Säkert! im Interview

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sakert(small)Lieder über Sourcream und Fernsehen, warum man vom Belauschen anderer Leute kreativ wird oder was tun gegen Sonnenbrand. Säkert! mit Ausrufezeichen erklärt uns so manches. Glaubt man einer Person in ihrer schwedischen Heimat nicht, antwortet man Säkert. Während der Aufnahmen ihres Debüts Introducing…Hello Saferide“ dachte Annika Norlin, jeder würde ihr Album hassen, der Künstlername beschreibt, wie sie sich damals fühlte. Doch das Album hatte Erfolg, ebenso seine Nachfolger, so viel, dass Säkert! jetzt mit neuem Album „Pa Engelska“ und deutschem Label (Snowhite) im Gepäck die hiesigen Gefilde erobern will.  Wir hatten die Freude, die toughe Schwedin zu interviewen.

Warum ist skandinavisch Musik im Moment so populär?

Säkert!: Es gibt gerade so viele gute schwedische Bands. Ich glaube jeder inspiriert jeden. Die Bindung der schwedischen Musikerinnen ist extraordinär – ich denke, wir hatten alle die Nase voll davon, im Wettstreit zu liegen. Deshalb hilft man sich jetzt.

Warum machst du eigentlich Musik und bist nicht auf eine andere Art und Weise kreative tätig – wie beispielsweise Filme drehen oder Bücher schreiben?

Ich könnte mir schon vorstellen, zukünftig Bücher oder Film-Scripts zu schreiben, aber Songs zu schreiben is just so damn fun! Darüber hinaus ist es sehr erträglich, ein Album zu machen, denn es ist ein großes Projekt, gefüllt mit kleinen Siegen. Jedes mal, wenn ein Song fertig ist, fühlt es sich wie ein Millionengeschäft an. Ich freue mich über jedes Instrument, das dazu kommt, darüber, wenn das Album fertig ist und dann wieder wenn ich die Songs live spiele.

Was bedeutet dir Musik dann?

Alles. Ich denke oftmals, ich wäre unfähig etwas zu fühlen, wenn ich nicht die Musik hätte, um mich zu akzentuieren.

Wie hat das bei dir mit der Musik angefangen?

Ich hatte eigentlich nie wirklich eine Idee. Ich schreibe Songs, seit ich ein kleines Kind bin. Das ist einfach etwas, was ich schon immer mache. Manche Menschen malen, ich habe immer Songs geschrieben. Ich habe allerdings erst vor sechs Jahren mit dem Aufnehmen begonnen. Ein Freund von mir, der ein kleines Label besitzt, hörte einen Song, den ich auf einer Party spielte und er fragte mich, ob ich den nicht für eine Indie-Compilation, die er zusammenstellte, aufnehmen wolle. Anschließend ging alles sehr schnell. Ein weiters Label und einen Booking-Agentur kontaktierten mich und von da an ging es los. Ich habe davor nie in einer Band gespielt, das waren alles interessante und neue Erfahrungen. Es fühlte sich an wie „muss ich jetzt dem Rhythmus des Drummers folgen oder sollte ich meinem folgen?“. Ich hatte keine Ahnung.

Würdest du dich dann als Musik-Nerd bezeichnen?

Ich bin eine Musik-Nerd und Henrik Oja, der das Album mitproduzierte und auch einige der Songs schrieb auch. Ich glaube Säkert! funktioniert wahrscheinlich als eine Art Schmelztiegel für alles, was wir mögen. Für mich gleichen die meisten Songs, die ich schreibe, alten Country-Songs: viel Traurigkeit, viel Humor, komplexe Geschichten und Melodien, die du mitsummen kannst.

Deine Texte sind sehr tiefgründig und sensibel wie kommt das? Zieht dich der Alltag so in Mitleidenschaft?

Ich schreibe so viel, jeden Tag. Doch die Texte dich ich benutze, sind die, die mir erwas ernsthaftes und starkes geben. Die Texte beziehen sich nicht immer auf mein Leben. Ich versuche sie so zu schreiben, dass ich mich traurig, unangnehm oder betreten fühle, wenn ich sie singe. Ich vermute, dass sind genau die Gefühle mit denen sich jeder identifizieren kann. Aber ich habe auch 10 000 Lieder bei denen es um Sourcream essen und Zwiebel-Chips und Fernsehen geht, die machen es allerdings selten ein Album.

