Florence & The Machine: Wie Phoenix aus der Asche

Florence & The Machine haben bei einer Brandkatastrophe alle Instrumente eingebüßt – und begeistern dennoch ihr Berliner Publikum.

Florence_4_500pxGegen 21.30 Uhr kommt eine Ahnung auf, dass es ein langer Abend werden könnte. Als wir aus dem Vorraum des Postbahnhofs endlich in den Konzertsaal gelassen werden, sind die Mitglieder der Vorband Voicst noch mit dem Aufbau ihrer Instrumente beschäftigt. Angekündigt waren sie für 21.00 Uhr, Florence & The Machine als anschließender Hauptact um 22.00 Uhr. Dass irgendetwas nicht ganz nach Plan läuft, wird spätestens beim Auftritt von Voicst klar – die mangelnde Zeit für einen Soundcheck rächt sich böse, Backgroundgesang und Saxophon sind kaum bis gar nicht zu hören, was sich offensichtlich auch nicht mehr während des Auftritts lösen lässt.

Zum Glück behält das Publikum – auffällig viele rothaarige junge Frauen sind an diesem Abend hier – weitestgehend seine gute Laune. Gegen 23.15 Uhr betritt Florence mit ihrer Band endlich die Bühne und legt mit „Birdsong“ einen furiosen Auftakt hin. In ihrem  schwarz-goldenen Gewand, das ein wenig an Kate Bush in den Siebzigern erinnert, mit ihren roten Haaren und ihrem typisch düsteren Blick erscheint sie beinahe wie eine Hohepriesterin der Popmusik. Das Publikum ist ein wenig hin- und hergerissen. Während die einen klatschen und johlen, wird aus manchen Ecken ein ehrfürchtiges „Psst!“ laut. Florence haut auf die Trommel an ihrer Seite, öffnet den Mund – und fegt alle an die Wand. Ihr Stimme ist gewaltig, und der Sound ist bei ihr zum Glück besser als bei den Jungs und Mädels von Voicst. Auch in den hintersten Reihen dürfte vom ersten Ton an angekommen sein, dass hier eine große Sängerin am Werk ist.

Leicht furchteinflößend wirkt Florence während der ersten Lieder, wie sie sich die Haare rauft und sich hinter dem Mikrofon schlängelt. Das weite Kleid wird in die Höhe gehoben und tut sich vorne auf, sodass der Blick auf ihre langen, muskulösen Beine frei gegeben wird. Man weiß nicht ganz ob sie uns verzaubern oder verfluchen will. Aber dann die Überraschung. Nach den ersten Liedern taut sie auf, trinkt einen Schluck und fängt an zu lachen, als sie ins Leere nach dem Mikrofon greift, das aus seiner Halterung gerutscht ist und vom Ständer herabhängt. In solchen Momenten wird eine andere Florence sichtbar, was wieder Verstörung erzeugt, denn so hätte man sie gar nicht eingeschätzt. Sie begrüßt ihr Publikum und entschuldigt sich für die Verspätung mit einer schier unglaublichen Geschichte: Der Anhänger, der das Equipment der Band beförderte, ist während der Tournee komplett ausgebrannt, nichts hat den Brand überstanden als eine einzige Gitarre. Die Instrumente, auf denen sie nun begleitet wird, wurden in Windeseile als Ersatz angeschafft, inklusive einer Standharfe, deren Anblick Florence große Begeisterung entlockt. „I’ve never seen anything sadder than a harp going up in flames,“ kommentiert sie den Verlust des alten Instruments.

Man könnte meinen, dass die Band fast noch ein wenig traumatisiert wirkt. Vielleicht ist es aber auch der hypnotische, ständig zwischen Drama und Freude schwankende Sound von Florence & The Machine, der ein „Hauptsache-wir-leben-noch-Gefühl“ im Raum schweben lässt. Je weiter der Abend voranschreitet, desto fröhlicher wird Florence. Spätestens bei ihrem Hit „The Dog Days Are Over“ hat sich die erste Ehrfurcht im Publikum gelegt und es ist bereit mit ihr zu feiern, ihrer Aufforderung, in die Höhe zu springen kommt man ausnahmslos nach. Es ist ein Abend, der kräftig auf der Gefühlsklaviatur spielt, einmal in Partylaune gekommen schlägt Florence direkt wieder ruhigere Töne an. „Between Two Lungs“ trägt sie mit Gänsehaut verursachender Inbrunst vor, bei den beiden Zugaben „You Got The Love“ und „Rabbit Heart“ ist am Ende kaum jemand im Publikum, der nicht ekstatisch die Hände in die Höhe wirft.

Nach knapp eineinhalb Stunden verabschiedet Florence sich, nicht ohne sich ausgiebig zu bedanken -vor allem für die vielen Blumen, die während des Konzerts immer wieder auf die Bühne flogen. Wie ein Phoenix wirkt sie, auferstanden aus der Asche. Ein sehr rothaariger, sehr schöner Phoenix. Diese Frau haut so schnell nichts um.

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Fotos: ©Lynn Lauterbach