Vom Buch zum Film: Steven Spielberg verfilmt Ernest Clines „Ready Player One“

Dass Steven Spielberg sich die Finger danach geleckt haben muss, Ernest Clines Sci-Fi-Hit „Ready Player One“ zu verfilmen, kann man sich leicht vorstellen. Und irgendwie deutet auch alles daraufhin, dass Hollywoods liebstes Spielkind der perfekte Mann für den Job sein müsste.
Aber ach, zwei Seelen kämpfen in der Brust des passionierten Film- und Booknerd, wenn er an eine Verfilmung von „Ready Player One“ denkt. Ohne Frage, es ist ein cineastischer Stoff, der auf eine Art nach einer Verfilmung schreit. Auf der anderen Seite ist er so komplex, so überbordend vor Referenzen, Anspielungen und Zitaten, dass man es gleichzeitig ein bisschen mit der Angst zu tun kriegt. Denn vor allem ist „Ready Player One“ mehr als nur der große Science Fiction Spaß, als der er auf den ersten Blick daher kommt – und als den Steven Spielberg ihn jetzt für die Kinoleinwand inszeniert hat.

Virtuelle Ostereier – Suche 

In der erstmals 2011 erschienenen Romanvorlage geht es um den Highschool Schüler Wade (im Film gespielt von Tye Sheridan), der in den 2040ern in einem dystopischen Amerika aufwächst. Nach der Energiekrise hat die Lebensqualität der Durchschnittsbevölkerung rapide nachgelassen. Vernünftigen Wohnraum kann sich kaum einer mehr leisten, stattdessen wohnt ein Großteil der Stadtbewohner in sogenannten „Stacks“, in überlaufenen Trailerparks, in denen die Trailer aus Platzgründen übereinander gestapelt werden. Wades Eltern sind gestorben, jetzt lebt er in einem Trailer mit seiner drogensüchtigen Tante Alice und deren gewalttätigem Freund. Wades einziger Zufluchtsort ist ein alter Van auf einem verlassenen Schrottplatz, der aber der Zugang zu etwas viel Größerem ist. Denn das eigentliche Leben in dieser trostlosen Zukunft spielt sich in der OASIS ab, der größten bisher da gewesenen virtuellen Welt, geschaffen von einem exzentrischen Millionär, James Halliday. In der OASIS kann man einkaufen, Medien konsumieren, wie Wade zur Schule gehen und natürlich Computerspiele spielen. Hier ist Wade sein Avatar Alter-Ego Parzival – denn in der OASIS kann jeder, völlig anonym, sein wer er will. Seit dem Tod des Erfinders dreht sich in der OASIS aber alles nur noch um die Suche nach dem sogenannten „Easter Egg“, das Halliday irgendwo auf einem der zahlreichen Planeten der OASIS versteckt hat. Um es zu finden, muss man drei Schlüssel ergattern, die dazugehörigen Tore öffnen und natürlich die damit verbundenen Challenges bestehen. Dem „Gunter“ (so nennen sich die Gamer, die ihr Leben darauf ausrichten, nach dem Ei zu „hunten“), der das Easter Egg findet, wird Hallidays gesamtes, unermessliches Vermögen zuteil – und die volle Kontrolle über die OASIS.

Kein Wunder natürlich, dass jeder dieses Ei finden will. So auch die Firma IOI, die Avatare in Festanstellung rekrutiert und mit den ihr zur Verfügung stehenden Resourcen alles daran setzt, die Kontrolle über die OASIS zu erlangen. Denn die OASIS ist, ganz dem Geiste James Hallidays nach, für jeden frei zugänglich, und genau das möchte die IOI in Zukunft ändern. Dafür wird sie nicht nur von der gesamten Gunter Community gehasst, sie schreckt auch nicht vor Mord zurück, um ihre Ziele zu erreichen.
Es geht also nicht nur um das Mastern des größten Videospiels aller Zeiten, sondern auch um die individuelle Freiheit der gesamten Bevölkerung, die auf dem Spiel steht. Und natürlich auch um die große Frage, wie weit der Verfall der realen Welt in Zusammenhang steht mit der Flucht in die virtuelle, in der alles so viel einfacher ist und so viel mehr Spaß macht, ohne dass man viel dafür investieren muss. Das ist eines der Motive von Ernest Clines Roman. Das andere ist natürlich die große Hommage an Film- Musik- und Spieleklassiker der achtziger Jahre, dem Jahrzehnt, in dem James Halliday groß geworden ist und das man wie aus dem FF kennen muss, um die Chance zu haben, die Challenges zu bestehen. So wie zum Beispiel Wade/Parzival und sein Kumpel Aech, die das Leben Hallidays bis in die kleinste Facette studiert haben, inklusive sämtlicher seiner Lieblingsfilme, -platten und natürlich Spiele. Parzival und Aech setzen alles daran, den ersten Schlüssel zu finden, der seit bereits fünf Jahren unentdeckt geblieben ist. Aber es gibt Konkurrenz, nämlich in Form des weiblichen Avatars Art3emis und der japanischen Brüder Daito und Shoto. Die fünf Super Nerds schaffen es schließlich, in den Besitz des ersten Schlüssels zu kommen, allen voran Parzival. Sofort haben sie die IOI an den Fersen, die mit unfairen Methoden versucht, ihnen die Pole Position streitig zu machen. Die Jagd nach dem Easter Egg wird zu einem erbitterten Kampf, bei dem es letztendlich auch in der realen Welt um Leben und Tod geht.

