Wincent Weiss im Interview: „Ein schöneres Gefühl als live zu spielen kann ich mir nicht vorstellen“

Ein Leben ohne Musik ist möglich, aber sinnlos. Nicht nur wir sehen das so, sondern auch der aufstrebende Stern am deutschen Musikhimmel, Wincent Weiss (”Musik sein”). Wir haben Wincent vor seinem Konzert beim renommierten SWR3 New Pop Festival in Baden-Baden zum Interview getroffen. Dabei hat er uns verraten, wie es war mit Kumpel Max Giesinger Songs zu schreiben, welche Musik er privat gerne hört und wie er sich den perfekten Tag vorstellt

Ich habe dich vor fast genau einem Jahr zum ersten Mal live erlebt, damals noch als Support von Max Giesinger. Seitdem ist einiges passiert. Du hast dein Album „Irgendwas gegen die Stille“ veröffentlicht und zwei erfolgreiche Touren gespielt. Wie hast du das letzte Jahr selbst erlebt?

Ja, das stimmt. Es ist sehr viel passiert in diesem Jahr. So viel, dass es fast ein wenig zu schnell ging für mich, um das alles wirklich nachvollziehen zu können. Ich habe vor knapp über einem Jahr mein erstes eigenes Livekonzert in Augsburg gespielt, vor nur 30 Leuten. Davon hatten wir mehr als die Hälfte der Gäste eingeladen. Und jetzt spielen wir eigene Tourneen – das ist eine krasse Entwicklung, die man nur schwer realisieren kann.

Wenn du zurückblickst, wann hattest du zum ersten Mal Berührungspunkte mit der Musik? Wann hast du angefangen, dich voll auf die Musik zu konzentrieren?

Ich habe mit ungefähr 17 begonnen zu singen und Gitarre zu spielen, Ich habe damit angefangen, Youtube Songs von Boyce Avenue nachzuspielen und nachzusingen. Allerdings habe ich das immer nur als Hobby gesehen, Profisänger zu sein war für mich extrem weit weg. Als ich dann wirklich aufgrund des Erfolges von „Unter meiner Haut“ einen Plattenvertrag bekommen habe, war das für mich ein krasses Gefühl. Ich konnte es kaum glauben. Ich habe dann einfach mal quasi aus Jux und Dollerei den Job gekündigt und wollte abwarten, was passiert. Es ist gut gegangen und seit anderthalb Jahren mache ich das jetzt tatsächlich hauptberuflich.

Dein erstes Album „Irgendwas gegen die Stille“ wurde im April veröffentlicht und ist in den Charts bis auf Platz 3 gestiegen. Du hast zwei der Songs gemeinsam mit Max Giesinger geschrieben („Ich tanze leise“ und „Betonherz“) . Wie kann man sich den Songwriting Prozess vorstellen? Gab es da eine Art Arbeitsteilung oder sind die Songs gemeinsam entstanden?

Die Songs sind tatsächlich in einer Art Gruppenarbeit entstanden. Wir saßen mit Max und Steffen (Graef), seinem Gitarristen, in Hamburg in dessen Studio und haben uns Ideen an den Kopf geworfen. Steffen hat meistens Gitarre gespielt und wir haben versucht, eine Melodie zu finden. Wir haben über Dinge geschrieben, die uns bewegen. Beim Songwriting mit Max haben wir komplett bei null angefangen. Manchmal gibt es aber auch ein konkretes Thema, über das man schreiben möchte, zum Beispiel über meine kleine Schwester oder über meine Familie. Die Herangehensweise unterscheidet sich von Fall zu Fall.

Was liegt dir denn persönlich mehr?

Das kommt darauf an. Manche Songs schreibt man ganz schnell frei von der Leber weg, manchmal sitzt man mehrere Tage dran. Das ist unabhängig davon, ob man davor schon ein Thema im Kopf hat oder nicht. Über persönliche Erlebnisse zu schreiben fällt mir persönlich leichter als über eine bestimmte Thematik. Aber gerade Songs zu denen man einen engen Bezug hat, können wiederum extrem tricky sein, wenn man nicht genau weiß, wie man bestimmte Dinge formulieren soll…

Was muss ein Song haben, damit er dich berührt?

