Nightwish also. Überhaupt erst durch eine Freundin darauf gebracht, dass die Heroen des Symphonic-Metal in Hamburg Station machen, hat es mich an einem Donnerstagabend in den Hamburger Volkspark gezogen. Ich hatte bisher kaum Berührungspunkte mit der Band, die mit fast 10 Millionen verkauften Tonträgern weltweit einer der erfolgreichsten Musikexporte Skandinaviens ist. Immerhin konnte ich vor ein paar Tagen noch in das aktuelle Album „Imaginaerum“ reinhören, das die zweite Studioveröffentlichung der Band mit der Sängerin Anette Olzon ist, nachdem es Ende 2005 zum öffentlichen Bruch mit der ursprünglichen Frontfrau Tarja Turunen kam.
Der erste Eindruck: Ist das eine riesige Location! In die Multifunktionshalle mit dem wenig klangvollen Namen „o2 World“ passen über 15 000 Menschen, vor einem Jahr trat hier noch Lady Gaga im Rahmen ihrer Welttournee auf. Heute öffneten sich die Toren für die Freunde epischen Metals im Norden. Und die sind dem Ruf in erstaunlich hoher Zahl gefolgt. Das Publikum lässt sich grob aufteilen in 16- bis 25-jährige Metalheads mit langen Haaren, die sich zum Teil sehr mühevoll mit Mittelalterkostüm oder transparentem Oberteil in Schale geschmissen haben. Die andere Hälfte der Zuschauer hat die 40 zumeist überschritten und ist der Optik nach verbeamtet oder von Beruf Hausfrau. Neben mir steht während des Hauptacts die meiste Zeit ein älterer Herr, der verblüffende Ähnlichkeit mit meinem Hausarzt hat.
Doch vor Nightwish betreten EKLIPSE die Bühne, ein Streicherquartett bestehend aus vier attraktiven jungen Damen, die aktuelle Pophits im Klassik-Gewand spielen. Vom musikalischen Anspruch her sicherlich nicht vergleichbar mit Haydn oder Mozart, geht das Konzept jedoch überraschend gut auf. Der sehr gute Live-Sound und die Performance der jungen Damen tun ihr Übriges. Zum Intro des letzten Songs „Clocks“ von Coldplay klatscht das Publikum freundlich mit, nach weniger als einer halben Stunde ist der Spaß auch schon wieder vorbei. Direkt im Anschluss habe ich die Gelegenheit, ein kurzes Gespräch mit der EKLIPSE-Violinistin Scarlett zu führen. Währenddessen verpasse ich große Teile der zweiten Vorband Battle Beast aus Finnland, was schade ist: Der Riff-basierte 80er-Hard Rock der sechsköpfigen Kombo kommt beim Publikum gut an und macht Spaß.
Nach einer längeren Umbaupause betreten dann auch endlich die Musiker von Nightwish die Bühne, die für das erste Lied noch mit einem transparenten, von der Hinterseite beleuchteten Vorhang verdeckt ist. Nach einem stimmigen Schattenspiel fällt dieser dann und macht den Blick frei auf eine riesige Leinwand, vor der die Band fast untergeht. Von Beginn an ist klar, in welche Richtung der Abend gehen soll: Im Wechsel beherrschen imposante Rauch-, Licht- und Feuereffekte die Bühne, während allerlei bedeutungsschwangere Metal-Klischees auf die Leinwand projiziert werden. Dort stürzen dann wahlweise Zahnräder ins Nichts, läuten tonlose Kirchenglocken oder ticken animierte Uhren. Damit nicht ununterbrochen Bewegung auf dem Bildschirm zu sehen ist, zeigt man bei einigen Stücken auch Landschaften direkt aus den Winnetou-Filmen oder düstere Wälder.
Die Musik ist ziemlich genau das, was man sich von der Band erwartet. Der sehr gute Sound der Vorgruppen bleibt unverändert klar, während Versatzstücke des Genres routiniert abgearbeitet werden. So tröten Panflöte und Dudelsack, an einer Stelle kommt ein Kinderchor aus der Konserve, während sich der Gesang zwischen Frontfrau und Bassist abwechselt. Das Ganze ist musikalisch teilweise durchaus anspruchsvoll sowie fehlerfrei und routiniert runtergespielt, wirkliche Leidenschaft ist jedoch kaum zu erkennen. Die eher monotone Setlist variiert zwischen bombastisch und balladesk, am besten unterhalten noch die schnellen Nummern mit treibendem Doublebass-Rhythmus und härterer Gitarre. Gesungen wird über Elfen und Drachen, was einen persönlichen Zugang zu den Texten erschwert. Auch fällt die Interaktion zwischen Band und Publikum eher spärlich aus, eine kurze Begrüßung nach sechs oder sieben Songs ist da schon die Ausnahme. Lediglich vor dem Zugabenblock ergeht sich Bassist und Sänger Marco Hietala in einem minutenlangen Monolog, in dem er voller Pathos den Zusammenhalt und die Stärke der anwesenden Metalfans beschwört. Diese nehmen das Spektakel mit gesittetem Wohlwollen wahr, gemosht oder getanzt wird jedoch ab Reihe 5 nicht mehr.
Zu Beginn des letzten Songs ist es dann Zeit zu gehen, um nicht noch ewig auf dem Parkplatz neben dem HSV-Stadion stehen zu müssen. Ein letzter Blick Richtung Bühne zeigt, dass die Halle nicht ausverkauft ist. Währenddessen weht durch das hintere Drittel ein ausgesprochen strenger Geruch, der vom Abfackeln der Pyrotechnik und vom künstlichen Rauch stammt.
Text: Bastian Schicha
Live Fotos: Inna Knaus