Interview mit Erdmöbel

An einem lauen Spätsommernachmittag im August treffe ich Erdmöbel in Gestalt von Markus Berges und Produzent Ekimas zum Gespräch über das lang erwartete neue Album der Kölner Band. Ein freudiges Wiedersehen! Erst einmal werden mir Croissants aufgezwungen („Du bist die Letzte, Du musst das alles aufessen!“), dann Urlaubserinnerungen ausgetauscht. Gut gebräunt und erholt sehen beide aus. Und… ja… rosa!

Ihr seid so schön rosa!

Ekimas: Ja, wir haben uns unserem Cover angepasst! Und wir haben festgestellt, dass wir selbst in Köln, wo die Leute ja eigentlich ganzjährig verkleidet sind, damit auffallen. Wir haben es geschafft, dass die Leute uns am Eigelstein hinterher gesehen haben, als wir zu viert in rosa Klamotten dort entlang sind. Und das ist nicht so einfach! Wir fänden es übrigens toll, wenn unser Publikum auch in rosa zu unseren Konzerten käme. Das ist natürlich ein frommer Wunsch – aber toll wäre es!

Zum Coverfoto – hast Du das gemacht? Es entspricht sehr der Ästhetik Deiner Fotos, wie ich sie kenne.

Ekimas: Ja, das war ein Handy Foto. Das Motiv kam so gut an, dass wir auf die Idee kamen es aufs Cover zu nehmen. Ich habe dann überlegt, ob ich noch einmal mit einer guten Kamera dort hin gehe und es „ordentlich“ fotografiere. Aber das wäre wahrscheinlich gar nicht gegangen. Es hatte geregnet und alle Blüten kamen gleichzeitig runter, das habe ich fotografiert. Gedacht habe ich mir damals gar nichts dabei, es war einfach ein Schnappschuss.

Es ist ja eine Weile her, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich habe in der Zwischenzeit noch ein Kind bekommen. Was habt Ihr denn so geboren?

Markus Berges: Wir eigentlich nur Musik.

Wenn man liest, was Ihr selbst zu eurem Album schreibt, hört es sich ja so an, als wäre es keine besonders leichte Geburt gewesen.

Ekimas: Jetzt, da wir immer wieder darüber reden, denken wir, dass es eigentlich ähnlich schwer wie alle anderen Alben war. Es kam uns besonders schwer vor, weil es uns diesmal nicht gelungen war, wie sonst vorab eine Devise auszugeben, was für ein Album wir machen wollen. Wir wussten eigentlich nur, dass diese anders und besser werden musste als die letzte Platte. Das war vielleicht ein bisschen schwammig. So waren die Songs am Anfang ziemlich schwere Geburten, sowohl was Markus‘ Schreiben anging, als auch die Arrangements zu finden. Aber es ist ja glücklich ausgegangen. Wir finden die Platte selber jetzt ganz toll. Das kam aber auch erst, als wir sie im Ganzen gehört haben. Davor waren wir uns nicht so sicher.

Wenn man die Hintergrundgeschichte nicht kennt und das Album einfach nur hört, hört es sich auch gar nicht so an. Im Gegenteil, es geht ziemlich nach vorne, eher so, als würdet ihr begeistert los galoppieren.

Markus: Das ist natürlich schön. Jetzt ist es für uns ein ähnliches Gefühl. Ich finde auch, dass man von den Schwierigkeiten, die wir hatten, auf dem Album letztendlich nichts hört. Wie das Ganze Fahrt aufnimmt und eigentlich zügig ist und leicht, dabei nicht weniger aggressiv ist als das „Krokus“ Album – es ist am Ende kein schwieriges Album geworden. Das hätte ja auch passieren können, dass man sich mit Kompliziertheit behilft. Wir wussten nur, wir wollen uns bewegen, aber nicht so richtig wohin.

Ekimas: Vielleicht lernen wir das auch daraus. Dass wir uns nicht zwingend irgendwo hin bewegen müssen, solange wir uns überhaupt bewegen. Man kann sich nicht unendlich oft neu erfinden, irgendwann wiederholt man sich zwangsläufig. Das war uns bewusst und deshalb war es diesmal schwierig. Es ist aber ganz bestimmt keine Platte über eine Krise. Es gab Leute die meinten, wir sollten genau das sagen. Es stimmt aber nicht. Sie ist vielleicht krisenhaft entstanden, aber sie handelt nicht davon. Wovon sie handelt – frag mich nicht. (Zu Markus) Weißt Du’s?

Markus: Nö. Sonst müssten wir keine Songs darüber schreiben, wenn wir wüssten, wovon’s handelt.

Damals bei „Krokus“ habt Ihr erzählt, dass eine Eurer Hauptmotivationen war, nach Eurem Coveralbum endlich wieder eigene Songs zu machen. Vielleicht war das eine etwas klarer definierte Ausgangssituation.

Markus: Außerdem war bei „Krokus“ unsere Devise: „Wir scheißen drauf.“ Da kann man ja schlecht wieder von zurück. Sollte jetzt die Devise sein: „Wir scheißen nicht mehr drauf“? (Gelächter)

Ekimas: Die Devise brauchten wir damals auch, diesmal nicht. Mit „Krokus“ hatten wir schon drauf geschissen – von daher war es diesmal eigentlich sogar einfacher! Und das war uns irgendwie unangenehm. Dass wir eigentlich nur Musik machen mussten, nicht gegen Widerstände ankämpfen.

