Reeperbahn Festival: So war’s am Mittwoch und Donnerstag

Was gibt es Schöneres, als wenn das Lieblingsfestival in der Heimatstadt stattfindet? Nicht viel, das Reeperbahn Festival schafft es jedenfalls jedes Jahr aufs Neue uns zu begeistern. Und das zu Recht, schließlich gibt es auf kaum einem anderen Festival so viele Newcomer, so eine schöne Atmosphäre und so viele verschiedene Locations zum Verweilen. Und was ist noch schöner als ein dreitägiges Festivals? Richtig, ganze vier Tage Festivalspaß!
Das dachten sich in diesem Jahr auch die Macher des Reeperbahn Festivals. Neben den drei offiziellen Festivaltagen von Donnerstag bis Samstag öffneten einige ausgewählte Clubs erstmalig schon am Mittwoch ihre Türen. Der Mittwoch, der unter dem Motto „German Wunderkinder“ stand, gab Festivalbesuchern, die ein Dreitagesticket innehatten bereits einen Tag früher die Gelegenheit, sich neue vielversprechende deutsche Bands anzuschauen. Einzelne Tickets für diesen Tag gab es nicht zu kaufen, ein feines Gimmick für treue Fans quasi.

Wo schon der Donnerstag meistens noch nicht so gut besucht ist wie die anderen Tage, waren wir doch sehr gespannt, wie der Mittwoch von den Besuchern angenommen werden würde. Sehr gut, stellte sich schnell heraus, Schlange stehen gehörte an diesem Tag einfach dazu. Die etwas bekannteren Acts wie Me and My Drummer oder die vielversprechende Band Abby, die beide im Imperial Theater, eigentlich ein Krimitheater auf dem Kiez, spielen sollten, konnten beachtliche Schlangen verzeichnen, sodass wir uns der Kälte und dem Regen geschlagen geben mussten. Aber bei genau solchen verpassten Chancen bietet das Reeperbahn Festival seine Stärke, denn ein paar Meter weiter im nächsten Club wartet schon der nächste Act auf einen. Man muss sich auf dem Kiez wirklich einfach treiben lassen, denn dem Timetable hinterher zu rennen, wie man es auf so manch anderem Festival sonst gerne macht, ist auf dem Reeperbahn Festival eher schwierig und zudem auch völlig unnötig.

German Wunderkind Ben Ivory

Die Prinzenbar sollte für uns am Mittwoch der Abend des Geschehens werden. Zuerst stand Ben Ivory aus Berlin auf der Bühne. Seinen Namen konnte man dieses Jahr schon an der ein oder anderen Stelle hören, beim Vorentscheid zum Eurovision Soncontest, bei der Votingparty des selben Events auf der Reeperbahn, oder auch beim Christopher Street Day. Ben Ivory stand schon auf einigen Bühnen dieses Jahr und den Release seines Albums hat man doch nicht so richtig mitkommen. Völlig zu Unrecht eigentlich, denn mit seinen elektronisch angehauchten Popnummern konnte er in der Prinzenbar wirklich überzeugen. Das Publikum wirkte durchaus begeistert von dem schmächtigen Kerl. Wenn man sich seine Videos und Pressefotos anschaut, erwartet man einen schrillen Paradiesvogel in glitzernder Pailletten Jacke, doch die ganze Band stand in schlichter schwarzer Kleidung auf der Bühne. Fast schüchtern freute sich Ben Ivory über den Zuspruch und vor allem über das zahlreiche Erscheinen der Besucher. Auch wenn Elektropop nicht jedermanns Sache ist (zugegeben, auch wir waren erst skeptisch), muss man doch sagen, dass diesem sympathischen Ben Ivory eine große Karriere bevorstehen könnte.

Bulgaria meets Berlin – DENA

Nach missglückten Versuchen in überlaufene Locations reinzukommen und schließlich einem Bier zum Aufwärmen im Molotow verschlug es uns am späten Abend auf die Empfehlung eines Bekannten hin dann erneut in eine Schlange vor die Prinzenbar, die zumindest nicht so lang war, dass man um seine Gesundheit bangen musste. Drinnen stand man sich natürlich trotzdem in kuscheliger Wärme gegenseitig auf den Füßen, um DENA zu sehen. DENA? Wer ist das? Ansage: „I’m from Bulgaria, but currently live in Berlin.“ Wow! Das hört man selten. Also das mit Bulgarien, nicht das mit Berlin. Und wie klingt man dann so? Der Sound ist irgendwo zwischen Hip Hop und Pop. Die Beats klingen Old School, die Bässe sind meistens dominant, M.I.A. lässt grüßen. Und Electro darf natürlich nicht fehlen, fast geht es manchmal ein bisschen in Richtung Neunziger. Die Prinzenbar scheint mit ihrem halb abgefuckten, halb schicken Ambiente irgendwie die richtige Bühne für diese junge Künstlerin mit ihrem bunten Sound zu sein. Unbeschwert klingt sie.
Die Texte scheinen sich eher mit naheliegendem zu beschäftigen, kommen beim ersten Reinhören einfach und eingängig daher. Aber hey, das ist manchmal genau das was man braucht und hören will. Sich darüber aufregen, dass andere Gästelistenplätze haben und man selbst in der Kälte stehen muss, weil in sch***, f***** Hamburg schon wieder die Sonne nicht scheint. Ja, auch das können Probleme sein! Aber das Stehen oder Nichtstehen auf einer Gästeliste, der Zugang oder Nichtzugang zu bestimmten Räumen, kann natürlich auch verstanden werden als Metapher für das europäische Ost-West-Gefälle, den Umgang mit Themen wie Migration und Grenzen in der Festung Europa. Die vielen kleinen Festungen in der Festung. So oder so. Über Entdeckungen wie DENA kann man sich freuen!