Das sind viele Lieder. Pushst du dich dann zusätzlich zu mehr Krativität?Print

Etwas, das meine Kreativität massiv befeuert, ist Mithören. Ich mag es Leuten im Bus, wenn sie sich unterhalten, zu lauschen. Es geht nicht darum was sie sagen, sondern wie. Manchmal läuft jemand an mir vorbei und alles was ich vernehme, ist ein Satz. Wie vor einger Zeit als zwei Frauen, so um die 60, an mir vorbeigingen und sagten: „Er scheint wirklich nett zu sein. Sein Vater ist ein Architekt. Er bot uns einen Kuchen mit Käse und Zwiebeln an.“ Und das gab mir zu denken: Über wen sprechen sie, warum ist diese Information essentiell? Dann ging ich nach Hause und schrieb einen Song.

Dann scheinen dich andere Künstler oder Bewegungen nicht wirklich zu inspirieren?

Ich werde in der Tat sehr selten von anderen Künstlern inspiriert. Filme und Bücher inspirieren mich hingegen mehr. Wenn jemand einen wirklich guten Song kreiert, dann ist es bereits geschehen. Ich kann keine besser Version daraus machen. Lese ich dagegen ein Buch fühle ich etwas,  kann ich versuchen, das Gefühl in einen Song zu verwandeln. Es gibt einen Schwedischen Regisseur, Roy Andersson, er hat einige wundervolle Filme gedreht, die du alle sehen solltest. Ich hab letztlich eine Dokumentation über ihn gesehen, er erzählte von einem Stück, das er an einem Theater inszeniert hatte. Er hatte das Gefühl, dass die Darsteller zu mühevoll spielten. Ihre Passagen kamen nicht aus dem Herzen. Also ließ er einen riesigen Baum dem Bühnenbild zufügen und sagte ihnen, sie sollen sich jedes mal um den Baum winden, wenn sie eine Zeile von sich geben. Dies zu bewerkstelligen, war so kompliziert. Die Schauspieler dachten mehr an das Winden und weniger an ihren Text, das führte sie, dazu natürlicher zu sprechen. Solche Dinge inspirieren mich like hell.

Wie sieht eigentlich dein Alltag aus?

Normalerweise mache ich viel mit meinen Freuden, schreibe, schaue Fernsehen. Ich versuche immer so viel wie möglich fernzusehen, aber bedauerlicherweise habe ich sehr aktive Freunde. Die wollen immer etwas machen und planen ständig neue Dinge wie ein gemeinsames Abendessen oder ein Festival in ihrem Hinterhof.

Du hast mal Journalismus studiert, aber abgebrochen und studierst jetzt Psychologie. Haben dich die Journalisten genervt?

Ich habe Journalismus aus den falschen Gründen studiert – ich wollte schreiben. Ich habe damit aufgehört ,als ich das erste Mal begann Musik aufzunehmen. Psychologie studiere ich, da ich spüren konnte, wie mein IQ während des Tourens geschrumpft ist. Mein Gehirn musste gefüttert werden. Ich war als Journalistin tätig. Ich empfinde es als ärgerlich, wenn Journalisten ihren Job nicht ordentlich machen. Das sind Berufs-Ethiken oder so was. Ich kenne so viele gute Journalisten, die es schwer haben eine Anstellung zu finden. Deshalb hasse ich es, wenn ich Journalisten treffe, die sich nicht mal die Mühe gemacht haben unser Album zu hören, bevor sie Fragen stellen. Recherchierst du im Vorfeld nicht ausreichend, ist es jedes Mal ein verschwendetes Interview. Wie wenn du Klempner bist und kein Werkzeug dabei hast.

Und was ist das letzte Buch, das du nicht zu Ende gelesen hast?

Ich versuche permanent Paul Auster’s New York-Trilogie zu beenden. Ich lese einige Seiten und denke „This is fucking genious“. Aber ich lese immer abends im Bett und da bin ich am dümmsten, also sind es meistens Krimi-Romane oder Comic-Bücher.

Was tun gegen Sonnenbrand?

Einfach. Sei ein echter Skandinavier und blass. Dann bist du viel zu geängstigt vor Sonnenbränden, um dir überhaupt einen zu holen.

Was sind deine fünf musikalischen Empfehlungen für den nahenden Herbst?

Im Moment würde ich sagen: Calm Down – Loney Dear, Old City Delusion – Firefox AK, Gotland – Merit Hemmingsson, Lake Shore Drive – Aliotta Haynes Jeremiah und The Way It Goes – Gillian Welch.

Drei Dinge die jeder mag, außer dir:

Fleisch. Das ist totes Tier. Den Film „A Single Man“. Ich finde den extrem langweilig, aber alle meine Freund lieben ihn. Und den derzeitigen Trend der Kamel-farbenen Kleider. Niemand sieht darin gut aus.

Letzte Frage: Wen würdest du liebe heiraten? David Bowie oder Prince?

Beide! Dann sperre ich sie in mein Wohnzimmer und lasse sie endlose Mengen an schmutzigen Songs für mich schreiben.

Interview: Sebastian Schelly