Gehört und mit I Am Oak drüber gesprochen: Das neue Album „Nowhere Or Tammensaari“

I Am Oak ist das Projekt von Thijs Kuijken – angefangen als Soloprojekt und in Niederländischen Wohnzimmern, zieht er mittlerweile mit einer Band durch internationale Gefilde. Es ist schon ein paar Monate her, dass ich ihn, nur von einer jungen Dame begleitet, auf einem Popkomm Showcase live gesehen habe und nur vier Stunden später mit seiner Band im Maschinenhaus. Das war nicht das letzte Mal, dass ich I Am Oak gesehen habe, aber der Tag, an dem ich mich in die Musik verliebt habe. Die Ausstrahlung, die Stimme und die Musik sind wunderbar beruhigend. Seine Musik trägt  einen fort, in seine Gedankenwelt und noch mehr in die eigene.

Das aktuelle Album „Nowhere Or Tammensaari“ ist schon das dritte Album auf Snowstar Records aus der Feder von Kuijken seit 2010 – „On Claws“ (2010) und „Oasem“ (2011) sind die beiden ersten Alben. Dazu kommen noch EP’s, Compilations und selbst veröffentlichte Alben. Trotz dieser relativ hohen Anzahl an Veröffentlichungen klingt „Nowhere Or Tammensaari“ immer noch sehr roh. Es ist kein hoch poliertes Studioalbum und warum kann man im Interview nachlesen. Das ist einer der Gründe, wieso ich I Am Oak und dieses Album insbesondere sehr mag. Ein weiterer ist die Stimme von Kuijken – so wunderbar sanft. Sie lässt die Instrumente oft im Hintergrund zurück, mitunter scheint es so, als ob er die instrumentale Begleitung nicht bräuchte.

Als Kuijken und ich uns zum Interview trafen, war das Album noch in weiter Ferne. Es war Anfang des Jahres in einem kalten Backstageraum des HBC. Das Album war zwar schon aufgenommen, aber hören konnte ich es noch nicht. Den Titel kannte ich auch nicht, sonst hätte eine meiner ersten Fragen ihm gegolten. „Tammensaari“ ist Finnisch und heißt so viel wie Inseln der Eichen (engl. Oaks). Es wirkt für mich fast so, als ob er ohne die Musik verschwinden würde und auch als ob er sich vom einzelnen Baum zum Wald, zur Band, hin entwickelt. Ein ähnliches Bild zeigt auch das Cover. Es zeigt jemanden, der alleine am Ufer eines Sees steht und fast zu verschwinden droht, den Blick auf die andere Seite gerichtet – zum besiedelten Teil des Ufers. Seine Erklärung des Titels ist eine andere. „Ein Ort, der sich ständig ändert und bewegt; das ist ‚Nowhere’“. Und Tammensaari ist die Alternative dazu.

Thijs Kuijken wirkte sehr ruhig im Interview, er sprach langsam und relativ leise – ganz so, wie seine Musik es vermuten lässt. Wir haben uns über das neue Album unterhalten und wie es war, erstmalig mit einer Band bei den Aufnahmen zusammenzuarbeiten, das Artwork und wie Notwendig es ist, Noten lesen zu können – oder auch nicht. Viel Spaß beim Lesen!

Was bevorzugst du: zu zweit oder mit einer ganzen Band live zu spielen?

Es ist alles interessant. Beide Kombinationen haben ihre Vor- und Nachteile. Da es wirklich klein ist, wenn ich alleine oder wir zu zweit spielen, muss man eine ruhige Umgebung haben, die Leute müssen wirklich zuhören und mit einer Band hat man ein wenig mehr Spielraum auch mal etwas lauter zu spielen.

Damals schien es für mich so, als ob du mehr aus dir selber herauskommen müsstest, wenn du mit deiner Band spielst, zum Beispiel singst du lauter.

Ja, weil sich die Songs auch ein wenig ändern, denke ich. Wenn man alleine spielt, dann kann man wirklich sehr leise spielen und es ist auch sehr intim. Mit einer Band ist es sehr viel dynamischer. Ein paar mehr Hochs und Tiefs.

