Warum sich Justin Timberlakes gut gemeinte Super Bowl Performance irgendwie falsch anfühlt

Weißt du Justin, ich gehöre zu den glühenden Verteidigern deiner Kunst. Weil ich dich schon mehrfach live gesehen habe und es vor allem 2007, zur Zeit deiner „FutureSex/Lovesound“ Platte, richtig gut war. Weil ich finde, dass du zu den wenigen Pop-Mega-Stars gehörst, die das Fünkchen Charakter und Menschlichkeit in ihrer Performance blicken lassen, das sie von dem Gros der seelenlosen Bühnenroboter unterscheidet, die sonst diesen seltsamen Popzirkus bevölkern. Und nicht zuletzt weil du, als Prince gestorben bist, einen der treffendsten und rührendsten Nachrufe auf ihn geschrieben hast. Deshalb habe ich auch in den letzten Wochen immer wieder eine Lanze für dich gebrochen, als viele dich für deine neuen Singles „Filthy“ und „Supplies“ geslamt haben. Weil ich finde dass das, im entsprechenden Kontext gesehen, einfach gute Songs sind. Nicht derartige Kracher wie „Like I Love You“ oder „Senorita“, die ich inzwischen sogar als regelrecht zeitlos bezeichnen würde. Aber gut. Weil ich so eine recht stabil untermauerte gute Meinung von dir habe, habe ich mir auch vorgenommen, mir diese Woche noch etwas mehr Zeit mit deinem neuen Album „Man Of The Woods“ zu geben, das ich nach dem ersten paar Mal hören ehrlich gesagt doch etwas lahm finde. Ich tue ja selten meinen Unmut kund, aber ich glaube, ich muss es diesmal doch sagen: Justin, ich bin enttäuscht.

Ich kann mir nicht helfen, ich finde so vieles falsch an deiner Super Bowl Performance. Fangen wir gleich mal beim Offensichtlichsten an: mir fällt einfach kein einziges zündendes Argument dafür ein, warum man ein Duett mit einem verstorbenen Star singen sollte, den man angeblich so sehr respektiert, wie du es stets zu tun schienst. Kurzzeitig sah es so aus, als hätte Sheila E dich zur Vernunft gebracht, als sie über Twitter verkündete, sie habe mit dir gesprochen und es werde während deiner Performance keine Wiederbelebung von Prince in Form eines Hologramms geben. Dass es am Ende nur eine Projektion auf einem weißen Vorhang war, als die Prince sich am Klavier von dir zu „I Would Die 4 U“ gezwungenermaßen begleiten ließ, das macht es nicht wirklich besser. Dabei gehörst du sogar zu den wenigen Performern, von denen ich es ertragen hätte, wenn du einfach einen Song für ihn gesungen hättest. Zusammen mit der zauberhaften Lichtshow ihm zu Ehren hätte das eine feine Sache werden können. So war dieses „Duett“ genau das, was ich gehofft hatte, nie erleben zu müssen –  Effekthascherei, ein Trauerspiel.

Und apropos seelenlos. Bitte, Justin, tu mir den Gefallen und werde nicht dauerhaft so, wie ich dich in dieser Performance wahrgenommen habe. Irgendwie wirkte das alles, als würdest du ein paar Meter neben dir stehen. Ich habe dich schon tanzen sehen, das hat mir vor Lässigkeit und Energie nahezu die Sprache verschlagen. Im Gegensatz dazu wirkten deine Bewegungen, als würdest du einen letzten Durchlauf durchmarkieren, um das entscheidende Quentchen Energie für den großen Auftritt aufzuheben. Und wann sind eigentlich Headsets aus der Mode gekommen? Irgendwie war es fast cooler, wenn man nicht ganz so offensichtlich sagen konnte, wann das Playback komplett übernimmt. Wenn ein Mikrofon nur noch dazu genutzt wird, zwischendrin das Publikum anzufeuern, das ist schon ein trauriger Anblick. Und zu guter letzt: Du bist so ein gutaussehender Mann, Justin – feure deine Stylisten!

Vielleicht ist so eine Halftime Performance aber auch einfach eine unangenehme Geschichte. Wenn man bedenkt, was für Konsequenzen eine entblößte Brust für Janet Jackson oder ein entgleister Mittelfinger damals für M.I.A. hatte – wie diese beiden Frauen hinterher zum Teil in den amerikanischen Medien behandelt wurden, das kann man schlichtweg nur als eklig bezeichnen. Vielleicht bist du einfach der gute Kerl für den ich dich halte und weißt das. Und hast dich insgeheim entsprechend unwohl in deiner Haut gefühlt. Das wäre eine so wünschenswerte Erklärung für diese völlig überfrachtete, altmodisch choreografierte, kitschbeladene und herzlose Show, in der du den erschreckend blassen Mittelpunkt gebildet hast. Im Sommer kommst du zu uns auf Tour. Bitte mach es dann wieder besser. Ich würde dir so gerne treu bleiben.

Justin Timberlake live:

21.07.2018 Köln, Lanxess Arena
08.08.2018 Hamburg, Barclaycard Arena
12.08.2018 Berlin, Mercedes Benz Arena
20.08.2018 Frankfurt, Festhalle

Der offizielle Vorverkauf beginnt am 12.02.2018.

Foto: Screenshot Youtube