Hinter dem amerikanisch-britischen Duo Rue Royale verbirgt sich das Ehepaar Ruth und Brooklyn Dekker. Die beiden haben sich dem Do-It-Yourself-Ethos verschrieben, erst mit Sinnbus hat sich das etwas gelockert. Im Sommer erschien auf dem Berliner Label ihr drittes Album „Remedies Ahead“. Einen kleinen Unterschied gibt es zu den Vorgängeralben: Diesmal nahmen sie zum ersten Mal in einem Studio auf. Zuvor war alles immer in der jeweiligen Heimat entstanden – in der Wohnung mit dem geräuschempfindlichen Nachbarn oder als sie für eine Zeit bei anderen unter kamen. Das Ergebnis sprüht nur so von charmanten Melodien. Wie sich die Veränderungen sonst ausgewirkt haben und was „After-Tour-Depression“ ist, erfahrt ihr in unserem Interview. Viel Spaß beim Lesen!
Ich habe gelesen und gehört, dass ihr mehr elektronische Elemente in eurem aktuellen „Remedies Ahead“ nutzt als zuvor – war es schwer, diese auf eine natürliche Art einzubinden?
Ruth: Nein, es lief ziemlich natürlich. Ich denke, wir hatten diese Tendenz schon immer. Wir haben es sogar in der Vergangenheit versucht, aber wir waren immer etwas zu zaghaft. Es ist irgendwie einfach, etwas hier und da einfließen zu lassen, aber ein Freund von uns hat mit uns im Studio gearbeitet. Er war sehr gut darin, uns zu einer anderen Denkweise zu bringen…
Brooklyn: Er half uns, etwas mutiger zu sein. Die ersten Songs, die wir geschrieben haben waren akustisch, aber nur weil wir nichts anderes hatten. In unseren Köpfen hört es sich immer anders an als das, was rüberkommt. Die Leute sahen uns als eine Art Coffee Shop Band, aber wir sahen uns nie so. Wir hörten immer etwas, das elektronischer war, obwohl wir nichts dergleichen gespielt haben. Das haben wir jetzt versucht zu machen.
Ich liebe das Artwork – wer hat es gemacht?
Brooklyn: Es handelt sich um den gleichen Typen wie bei „Guide To An Escape“. Sein Name ist David Litchfield. Er lebt in Bedford, England. Wir haben da vor ungefähr 4 Jahren gespielt, glaube ich. Der Promoter der Show engagierte David, um ein Poster für die Show zu designen. Wir kamen an und sahen es und fanden das Poster großartig. Wir wollten sofort seine Nummer und irgendwann mit ihm arbeiten. Seitdem ist er der erste zu dem wir gehen und er ist auch ein guter Freund geworden. Alles war er macht, ist einfach cool.
Vom Aussehen her erinnert es mich ein wenig an dich, Ruth.
Brooklyn: Ja, das kann ich sehen.
Ruth: Vielleicht war er inspiriert. Ich weiß es nicht. Wir haben ihn nie gefragt, vielleicht sollten wir das mal machen.
Seid ihr nicht daran interessiert, wieso er das gemacht hat?
Ruth: Nein, das ist es, was so wunderbar an dem Kerl ist. Wir geben ihm Ideen, aber er geht in eine andere Richtung. Bei seinen ganzen Kunstwerken weiß man nicht so genau, was, warum oder wie, aber man liebt sie einfach.
Hat er die Musik auch gehört?
Brooklyn: Wir gaben ihm damals eine Kopie. Nachdem wir das gemacht haben, änderte sich alles. Da fing er an uns Artwork zu geben, nach dem wir nicht gefragt hatten und wir waren begeistert. Es war eines der Bilder und wir dachten, das ist das Cover. Das war eine schnelle Entscheidung. Es fühlt sich einfach gut an.
Ruth: Es scheint so als ob man richtig sehen könnte, dass er sich da richtig reingehängt hat. Es ist sehr phantastisch, aber auch ziemlich schön ausgestaltet. Es war einfach umwerfend. Er hat es gezeichnet, während er unsere Musik hörte und ließ sich davon inspirieren. Wir wussten nicht warum oder was es war. Es war mehr so: „Ja, es passt. Ja, wir lieben es. Machen wir. Du bist der Künstler.“
Es scheint, dass viele der Leute, mit denen ihr zusammenarbeitet Freunde sind, es ist wie ein Familienbusiness.