Ich habe gelesen, dass die Band mehr Einfluss bei den Aufnahmen für das neue Album hatte – war das schwer für dich?

Nein, es war eigentlich ziemlich angenehm. Ich war es gewohnt, die Aufnahmen alleine zu machen und das war das erste Mal, dass die Band in den Aufnahmeprozess und auch ein wenig in den Prozess des Schreibens mit eingebunden war. Ich hatte die Basis: Akustische Gitarre und die Vocals waren schon geschrieben, bevor wir ins Studio gegangen sind und bestimmte Teile habe ich noch hinzugefügt, aber für den Rest hat jedes Bandmitglied seine eigene Ideen zu seinem Instrument beigesteuert. Wir haben also wirklich etwas als Band aufgebaut. Das war zur Abwechslung mal sehr nett und es war für mich ziemlich spannend, weil ich so etwas noch nie vorher mit meinen Songs gemacht habe.

Ich habe auch gelesen, dass du auch bei jedem Album etwas neues ausprobierst, um es anders klingen zu lassen…

Ja, das war wirklich neu. Der Sound hat sich auf Grund dessen auch erneuert, es hört sich anders an als die restlichen Alben. Es hört sich jetzt mehr nach einer Band an, die Dynamik einer Band.

Ich kann mir vorstellen, dass es ein ziemlicher Unterschied ist, ob man alleine für sich schreibt oder ob man in einem Studio ist.

Ja, es ist wirklich ein Unterschied. Es ist viel spontaner, denke ich. Wenn ich alleine schreibe, dann mache ich die Sachen immer und immer wieder, bis sie für mich perfekt sind. Mit der Band war der Prozess viel schneller, weil wir nur einen limitierten Zeitraum zur Verfügung hatten, wir hatten nur zwei Wochen Zeit.

Zwei Wochen um die Songs auch zu schreiben?

Ich hatte die Songs schon geschrieben, also waren es zwei Wochen, um die Songs zu arrangieren und aufzunehmen. Der Prozess war also viel schneller als wenn ich alleine schreibe. Ich denke, man kann auch hören, dass es ein wenig spontaner ist. Es hat auch ein gewisses Livegefühl, da wir viele der Songs aufgenommen haben, als wir sie live gespielt haben.

Eigentlich schreibst du deine Musik schon ziemlich schnell, du hast in kurzer Zeit recht viel Musik veröffentlicht – also war es diesmal noch schneller.

Yeah, aber es hängt wirklich davon ab, was ich mache. Im Moment sind wir ja auf Tour und ich kann nicht wirklich irgendwas schreiben und wenn ich ein wenig Zeit, eine Pause, habe, dann fange ich einfach wieder an zu spielen. Es fängt dann schnell an und ich schreibe viele Songs. Die Songs auf dem Album, dass wir aufgenommen haben stammen aus der gleichen Periode wie die von „Oasem“. Also, es ist einfach eine lange, große Pause. Ich schiebe dann Songs nach Hinten und komme später wieder auf sie zurück. Ich habe also eine Art von Ideenkatalog auf den ich zurückgreifen kann.

Ich habe mal mit einer Band gesprochen, die mir erzählt hat, dass sie zwischen ihren Alben das Leben passieren lassen muss und daher eine Pause von 2-3 Jahren hatte.

Ich denke, dass ich das nicht brauche, aber ich brauche neue Impulse. Für eine Zeit schrieb ich meine Songs nur mit der Gitarre, dann bekam ich ein Keyboard und habe angefangen darauf Songs zu schreiben, da es mir einen neuen Impuls gab. Es kommen also viele der Songs aus dieser Richtung, dann habe ich wieder die Gitarre in die Hand genommen und dann wieder zurück zum Keyboard. Ich versuche mir selber neue Impulse zu geben in dem ich Instrumente benutze, die ich normalerweise nicht benutzen würde oder eine ganze Zeitlang nicht benutzt habe.

Wie suchst du dir die Instrumente aus, die du benutzt?