Und für Entdecker ist das Reeperbahnfestival natürlich sowieso genau das Richtige. In über 70 Locations traten am vergangenen Wochenende über 300 Acts auf. Neben Infostand und Daily Timetable bot dieses Jahr auch eine personalisierbare Festival-App eine Orientierungsmöglichkeit im Musik-, Arts-und Partyjungel rund um Hamburgs altes Hafenviertel. Absolut nützliche Dinge, die vielleicht aber auch ein bisschen davon ablenken, dass das Reeperbahnfestival genau die richtige Veranstaltung ist, um sich einfach mal ein bisschen treiben zu lassen. Man kann quasi rund um die Uhr von einem Konzert zum nächsten, von Galerien zu Bierständen, vorbei an Kieztanke und Happenings auf dem Spielbudenplatz.

Herrlich ehrlich oder peinlich? Luis Laserpower

Donnerstag ging eswieder auf Entdeckertour, ein bisschen zumindest. Kannten wir von Luis Laserpower, dem Superhelden des Rap-Pop-Crossover doch nur das Wenigste. Mitsamt seiner Band findet man ihn häufig unter Hip Hop, Schrägstrich Pop einsortiert. Man muss das natürlich nicht einsortieren, wollte man es aber doch, könnte man das Label Hip Hop auch getrost weglassen. Da kommt Luis vielleicht her, bis auf sein Cap und die großen Shirts erinnert da heute aber eigentlich nicht mehr viel dran. Der teils gesungene, teils gesprochene Pop der Laserpower-Combo bewegt sich schon eher in Richtung Neue Deutsche Welle, könnte man meinen. Auftreten muss man dann natürlich im Rock Café (wo sonst!?) und mit gefühlsbetonten Texten wie: „Siehst du den Mond? Er leuchtet nur für dich!“ oder: „Weißt du noch wovon du geträumt hast, als du noch klein warst?“ sich ganz ungeniert auf eine Ebene begeben, die den meisten Rappern wahrscheinlich tatsächlich zu peinlich wäre. War es nicht Dendenmann, der sagte, Rapper wollten alles, nur niemals peinlich sein!? Oder so ähnlich? Ein Rapper ist oder sind Luis Laserpower auf jeden Fall nicht. Aber die Musik ist schön. Ja, schön ist wahrscheinlich das richtige Wort für die gutgelaunte Musik, die in ihrem offenen und direkten Umgang mit Gefühlen aller Art auch vielleicht einfach nur herrlich ehrlich und unpeinlich ist.

Shout Out Louds vs letzte Bahn nach Hause

Von Gutelaunemusik, die mit dem Pop flirtet hin zu richtig schöner Popmusik. Und welche Nation hat das mit dieser Musikrichtung am besten verstanden? Richtig, die Schweden haben nicht nur ABBA hervorgebracht sondern auch die Shout Out Louds kommen aus diesem schönen Land im hohen Norden. Sicherlich eine der Headliner Bands des Donnerstags. Die gleiche Bühne, auf der an diesem Tag auch schon Kate Nash stand, sprich das Docks, bot auch für die Shout Out Louds die richtige Kulisse. Gegen halb 12 betraten sie die Bühne und ein Phänomen, das sich schon in den Jahren zuvor beobachten ließ, hielt dann auch recht bald Einzug in diesen Club. Zu Beginn noch recht gut gefüllt, brach eine halbe Stunde nach Konzertbeginn das Clubflüchten aus, denn die letzte Bahn fährt sonst ohne einen nach Hause. Wir haben uns davon nicht weiter beeindrucken lassen und weiter den schönen Tönen der Shout Out Louds gelauscht. Viele alte Hits, einiges an neuem Material, das leider nicht so recht zu begeistern vermag und eine sehr zurückgenommene und wenig kommunikative Band. Aber hej, die Lichtshow mit dem ganzen Nebel hat da ihr übriges getan. Ein schöner Tagesabschluss, der aber leider nicht lange im Gedächtnis bleiben wird, hat man so eben alles schon gesehen, auch wenn‘s schön war.

Und was wir am Freitag und Samstag erlebt haben, erfahrt Ihr hier in Kürze!

Waren dabei: Lena Krüger & Samira Szago