Brooklyn: Naja, dies ist unser Familiengeschäft. Wir wählen mit Bedacht, mit wem wir arbeiten. Es ist nicht sehr einfach für uns, Sachen in andere Hände zu geben – das Artwork und die Art wie unsere Tour gebucht wird oder all diese Dinge, die definieren, wie uns andere Leute betrachten, wie sie Rue Royale annehmen. Es ist uns sehr wichtig, dass wir das in Hände geben, denen wir vertrauen. Wir haben Glück, dass wir so viele haben.
Mit der Zusammenarbeit mit Sinnbus habt ihr den Do-It-Yourself Ethos der Band etwas verringert. Ist es schwer, Dinge abzugeben?
Brooklyn: Total.
Ruth: Es ist schwer, aber ich denke, sie wollten mit uns arbeiten, weil wir diesen DIY Ethos haben. Ich denke, das ist die Art wie es fortschreitet. Man kann nicht einfach sagen „Lass das Label die ganze Arbeit machen“. Es muss eine Partnerschaft sein. Ich denke, das sieht jeder. Wir müssen mehr touren, weil man mehr raus muss um Leute zu treffen. Sie haben Respekt für den DIY Ethos und das hilft. Wir haben den Labels jahrelang immer abgesagt. Wir haben nicht mal drüber gesprochen, aber am Ende hatten wir das Gefühl, dass es gute Kerle sind und wir ihnen vertrauen könnten. Wir sind ängstlich diese Beziehung eingegangen aber es funktioniert sehr gut und wir lieben sie. Sie sind wie Familie.
Ich habe gelesen, dass ihr 10 Jahre verheiratet seid und einer der Gründe, weswegen wir heute zusammen sitzen ist das zehnjährige Jubiläum von Sinnbus – 2003 muss ein gutes Jahr gewesen sein.
Ruth: Das liebe ich! Es ist wirklich cool.
Wir war das Jahr für euch?
Ruth: Es war gewaltig. Wir haben geheiratet und ich bin nach Amerika gezogen. Es war vermutlich das größte Jahr in unserem Leben.
Brooklyn: Es war verrückt. Wir kommen aus verschiedenen Ländern und wegen der Visas und so weiter, haben wir das erste Mal wirklich zusammen gelebt, als wir geheiratet haben. Man lernt erst Sachen über jemanden, wenn man zusammenzieht. Wie jeder andere auch, haben wir uns im ersten Jahr verrückt gemacht.
Ist es schwer, die ganze Zeit zusammen zu sein? Freunde, die auch sehr eng zusammenarbeiten, haben es manchmal schwer, weil sie zum Beispiel verschiedene Rhythmen tagsüber haben.
Ruth: Jede Ehe hat ihre Schwierigkeiten. Wenn man so dicht bei jemandem lebt und auch zusammen arbeitet, muss man daran arbeiten, aber wir finden es sehr einfach, die ganze Zeit zusammen zu sein. Es scheint ziemlich einfach. Natürlich brauche ich manchmal meinen eigenen Raum, aber es reicht schon, wenn wir uns ein Audiobuch im Auto anhören. Wir sind dann zwar zusammen im Auto, aber ich bin in meiner eigenen Welt. Ich denke, wir haben einfach gelernt wie wir es überleben, immer zusammen zu sein. Wir sind definitiv ein anderes Paar, weil wir das machen. Wer weiß schon, wie wir wären, wenn wir das nicht gemacht hätten? Ich weiß es nicht.
Brooklyn: Ich glaube, wir kommen auch besser miteinander klar, wenn wir auf Tour und wirklich beschäftigt sind. Nach fast jeder Tour kommen wir nach Hause und mögen uns für zwei oder drei Tage nicht, zum Beispiel: „Ich bin so müde, das zu hören“. Und wenn wir mal eine Nacht frei haben, diskutieren wir immer. Manchmal ist es schwer, von Band zu Familie zu schalten.
Es ist ja schon schwer, wenn nur einer der Partner auf Tour ist und wenn beide in verschiedenen Welten sind.
