Wolf Alice im Interview: „Wir haben uns den Erfolg hart erarbeitet“

Zählt man die drei EPs nicht mit, hat die britische Band Wolf Alice mit „Visions Of A Life“ gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Ein rundum gelungenes Album mit sehr rockigen und frischen Anklängen, mit dem die Londoner gerade auf Tour sind. Uns haben sie im Interview Rede und Antwort gestanden.

Herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album. Ich finde es wirklich gelungen, zwei Songs sind mir besonders hängen geblieben: „Beautifully Unconventional“ und „Don’t Delete The Kiss“.

Theo: Gute Wahl!

Eure erst Single ist „Yuk Foo“. Da ist doch vorprogrammiert, dass es falsch ausgesprochen wird. Hast du dich dabei schon mal versungen, Ellie?

Ellie: Nein, bisher ging es immer gut. Das Wortspiel war aber schon beabsichtigt. Wir haben das Demo ursprünglich so benannt und dann fanden wir es so witzig, dass wir den Titel gelassen haben.

Der Song geht extrem nach vorne. Wusstet ihr bereits im Studio, dass das eure erste Single wird?

Ellie: Nein, die haben wir erst ausgewählt, als wir fertig waren und uns noch mal alle Songs angehört haben. Bei diesem Song hat sich eine gewisse Aufregung eingestellt und wir hatten das Gefühl, das muss die erste Single sein. Der Song klickte sofort bei uns allen und wir haben gehofft, dass es unseren Fans genau so geht.

Du lehnst dich in dem Song gegen die unterschiedlichsten Dinge auf. Ist das eine Methode um sich Luft zu machen?

Ellie: Ja, ganz genau so geht es mir bei dem Song. Einige Leute haben behauptet, der Song ist unreif und wir hätten ihn einfach nur mit Schimpfwörtern gespickt. Das wird aber dem Song überhaupt nicht gerecht. „Yuk Foo“ ist ein musikalisches Manifest. Es geht um Dinge, die mich ankotzen. Und wenn das der Fall ist, drücke ich mich nicht sehr gewählt aus. Manchmal nerven einen Dinge so sehr, dass man am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand hauen möchte. Das bringt der Song zum Ausdruck und hat daher auch eine gewisse Aggressivität.

War die Arbeit an dem zweiten Album schwieriger als am ersten, da die Erwartungshaltungen dann höher sind? Ihr wurdet ja ganz schön gefeiert nach „My Love Is Cool“.

Theo: Ich fand den Druck beim ersten Album sogar größer. Wir hatten durch die EPs eine Fanbase aufgebaut, die sehr hohe Erwartungen an unser erste offizielles Platte hatte.

Seid ihr das erste Album anders angegangen als das zweite? Gab es so etwas wie einen Lernprozess?

Ellie: Dieses Mal war alles schon viel besser geplant als wir ins Studio sind. Wir haben ungefähr 6 Monate für die Vorbereitung gebraucht. Und dann nur noch ungefähr vier Wochen für die eigentliche Produktion. Wir waren fokussierter, den Spaß haben wir dabei aber trotzdem nicht verloren. Ich habe mich dieses Mal einfach besser vorbereitet gefühlt.

Ihr habt schon während der letzten Tour an den Songs geschrieben?

Joel: Ja wir haben die Zeit genutzt und im September schon während der Tour angefangen Ideen zu sammeln. So hatten wir schon eine gute Grundlage, als wir uns dann Ende Januar zusammen zum Schreiben zurückgezogen haben.

Sammelt ihr Inspirationen, wenn ihr unterwegs seid?

Ellie: Auf Tour ist es wesentlich schwerer zu schreiben. Es sind eher Schnipsel, als dass man eine komplette Idee für einen Song entwickelt.

Joff: Man kann es mit Skizzen vergleichen, aus denen erst später ein Gemälde wird.

Ellie: Was man auf Tour erlebt, die Bands die man auf Festivals sieht, Gefühle die man hat, all das beeinflusst die Songs später schon.

Nutzt ihr noch die Gelegenheit, andere Bands zu sehen, wenn ihr auf Tour seid?

Joel: Das hängt von unserem Zeitplan ab. Wenn wir die Chance haben versuchen wir schon uns andere Bands anzuschauen. Wir hatten letztes Jahr die Gelegenheit ein bisschen Zeit auf dem Glastonbury Festival zu verbringen. Das war absolut fantastisch.

Oh, ich weiss von was ihr redet. Ich war dieses Jahr zum ersten Mal dort.

Joel: Und wie fandest du es? Hat es dich umgehauen?

Ja, absolut. Es war so ziemlich das Beste, was ich je erlebt habe.

Joel: Das kann ich mir vorstellen. Auf dem Glastonbury ist es fast egal welche Band du siehst, es ist fast alles besonders.

Habt ihr euch verändert, seid ihr angefangen habt, fühlt ihr euch erwachsener? Ist es schwer, sich diesen unbedarften Spirit zu behalten, den man am Anfang noch hat?