Ich weiß nicht. Ich denke, es passiert einfach. Bei „On Claws“ habe ich alles auf der Gitarre geschrieben und dann habe ich dieses alte Keyboard auf einem Flohmarkt gefunden und angefangen darauf zu spielen. Also, es ist einfach ein Zufall, dass ich es gefunden habe, aber es gab mir wirklich eine neue Inspiration.

Gibt es irgendwas, das du gerne noch dazu nehmen würdest?

Ich würde gerne etwas mit Streichern machen oder einem Orchester. Ich war immer daran interessiert, orchestralen Sound mit Popmusik zu kombinieren. Das ist etwas, was ich gerne machen würde. Aber es ist nur eine Idee. Ich weiß nicht, ob oder wann es  passieren wird. Es ist so, dass ich nicht wirklich weiß, wie man Noten schreibt und so Zeug. Da ich offensichtlich all diese Instrumente nicht selber spielen kann, muss ich mir Hilfe suchen…

Du hattest also nie eine traditionelle Musikausbildung oder etwas dergleichen?

Nein, bisher nicht. Ich hatte ein paar Gitarrenstunden als ich ein Kind war, aber das war es auch.

Denkst du es ist wirklich notwendig, Noten lesen zu können und all das?

Nein, ich denke nicht, weil ich kann keine Noten lesen und ich hatte keine Stunden im Schlagzeug spielen oder für Keyboard oder Bass. Man braucht nur eine gewisse Menge an Fähigkeiten um das zu tun was nötig ist. Für mich, für meine Musik, brauche ich nicht perfekt zu sein, da sie nicht wirklich technisch ist, sie ist mehr emotional.

Man kann die emotionale Seite der Musik nicht lernen. Man kann all die Technik beherrschen, aber…

Meine Meinung ist, dass Musiker, die technisch sehr versiert sind, nur technisch anspruchsvolle Sachen spielen und einen Mangel an Emotionalität haben. Es macht mir nichts aus, wenn etwas ein wenig lausig oder verstimmt gespielt wird. Wenn etwas perfekt ist, ist es etwas langweilig, denke ich. Es gibt keine emotionale Spannung. Eine Zeitlang ist es cool, weil man denkt „Oh, er kann die Gitarre sehr gut spielen…“, aber dann es ist einfach…

Du machst das Artwork auch selber – wie kommt das?

Ich mochte die Bildersprache, Fotografien und Malerei schon immer und ich zeichnete oft. Und dann habe ich angefangen Fotografie zu studieren als ich 20 war und ich mache dort  immer noch meinen Abschluss. Also, die Bildersprache war mir immer sehr wichtig und die Musik auch. Als ich mit der Musik angefangen habe, habe ich auch angefangen, meine eigenen Cover zu kreieren. All die Cover von I Am Oak wurden von mir gestaltet, weil ich denke, dass es wichtig ist, das Gefühl von der Musik auf das Albumartwork auszuweiten, so dass es ein Paket wird. Man kann die Musik und das Artwork in Beziehung setzen – das Artwork sagt etwas über die Musik aus und die Musik über das Artwork und so weiter. Ich war schon immer daran interessiert. Ein paar Freunde haben ein neues Album aufgenommen und mich gefragt, ob ich ihr Artwork machen würde, weil sie das von I Am Oak mögen. Das habe ich also auch ausprobiert und es macht wirklich Spaß, weil es wirklich anders ist als mein eigenes zu entwerfen. Es ist ja offenkundig nicht meine Musik, aber es ist wirklich cool, ihre Musik zu hören und zu versuchen ein Bild zu bekommen und etwas zu erzeugen. Sie mochten es auch.

Vielen Dank für das Interview, Thijs!

Das neuste Album „Nowhere Or Tammensaari“ ist am 15.6.2012 bei uns erschienen. Die erste Auskopplung „Palpable“ kann man sich auf der Webseite von I Am Oak für einen Tweet/Facebookshare runterladen. Hier noch das Video zu „Palpable“:

Fotos und Interview: Dörte Heilewelt

www.iamoak.com