Ich muss mich in den Song hineinversetzen können. Dabei geht es mir nicht darum, genau das nachzuvollziehen, was der Künstler damit aussagen will, sondern dass der Song ein Gefühl beschreibt, das ich nachvollziehen kann. Wenn das gelingt, dann hat man mit einem Song schon alles erreicht, was möglich ist.

Hast du einen all-time favourite Lieblingssong?

Das kommt bei mir immer drauf an, in welcher Stimmung ich bin. Ich höre gerade ganz viel das neue Casper Album. Und obwohl das doch sehr viel Negativität in sich hat, mag ich es gerne – auch wenn ich vom Naturell her komplett anders bin. Auch das neue Cro Album finde ich super…Ich weiß gar nicht, warum ich gerade so auf einem deutschen Trichter bin (lacht). „Tru“ hat extrem viele Facetten, manche Songs sind 12 Minuten lang, es ist ein sehr künstlerisches Album. Einen echten all-time favourite Song habe ich gar nicht. Der ändert sich ständig. Wahrscheinlich wechsle ich bald wieder auf eine Metal Platte…

Das finde ich ganz spannend. Denn privat hörst du gerne mal härtere Sachen…

Eigentlich fast ausschließlich. Die deutschen Sachen, die ich gerade höre, sind eigentlich eher Ausrutscher. (lacht) Aber an sich höre ich alles, da es mich interessiert, neue musikalischen Facetten zu entdecken.

Du bist auf Social Media sehr aktiv. Als Fan ist man sehr nah dabei. Welche Rolle spielen die sozialen Medien für dich?

Ich glaube, dass Social Media momentan extrem wichtig ist. Es bietet den Fans die Möglichkeit, dauerhaft im Kontakt mit dem Künstler zu stehen. Sie wissen immer, was man gerade macht und wo man ist und sind nicht mehr darauf angewiesen, Medien wie beispielsweise Radio- oder Fernsehinterviews zu nutzen, denn über Social Media bekommt man alle Informationen. Dazu kommt der “live”-Faktor und wir nutzen den Kanal beispielsweise für Gewinnspiele, verlosen Meet and Greets. Die Fans haben durch die Social Media Präsenzen einen Ort, an den sie sich wenden können. Natürlich kann ich nicht mehr allen einzeln antworten, aber früher habe ich das gemacht. Da habe ich mich jeden Abend eine Stunde hingesetzt und bei Facebook Nachrichten beantwortet. Das war für die Fans natürlich das Größte.

Bald geht es wieder auf Tour. Was bedeutet es für dich mit deiner Band auf der Bühne zu stehen und deine Musik live zu performen?

Diese eine bis anderthalb Stunden, die man am Abend auf der Bühne steht sind für mich das Größte. Gerade tagsüber nach vielen Terminen, nach dem Soundcheck und eventuellen Zwischengigs fällt dann der ganze Stress ab. Es ist wahnsinnig schön auf der Bühne zu stehen und wenn man dann sieht, dass das bei den Leuten ankommt, sie ein Lachen im Gesicht haben und die Songs mitsingen, dann ist das wahnsinnig erfüllend. Das ist das beste Geschenk, was man als Künstler bekommen kann. Am Anfang war ich mir dessen gar nicht bewusst. Ich war zu Beginn immer nur im Studio und habe mich dort sehr wohl gefühlt. Und ich hatte echt Schiss, dass den Leuten meine Musik nicht gefällt. Aber mittlerweile singen die Leute tatkräftig mit und irgendwann habe ich es gelernt, das Livespielen zu genießen. Wenn man sieht, dass das Publikum dabei Spaß hat, dann fällt es einem selbst umso leichter es auch zu genießen.

Was war denn Gig-mäßig dein absolutes Highlight bisher?