Avatare mit Model-Maßen

Diese Grundmotive und Figuren finden sich in Spielbergs Filmadaption natürlich wieder. Aber auch nur in groben Zügen. Das ist natürlich verständlich, da vieles, was in „Ready Player One“ detailliert beschrieben wird, filmisch so nicht umsetzbar ist,  zumindest nicht wenn man auf opulente, 3D-taugliche Bilder setzt, wie es bei einem Spielberg Blogbuster nunmal der Fall ist. So wird zum Beispiel aus der Challenge, den gesamten Film „War Games“ (ein Hacker-Kultfilm von 1983) bis ins Detail nachzuspielen auf der Leinwand das schwierigste Autorennen aller Zeiten. Im Sinne der filmischen Spannung machen solche Änderungen durchaus Sinn. Traurig aber, dass der Film zwar mit einer Überlänge von zweieinhalb Stunden daher kommt, trotzdem aber auf so ziemlich alle in die Tiefe gehenden Motive der Romanvorlage verzichtet und stattdessen mit möglichst vielen eigenen Wendungen zu bestechen versucht. Eines der wichtigsten Details, nämlich die große Kluft, die zwischen dem Avatar und der jeweils im realen Leben dahinter steckenden Persönlichkeit liegen kann, wird in klassischer Hollywood Manier glatt gebügelt: einer der männlichen Avatare entpuppt sich in der Realität zwar als schwarze junge Frau, das war’s dann aber auch schon. Dass diese in der Romanvorlage lesbisch ist, wäre dann doch zu viel es Guten, dies lässt der Film völlig unter den Tisch fallen. Die fünf Haupt-Gunter sind allesamt jung, schlank und schön. Damit untergräbt die Verfilmung komplett einen der interessantesten Aspekte von Ernest Clines Roman: nämlich dass die OASIS ein Ort ist, in der jeder, egal welcher Bevölkerungsschicht, Herkunft oder Physiognomie, die Chance hat ein Held zu sein und auf diese Weise seine ganz eigenen Qualitäten entfesseln kann. Im Buch beschreibt Parzival Art3mis’ Avatar als kurvig und ergeht sich darüber, wie sexy er ihre Rubensmaße findet. Davon ist weder in der optischen Gestaltung des Avatars noch in der Besetzung der Samantha durch Olivia Cooke etwas übrig geblieben. Überhaupt streift der Film die Tiefe der Figuren nur peripher. Sie wirken eher wie eine Gruppe cooler Kids, die mit einer Mischung aus Wissen, Charme und Glück die Herausforderung meistern. Dass vor allem Parzival, Art3mis und Aech über ein beispielloses, umfassendes Wissen verfügen und schlichtweg die Qualifiziertesten für den Job sind, macht Ernest Cline viel deutlicher. Und auch der IOI Boss Sorrento, der erbitterte Gegner der Truppe, wirkt in seiner Funktion als Bösewicht eher possierlich.

Solide gemachter Fantasy-Einheitsbrei

Bleiben also Action und Optik. Nur leider fallen auch diese enttäuschend aus. Es gibt ein paar hübsche Massenszenen, aber insgesamt wirkt der Film in seiner Modernität fast schon wieder altbacken. Die Animation der Avatare ist unspektakulär, die 3D Effekte nahezu kaum spürbar. Der Retro-Aspekt der Buchvorlage fällt in der optischen Umsetzung kaum ins Gewicht. Was bleibt ist solide gemachter Fantasy-Einheitsbrei. Eins der wenigen Highlights: Mark Rylance als James Halliday ist die einzige Figur, die wirkt wie Clines’ Vision entsprungen.
Um den Film unbeschwert als opulenten Action Spaß zu genießen zu können, ist es definitiv hinderlich, die Vorlage zu kennen. Man möchte wirklich nicht den spießigen Literaten spielen, der sofort schreit: Aber das Buch ist so viel besser! In diesem Fall ist es leider eine Tatsache, an der nichts zu rütteln ist.

„Ready Player One“ startet am 5. April 2018 in den deutschen Kinos. Der gleichnamige Roman von Ernest Cline ist in deutscher Übersetzung bei Fischer/TOR erschienen. 

Gesehen / Gelesen von: Gabi Rudolph

Fotos: Warner