Nachdem ich letztes Mal zugegeben habe, dass ich nie auf Eure Texte höre, habe ich gedacht, ich muss dieses mal andersrum ran gehen.

Markus: Oh Gott, bloß nicht!

Letztendlich bin ich aber wieder daran gescheitert. Ein Stück weit kann ich mit gehen, was Markus erzählt, aber wirklich verstanden habe ich am Ende doch wieder nichts.

Ekimas: Das geht mir aber genauso. Heute morgen erst dachte ich, ich hätte die Story erkannt, die hinter „Cardiff“ steckt. Aber Markus meinte nur „nö“.

Aber ist das nicht total verrückt? Dass Du etwas schreibst, in das jeder etwas völlig anderes hinein interpretieren kann?

Markus: Klar. Für mich selber müssen die Texte in erster Linie absolut unbeliebig sein. Das heißt jetzt nicht, dass ich eine bestimmte Botschaft dahinter habe, aber für mich haben die Sachen weitgehend Zusammenhang und Geschichte. Eigentlich finde ich es komisch, dass das nicht offensichtlicher ist. Auch für mich. Gleichzeitig geht es um die Textmusikalität und ich möchte, dass die Zeilen auch für sich stehen können. Lieder wie „Cardiff“ sind für mich mit ganz konkreten Bildern verbunden, jemand anders sieht da nun mal andere. Bei mir läuft da ein ganz bestimmter Film ab, auch nicht jedes Mal ein anderer. Es tauchen auch in allen Stücken ganz konkrete Figuren auf, die habe ich genau vor Augen. Janine zum Beispiel…

Ekimas: Ach, Janine! Die kenn ich. (Gelächter)

Markus: Ich finde das eigentlich schön so. Auch, dass es dabei nicht immer nur um mich geht. Ebenso, dass das Thema „was meinst du eigentlich damit“ sich über die Jahre hinweg eigentlich erledigt hat.

Ekimas: Das stimmt. So wahnsinnig lang ist das auch noch nicht her. Als „Für die nicht wissen wie“ raus kam, kamen diese Fragen noch. Da hätte man es sogar noch erklären können, aber spätestens bei „Krokus“ wäre es zu komplex geworden. Wir haben dann beschlossen, dass wir nichts mehr dazu sagen, wie Markus etwas meint. Das entzaubert die Sachen ja auch.

Dabei ist es Euch sehr anzurechnen, dass es auch nie zu verkopft wird. Da darf sich auch mal „Herz“ auf „Schmerz“ reimen.

Ekimas: Oh, da hat Markus drum gekämpft, dass er das durfte! Aus irgend einem Grund wollte ich das raus schmeißen. Aber er wollte unbedingt, dass das auch möglich ist.

Markus: Da hast Du Recht, es ist uns wichtig, dass es trotz aller Ernsthaftigkeit auch etwas Spielerisches hat. Und trotzdem nicht beliebig ist. Meinetwegen etwas Experimentelles. Dass auf jeden Fall Raum für den Zuhörer bleibt, ohne dass Dir etwas Bestimmtes gesagt wird.

Nun heißt das gute Stück „Kung Fu Fighting“. Gab es eigentlich schon einmal einen Song, der wie ein anderer heißt, aber nicht weil es sich um ein Cover des selbigen handelt, sondern weil dieser Song darin zitiert wird?

Ekimas: Gibt es glaube ich nicht, nein. Das rechtliche Problem haben wir so gelöst, dass wir den Titel offiziell als Zitat bezeichnen. Ob wir damit durchkommen wissen wir nicht, wir haben verschiedene Anwälte gefragt und jeder hat etwas anderes gesagt. Der Song wird ja wie gesagt zitiert, wir bereichern uns nicht daran.

Markus: Es ist wirklich ein Zitat im engsten Sinne, weil unser Song es auch absolut als Zitat ausstellt. Würde es da tatsächlich Ärger geben, würde ich das überhaupt nicht verstehen.

Ekimas: Wir haben uns schon Gedanken darüber gemacht, ob man das machen kann. Von einem Freund habe ich erfahren, dass Carl Douglas, der das ursprüngliche „Kung Fu Fighting“ geschrieben hat, inzwischen in London als Taxifahrer arbeitet – und ein echt netter Typ sein soll. Wir hoffen mal, dass der Song nicht inzwischen jemand anderem gehört, weil er damals einen schlechten Vertrag hatte. Kann sein, dass da mal jemand kommt – Carl Douglas bestimmt nicht.

„Kung Fu Fighting“ von Erdmöbel erscheint am 27. September auf dem Band-eigenen Label „jippie! industrie“ und kann vorab über den herrlichen Kungfumaten vorgehört werden. Maximaler Kaufzwang besteht natürlich trotzdem!

Interview: Gabi Rudolph

Bandfotos (c) Matthias Sandmann
Portraits Markus Berges & Ekimas (c) Sebastian Weise