gießen, MuK
29.10.15 Wilhelmshaven, Kulturzentrum Pumpwerk
30.10.15 Leipzig, UT Connewitz
31.10.15 Worpswede, Music Hall
03.11.15 Köln, Gloria
04.11.15 Hamburg,Große Freiheit
05.11.15 Berlin, Huxley’s