Ruth: Ja, ich denke das ist es. Es ändert alles. Viele Leute bemerken das nicht, aber wenn man von einer Tour zurückkommt, ist es irgendwie dramatisch. Vorher hatte man jeden Tag etwas zu tun, man reist viel und es ist ermüdend. Man geht jeden Tag aus und trifft jeden einzelnen Tag neue Leute. Es ist großartig, aber wenn du dann nach Hause kommst ist dein Körper einfach… auf einmal ist man stabil, nichts ändert sich. Man wünscht sich fast jemanden, der einem sagt wohin man gehen muss. Das ist merkwürdig. Wir werden beide etwas ängstlich: „Was müssen wir tun? Wir wissen es nicht.“ Es gibt auch fast zuviel zu tun, weil man alles nachholen muss, aber nichts davon ist so einfach wie zu einem Ort zu gehen und ein Konzert zu spielen. Niemand sagt das zu dir. Es ist also eher so: „Ooh, ich muss Entscheidungen treffen und mir über mein Leben klar werden“. Das ist merkwürdig.
Brooklyn: Man nennt das „After Tour Depression“. Viele Bands reden darüber, es ist eine ziemlich verbreitete Sache.
Ihr habt das Album auf Tour geschrieben, die Alben vorher wurden mit merkwürdigen Nachbarn und im Haus anderer Leute geschrieben – was hat es verändert, dass es euch erlaubt war, laut zu sein?
Brooklyn: Ich denke, das Album ist die Antwort. Es ist das erste, bei dem wir nicht über Limitierungen nachdenken mussten, aber es gibt noch mehr: Wir haben uns selbst auch die Erlaubnis erteilt, Songs zu schreiben und nicht nur zu versuchen, Songs zu schreiben, die sich wie Rue Royale anhören. Jetzt wo ich das laut ausgesprochen habe, hört sich das merkwürdig an, aber in meinem Kopf machte es Sinn. Oft schreiben wir einen Song, der sich gut anfühlt und nehmen eine Demo auf, aber dann denken wir, dass es sich nicht nach Rue Royale anhört. Wir haben sie trotzdem behalten und haben daran im Studio gearbeitet. Wir erlauben uns jetzt laut zu sein, aber wir sind es immer noch nicht, oder?
Ruth: Im Studio war es großartig, weil wir die Sachen wirklich aufgedreht haben und ganz andere Töne bekommen haben, als wenn du das nur in deinem Haus aufnimmst. Man dreht die Gitarre auf und bekommt wirklich schöne Sounds. Wir benutzen auch eine Hammond Orgel, die wirklich laut war. Wir hätten sowas niemals Zuhause machen können. Das war unglaublich: Die Sachen zu fühlen und dass dann in die Musikherstellung zu integrieren. Das hat es ziemlich dramatisch verändert.
Macht ihr das jetzt weiter so?
Brooklyn: Komm schon, wir hatten so viel Spaß!
Ruth: Ich denke, wir haben wirklich was gelernt. Es war eine Entscheidung „Guide To An Escape“ Zuhause aufzunehmen, aber ich kann die Freiheit fühlen, die wir im Studio hatten. Es fühlt sich offener an und ich glaube nicht, dass wir zurück gehen könnten. Vielleicht ein paar Sachen, aber wir würden es anders machen. Wir würde zum Beispiel in richtig gute Mikrophone investieren.
Brooklyn: Es ist eine Sache der Evolution. Wir sind weiter gezogen und werden uns nicht zurück bewegen.
Was kommt als nächstes? Eine Band?
Brooklyn: Nein, das ist Rue Royale. Wir sind zwar schon mit einer Band getourt und wir machen das vielleicht wieder, aber ich sehe darin keine Zukunft. Das ist Rue Royale und vielleicht machen wir etwas extra für eine Tour, haben Spaß und bringen ein paar Extraleute, aber wir wissen nicht was als nächstes kommt. Wir genießen das Jetzt im Moment.
Vielen Dank für das Interview euch beiden!
Rue Royale sind ebenfalls Teil der Geburtstagstour von Sinnbus, die Termine findet ihr hier. Ein Konzert von den beiden kann ich nur empfehlen – erst dann entfaltet sich ihr ganzer Charm und selbst ein schnöder Saturn am Alexander Platz kann zu einem heimeligen Ort werden.