Oh, das ist schwierig. Ich glaube, wir haben über 100 Gigs gespielt dieses Jahr, von denen der Großteil einfach nur krass war. Jedes Mal, wenn wir einen großen Gig spielen sagen wir: “Das war jetzt aber echt der beste.” Aber dann kommt schon das nächste Highlight. Silvester am Brandenburger Tor ist natürlich groß gewesen, so groß, dass man es gar nicht checkt und man so von Scheinwerfern geblendet ist, dass man das Publikum gar nicht richtig sieht. Letztens waren wir in Berlin in der Wuhlheide, das war auch ziemlich abgefahren, da hatten wir echt eine Wand von Menschen vor uns, die voller Energie war. Ich bin aber auch ein Fan von intimeren Konzerten, wo dann nur 150 Leute stehen. Wenn ich daran zurückdenke, als wir in 200er/300er Hallen gespielt haben, das war auch extrem kuschelig und familiär. Man sieht jeden einzelnen im Publikum, kriegt jeden Gesichtsausdruck mit. Bei 4000er Hallen siehst du hingegen nur noch Köpfe. Wobei das auch wiederum unglaublich beeindruckend ist, wenn die Menge bei den Mitsingparts so unfassbar laut ist. Das hat beides seine Vor- und Nachteile.

Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus?

Ich würde gerne ausschlafen und dann ausgiebig frühstücken, denn das ist für mich die wichtigste Mahlzeit des Tages. Danach erstmal eine Runde Sport machen, mit Freunden was essen gehen und abends einen Gig spielen… Also viel essen und abends Musik machen… Um ehrlich zu sein, habe ich einen solchen Tag noch nie erlebt. (lacht)

In deiner Heimatstadt Eutin Bist du Pate der Aktion „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage „, auch dein Song „Weck mich nicht auf “ hast du als Reaktion auf die vielen schlechten News geschrieben, die tagtäglich auf uns einprasseln. Ist es für dich wichtig, sich zu engagieren, Position zu ergreifen, gerade in den turbulenten Zeiten, in denen wir gerade leben?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, dass gerade auch Künstler, die eine große Followerschaft haben, viel erreichen können mit ihrer Meinung. Gerade diejenigen sollten ihre Position auf jeden Fall nutzen und sich einsetzen für ihre Überzeugungen. Ich glaube, dass ein Künstler viel mehr bei einem Fan erreichen kann als ein Politiker oder eine Nachrichtensendung. Daher hat jeder Künstler gewissermaßen eine Aufgabe, aktiv zu werden. Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, jeder sollte sich gegen Rassismus einsetzen, aber Hauptsache ist, man setzt sich dafür ein, wofür man steht.

Wenn du mal „Frische Luft“ brauchst, wohin zieht es dich dann?

An den Strand. Ich brauche immer Sand und Meer, das ist für mich mein Rückzugsort. Ich bin am Meer aufgewachsen und ich habe noch nichts entdeckt, was mir ein besseres Gefühl gibt als das Meer.

Wo hast du dein schönstes Feuerwerk erlebt?

Mein schönstes Feuerwerk? Ich glaube, dass ich das jeden Abend erlebe, wenn ich auf der Bühne stehe. Ein schöneres Gefühl als live zu spielen kann ich mir nicht vorstellen. Das ist mein Feuerwerk-Moment. Das schönste echte Feuerwerk gibt es bei uns in Grömitz bei „Ostsee in Flammen“.

Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns auf ein tolles Konzert heute Abend.

Die Higlights des Wincent Weiss Konzerts beim SWR3 New Pop Festival gibt es hier.

Wincent Weiss live:

01.11.2017 Osnabrück, Rosenhof
02.11.2017 Bremen, Schlachthof / Aladin
03.11.2017 Essen, Weststadthalle
04.11.2017 Bad Neustadt, Stadthalle
06.11.2017 Münster, Skaters Palace
07.11.2017 Köln, E-Werk
08.11.2017 Bielefeld, Ringlokschuppen
10.11.2017 Kiel, Max
11.11.2017 Flensburg, Max
12.11.2017 Berlin, Huxleys
14.11.2017 Hamburg, Docks
16.11.2017 Hannover, Capitol
17.11.2017 Magdeburg, Factory
18.11.2017 Erfurt, Stadtgarten
20.11.2017 Mannheim, Capitol
21.11.2017 Wiesbaden, Schlachthof
24.11.2017 Siegen, Siegerlandhalle
25.11.2017 Kaiserslautern, Kammgarn
27.11.2017 München, Muffathalle
28.11.2017 Würzburg, Posthalle
29.11.2017 Nürnberg, Hirsch

Interview: Marion Weber und Mirjam Baur
Foto: Sascha Wernicke, Vertigo Berlin

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