Drei Alben haben Dawes schon in ihrer Band-Vita zu stehen. Conor Oberst zählt zu ihren Bewunderern und nahm die Amerikaner sogar mit sich auf Tour. Gemeinsam stehen die vier talentierten Musiker nun Nacht für Nacht zuerst allein und dann mit dem Bright Eyes-Kopf auf der Bühne. Auch im Berliner Postbahnhof machten die Jungs aus Los Angeles im August Halt und stellten sich mitsamt ihrem Retro-70s Folk-Rock vor. Im Gespräch erzählt Sänger und Gitarrist Taylor Goldsmith von seinen größten Dawes-Wünschen und niemals ausgehenden Inspirationsquellen.
Wie realitätsnah fühlst du dich im Augenblick?
Auf Tour zu sein ist ein sehr einzigartiges Erlebnis. Man geht hinaus in die Welt und alles ist anders. Gestern zum Beispiel habe ich in einer mir zuvor unbekannten Wohnung ein Akustik-Set gespielt. Da standen all diese Menschen, mich umgaben diese fremden Möbel und an den Wänden sah ich Fotos von Familien, Pärchen und Freunden. Das war etwas Feststehendes und ich dagegen bin immer auf dem Sprung. Ich habe mich wie ein wildes Tier gefühlt. Die Idee davon, dass man nur in einem Raum- und Zeitkontinuum existiert, scheint mir gerade sehr abwegig zu sein. Das Leben wirkt surreal, als hätte ich die Normalität vergessen.
Hast du denn genügend Bezugspunkte zu dir selbst?
Bei mir funktioniert der Selbsterhaltungsmechanismus noch ganz gut, auch wenn ich manchmal aufwache und nicht weiß, wo ich bin. Aber ich nehme diesen Lebensstil hin und versuche so gut es geht durch den Tag zu kommen. Genug Zeit für mich selbst bleibt dabei nicht, obwohl ich mich oftmals ziemlich abgeschnitten von allem fühle.
Wie kommt man da wieder heraus?
Ich will mich immer wieder daran erinnern, wie gut ich es gerade habe. Allein mit Conor unterwegs zu sein… Oh Mann, ich hatte mein erstes Bright Eyes-Album, da war ich 16 Jahre! Ich war schon immer ein großer Fan von ihm und hätte nie geglaubt, dass ich ihn eines Tages treffen würde. Es bedeutet mir sehr viel mit ihm auf der Bühne zu stehen, ihn zu supporten und als Freund zu haben. Außerdem unterstützt er uns, wo er nur kann. Ich versuche stets die Besonderheit des Ganzen für mich festzuhalten.
Welchen Stellenwert nehmen Festivals dabei für dich ein?
Viele Festivals haben wir nur als Conors Band bespielt. In diesen Momenten fühle ich mich einfach nur wie ein Musiker in einer Band. Mit den Dawes ist es anders. Man weiß nie, was passieren wird. Bei einem Festival standen wir schon mittags auf einer kleinen Bühne in England und dachten, dass aufgrund der Umstände keiner kommen würde. Doch wir hatten Unrecht. Beim vierten Song war es komplett voll vor der Bühne, jeder war glücklich und es wurde eine der besten Shows der ganzen Tour. Natürlich erleben wir auch das Gegenteil und spielen vor 20 Leuten. Wir haben noch nicht den Dreh raus, wo genau in Europa wir gut ankommen und wo nicht. Das lernen wir erst mit dieser Tour. Auf jeden Fall fällt mir auf, dass wir sehr bodenständige Fans haben. Mir ist noch niemand wirklich Komisches untergekommen. (lacht)
Was gefällt dir weniger am Musikerdasein?
Ach, ich genieße es auf der Bühne zu stehen, Songs zu schreiben und Interviews zu geben. T-Shirt-Designs für die Band fallen mir jedoch schwer. Ich bin da irgendwie ideenlos. Aber auch wenn ich keine Ahnung davon habe, denke ich, dass wir uns bei solchen visuellen Dingen mehr einbringen müssten. Denn wenn man sich unsere drei Dawes-Alben anschaut, fehlt eine vereinende Ästhetik. Nicht so wie bei Arcade Fire oder Jack White. Sie strahlen einen klaren Stil aus. Nur glaube ich fast, dass Dawes nie so eine starke visuelle Komponente entwickeln werden. Wir sind dann doch eher der Wilco-Typ.
Wodurch sollen Dawes dann herausstechen?
All die Musiker, die ich mir gerne anhören, haben einen immensen Backkatalog. Willie Nelson, Tom Petty, Joni Mitchell oder Grateful Dead… Sie haben ihr ganzes Leben der Kunst gewidmet. Ich würde auch gerne später zurückschauen und 15 oder 20 Dawes-Alben erschaffen haben. Ich möchte, wie die eben genannten Künstler, das Gefühl haben, dass ich durch meine Band lebe. Ich will Menschen mit meinen Texten neue Möglichkeiten und Perspektiven aufzeigen können. Aber vorschreiben möchte ich nichts. Doch wenn ich mir Songs von meinen Lieblingskünstlern anhöre, dann gibt es oftmals den Fall, dass der Songtext mir dabei hilft eine Situation zu verstehen, der ich vorher hilflos gegenüber stand.
Gibt es ein aktuelles Thema, mit dem du dich viel beschäftigst?
Ich bin kein Nachrichten-Leser. Hauptsächlich lese ich Romane. Ich will aber auch keine Autorität sein. Dafür verstehe ich zu wenig davon wie die Welt funktioniert und warum sie es auf diese oder jene Weise tut.
Was nimmst du aus den Romanen für dein eigenes Schreiben mit?
Ich übernehme gern Worte und Sätze. Durch das Lesen fühle ich mich inspiriert und kann kreativ werden. Wenn ich auf etwas Gutes stoße, schreibe ich es mir sofort auf. Zum Beispiel hatte ich diesen, nicht mal sehr guten, Film „W.“ gesehen. Mit Josh Brolin als George W. Bush und darin sagt sein Vater zu ihm „You’re just fishing for the moon in the water“. Diese alte Redensart fand ich so schön, dass ich daraus den Song „Moon In The Water“ gemacht habe.
Arbeitet ihr bereits an neuen Dawes-Songs?
Ja, wir haben schon 12 Stücke fertig und spielen viele neue Lieder live. Am liebsten wollen wir im November das Album fertig machen und es im nächsten Jahr herausbringen. Aber es fällt mir nicht leicht, auf Tour an Songs zu schreiben. Das mache ich lieber zu Hause. Da nehme ich mir dann für vier Tage nichts vor und versuche mich im Schreiben. Aber leider kann man es auch dann nicht forcieren und muss hoffen, dass der richtige Augenblick auf einen zukommt. Das ist auch ein Grund dafür, weshalb ich das Gefühl habe immer zu arbeiten. Doch ich glaube nicht, dass ich daran etwas ändern möchte.
Neben den Künstlern, die du schon genannt hast: welche Menschen inspirieren dich?
David Cronenberg, Ernest Hemingway oder auch, ich weiß es klingt dumm, LeBron James. Ich versuche von jedem ein bisschen etwas von der Lebensphilosophie zu adaptieren. Aber ich lerne auch viel von den Jungs aus der Band. Sie können mir so viel über die Herangehensweise ans Leben beibringen. Speziell mein Bruder hilft mir weiter und zeigt mir wie ich stolz auf das sein kann, was ich in meinem Leben bereits erreicht habe.
Interview und Fotos: Hella Wittenberg