Ellie: Wir haben alle in einem Alter angefangen, in dem man sich noch so oder so sehr verändert. Egal was man macht. Anfang 20 ist die Zeit im Leben, in der wahrscheinlich gefühlt am meisten passiert. Ich fühle mich jetzt mit 24 so anders im Vergleich zu 20, obwohl es nur vier Jahre Unterschied sind. Das wurde sicherlich noch verstärkt, dass wir in der Zeit viel auf Tour waren, da hat man kein ganz normales Leben. Ansonsten sind wir die gleichen langweiligen Typen wie vorher geblieben (alle lachen).

Wie geht man damit um, wenn man direkt von Anfang an so einen Hype erfährt wie ihr?

Ellie: Alle haben immer den Eindruck, dass es ganz schnell passiert ist. Aber eigentlich ist es doch nach und nach passiert und wir hatten die Chance uns daran zu gewöhnen. Selbst als wir noch keine Fans hatten waren wir auf Tour. Wir haben uns den Erfolg hart erarbeitet. Am aufregendsten war wahrscheinlich, als wir den ersten Gig außerhalb Londons hatten. Dass die Venues größer wurden war dann gar nicht mehr so aufregend, das kam nach und nach.

Ihr habt eine sehr nette Aktion für eure Fans gemacht und Postkarten verschickt, um die Platte anzukündigen. War das eure Idee?

 Joff: Das war deine Idee Ellie, oder?

 Ellie: Ja, eigentlich wollten wir einen Brief verschicken. Das haben wir dann aber wieder verworfen. Wenn ein Brief nicht wirklich handgeschrieben ist, sieht das nicht gut aus. Dann sind wir auf die Postkarten gekommen, weil wir es eine nette Idee fanden, Bilder zu den Lyrics und Songs zu machen. Wir haben dann einfach einen Aufruf gemacht und unsere Fans nach ihren Adressen gefragt. Wir hätten es auch einfacher haben können, denn unser Label hat die Adressen derjenigen, die Platten bestellt haben. Aber das haben wir erst im Nachhinein erfahren.

Die Reaktion auf Facebook darauf waren wahnsinnig Positiv. Die Leute haben sich riesig über die Karten gefreut.

Theo: Heutzutage in diesem digitalen Zeitalter ist es doch nett, wenn man etwas Physisches bekommt. Das erfährt wieder eine ganz andere Wertschätzung und man kann eine ganz andere Verbindung aufbauen.

Joel: Wir sind selbst alle Musikfans, da muss man nur mal darüber nachdenken, was einen selbst begeistern und involvieren würde. Natürlich kann man auf Facebook gut Informationen  verbreiten, wenn man aber möchte, dass die Fans einen auch noch in den nächsten Jahren unterstützen, muss man sich etwas mehr Mühe geben und etwas Besonderes machen.

Glaubt ihr, dass es immer wichtiger wird etwas Spezielles zu machen, um die Fans an sich zu binden?

Joff: Social Media ermöglicht einem zwar mit mehr Menschen als je zuvor zu kommunizieren, dafür ist es aber auch mehr denn je oberflächlicher. Daher ist es eigentlich einfacher und eigenständiger zu Oldschool-Maßnahmen zurück zu greifen. Selbst bei den 15/16-jährigen wird gerade wieder Vinyl total populär. Es gibt eine neue Wertigkeit, die momentan sehr geschätzt wird. Die Leute haben einfach vergessen, was eine Platte ist, das ist ein Stück Kunst. Die ganze Gestaltung der Cover, alles ist viel liebevoller.

Ich glaube auch, dass durch Vinyl die Texte wieder wichtiger werden. Man liest sie, macht sich Gedanken über den Inhalt.

Joff: Absolut. Ich habe schon Stunden damit verbracht eine Platte zu hören und mir dabei die Texte durchzulesen.

Ellie: Ich kaufe mir Vinyl gar nicht unbedingt um es auf dem Plattenspieler zu hören, sondern um mir die Cover anzuschauen. Sie sind Teil meiner Zimmerdeko.

Ihr geht jetzt mit der neuen Platte auf Tour. Zum Teil waren die Konzerte sehr schnell ausverkauft. Habt ihr damit gerechnet?

Ellie: Wir haben die Hallen, in denen wir spielen absichtlich ein bisschen verkleinert, weil wir wieder eher eine intimere Club-Atmosphäre kreieren wollten. Das war mit dem Risiko verbunden, dass die ein oder andere Location schnell ausverkauft war. Es hat uns aber extrem positiv überrascht, wie schnell das ging. Wir sind auch echt nervös vor unseren Auftritten.

Theo: Wenn es weiter so gut läuft müssen wir einfach zurückkommen. Es macht aber wahnsinnig Spaß die ganzen neuen Songs zu spielen. Viele Songs hören sich live auch komplett anders an als auf Platte. Wir versuchen die Songs nicht eins zu eins zu spielen, es kommen zum Teil ganz neue Version heraus.

Dann freuen wir uns, euch demnächst hier in Berlin live zu erleben!

Wer den Unterschied von Platte zu Live von „Visions Of A Life“ und viele der tollen älteren Songs hören will, sollte sich schnell noch ein Ticket sichern:

30.10.2017 Berlin, Festsaal Kreuzberg
01.11.2017 Hamburg, Mojo Club
02.11.2017 Köln, Luxor

 

Interview: Kate Rock

http://wolfalice.co.uk